Mittwoch, 16. Oktober 2013

TERRA SF 126 - K. H. Scheer : Der Mann von Oros


Karl Herbert Scheer : Der Mann von Oros (2.Teil)
Terra SF 126, 08.07.1960
Nachdruck des gleichnamigen Leihbuchs von 1958
Titelbild : Johnny Bruck


Ramsay Eltron war einer von fünf Millionen. Ein tausendfach gesiebter und geschulter Raumoffizier, dessen Wesen eine unpersönliche Härte ausstrahlte. Sein Schicksalsweg beginnt in dem Augenblick, als ein unbekannter Fremdkörper auf die Oberfläche des Pluto abstürzte.

Wie alle Romane von K. H. Scheer ist auch dieses Werk verblüffend und großartig in den sauber fundierten technischen und wissenschaftlichen Details. Aufbauend auf dem heutigen Wissen, kommt Scheer zu Erkenntnissen, die durchaus nicht in das Reich der absoluten Phantasie verwiesen werden dürfen. Die biologische Struktur eines erdenfremden Wesens wird verständlich, als Raumkapitän Eltron einen Fehler begeht, der in seiner ureigensten Psyche begründet ist. Das Unbekannte aus den Tiefen des Kosmos übernimmt die materiell stabile Daseinsform eines menschlichen Körpers, was der Autor in glänzender Form zu erzählen versteht.

Aus dem Kommandanten der ersten Pluto-Expedition ist der Mann von Oros geworden, und damit beginnt eine Handlung, die dem verwöhntesten Leser utopischer Romane eindringlich vor Augen führt, daß nichts unmöglich ist. Eltron, der nicht mehr Eltron ist, entwickelt umwälzende Triebwerke, mit deren Hilfe die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit möglich ist. Weshalb muß eine bestimmte Masse unendlich werden, sobald sie sich der Lichtgeschwindigkeit nähert? Weshalb ist es trotzdem möglich, diese physikalische Grenze zu überschreiten? Der erste Vorstoß zu den Sternen beginnt, und damit geht ein Plan in Erfüllung, der von einer durch und durch fremden Lebensart gefaßt worden war. Der Mann von Oros hat ein ganzes Sonnensystem bezwungen und dessen Bewohner mit der Geißel seines unmenschlichen Intellekts gepeinigt. Verblüffend und einmalig sind die philosophischen Gesichtspunkte, die der Autor in einer unglaublichen Anpassungsfähigkeit an die fiktive Daseinsform einer kosmischen Intelligenz entwickelt. Der Mann von Oros bleibt überragend, bis er von seinem eigenen Ich bezwungen und gedemütigt wird.

Der Roman zeichnet sich aus durch eine enge Verknüpfung der amerikanischen Science Fiction mit der europäisch-utopischen Literatur.
Klappentext des Balowa-Leihbuchs

Irgendwie scheine ich ein Faible für zweite Teile zu haben. Wieder habe ich von einem Doppelband nur den 2. Teil, und auch beim nächsten Doppelband steht mir exakt das gleiche Problem bevor. Denn die Doppelbände bei TERRA erfreuten sich großer Beliebtheit, hier konnte trotz Heftroman-Format mehr als nur reine Trivialliteratur veröffentlicht werden.

"Der Mann von Oros" ist für Scheers normalerweise humanozentrischen Standpunkt ziemlich düster. Als sei ihm während des Schreibens irgendetwas im tatsächlichen Leben ziemlich böse danebengelungen gibt er hier eine ziemlich bittere Sicht der Dinge von sich. Der Außerirdische ist so rein und edel, daß einem heutigem SF-Leser schon die Fußnägel hochrollen. Die Menschen hingegen werden eher plastisch-realistisch in ihrer Bigotterie und mit ihrer Angst vor dem Anderen, Fremden, dargestellt. Aus diesem Gegensatz konstruiert Scheer die Spannung des Romans, manchmal wirklich schwer für heutige Leser zu ertragen.

Allerdings gilt das nur inhaltlich. Stilistisch und handwerklich ist Scheer nicht nur seinen zeitgenösssischen Mit-SF-Autoren, sondern ebenfalls den meisten heutigen Phantastik-Autoren weit überlegen. Eine rein handwerkliche Analyse des Scheerschen Oeuvres ist dringend überfällig.

1 Kommentar:

  1. Notfall hin - Notfall her. Der Außerirdische tötet Menschen.
    Allein diese Tatsache macht einen, wem auch immer, nicht gerade rein und edel.
    Und über die Fremdenfeindlichkeit hat Scheer schon damals voll ins Schwarze getroffen.
    Es müssen ja nicht immer Aliens zu sein. Ein Blick ins heutige Deutschland langt da vollkommen.
    Für mich einer der besten Scheer Romane die ich von ihm kenne.

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