Montag, 19. Dezember 2011
Thomas Thiemeyer : Korona
Thomas Thiemeyer : Korona
Knaur Verlag 2010
Hardcover, 510 Seiten
Starke Sonneneruptionen schleudern mächtige Energien auf die Erde. Dies bekommen auch ein paar Gorillaforscher zu spüren. Auf der Suche nach verschwundenen Kollegen treffen sie auf eine alte Stufenpyramide, die diese Energien sammelt. Und eine Einstein-Rosen-Brücke, vulgär auch Wurmloch genannt, in ein Paralleluniversum bildet. In diesem Universum sind einige Naturkonstanten etwas anders als in unserem, so gibt es dort beispielsweise fliegende Steine. Keine Zauberei, sondern die Auswirkung eines Quanteneffekts. In dieses Universum sind vor einigen tausend Jahren die Angehörigen einer mächtigen afrikanischen Zivilisation eingewandert. Zusammen mit den ersten Intelligenz entwickelnden Gorillas. Was zu einem Krieg zwischen den beiden Rassen geführt hat, der bis heute andauert. Die Gorillaforscher finden den letzten Überlebenden der gesuchten Kollegen – zu einem Mensch/Pflanze-Hybriden umgewandelt und als hirnloser Krieger im Kampf gegen die Gorillas eingesetzt.
Eine sehr machtvoll erzählte Geschichte über Verrat und Rache auf der einen Seite. Denn einer der Gorillaforscher, Matthew Griffin, saß 15 Jahre im Gefängnis, weil er von seinem Freund William Burke als Unfallfahrer dargestellt wurde, der am Steuer saß und Schuld am Tod seiner besten Freundin Hazel gewesen ist. Tatsächlich saß aber William selbst am Steuer und verriet den Freund, damit ihm keine Nachteile erwachsen. Ein erheblicher Teil des Romans beschäftigt sich mit Matthew, seinen Gefühlen und der Reaktion seiner Umwelt auf seine Vendetta. Hier gelingt es Thiemeyer, einerseits sehr differenziert die Geschichte von Matthew zu erzählen und sich andererseits auf den Standpunkt zu stellen, daß Rache keine Lösung ist. Ich ganz persönlich sehe das anders. Aber mir ist selten so eine gelungene Darstellung einer mir ganz persönlich nicht sympathischen Lebenseinstellung untergekommen. Ich sehe diesen Teil als das Kraftvollste des Buches an, eine Aussage, die diesen Roman weit über eine triviale Abenteuerpistole hervorhebt, das Statement eines Autors zu einer moralphilosophischen Frage, wie ich es gerne häufiger lesen würde.
Auf der anderen Seite ist "Korona" eine excellente Geschichte über die globale Ökologie und ihre Verletzlichkeit. Am Beispiel der Sonnenaktivitäten zeigt Thomas Thiemeyer auf, wie leicht das ökologische Gleichgewicht gestört werden kann. Und wie wenig wir bis heute über zyklische Erscheinungen wie etwa die Sonnenzyklen eigentlich wissen. Parallel dazu führt er den Leser in ein faszinierendes Afrika, in dem die letzten Exemplare einer speziellen Gorilla-Art ein gefährliches Leben führen. Er skizziert die Arbeit der Gorillaforscher und Forest Ranger, die Gefahren durch Naturkatastrophen und Wilderer. Sehr detailfreudig und sehr präzise schildert er diese ökologische Gesamtsituation und auch hier gibt er deutlich ein ökologisches Statement ab. Bemerkenswert finde ich hierbei, daß ihm dies gelingt, ohne den moralischen Daumen zu heben, wie es Öko-Apostel nur zu gerne tun.
Der Schauplatz Afrika ist auch aus anderen Gründen bemerkenswert. Im Gegensatz zu "Magma" wird das Setting hier detailreich und präzise geschildert, genauso gut wie der Harz in Deutschland in Thiemeyers Roman "Nebra". Im Netz und auch auf seiner Website erfährt man, daß Thomas Thiemeyer hier aufwendige Recherchen vor Ort angestellt hat. Dies hat sich deutlich gelohnt, denn keiner der Kritikpunkte von "Magma" über die nur schattenhaft beschriebenen Handlungsorte trifft hier auch nur näherungsweise zu, ja Thiemeyer gelingt es gerade im Kontrast zu seinem Vorgänger-Roman, meine persönlichen Vorurteile über deutsche Autoren, die unbedingt angloamerikanische Personen als Handlungsträger und exotische Orte als Setting benutzen, zumindetens anzukratzen.
Weiter empfand ich "Korona" als deutlichen Beweis dafür, wie weit sich gerade die deutsche Phantastik in den vergangenen 200 und speziell in den letzten 40 Jahren entwickelt hat. Obwohl der Roman Michael Crichton gewidmet ist, erinnert die Story doch extrem an "John Carter of Mars". Doch im Gegensatz zu der oberflächlichen Abenteuergeschichte von Burroughs und der ziemlich platten Hommage von Lin Carter bringt Thiemeyer hier, wie oben dargestellt, eine deutlich differenziertere Sicht der Dinge hinein.
Und, was mir auch ausnehmend gut gefallen hat : Thomas Thiemeyer schreibt hier lupenreine Science Fiction. Kein Wissenschaftsthriller, keine Fantasy, sondern genau und nur SF. Jedes Detail, angefangen von der Öffnung des Wurmlochs bis zu den fliegenden Schiffen und den Pflanzenmenschen der Parallelwelt ist wissenschaftlich hundertprozentig untermauert und nur ein bißchen extrapoliert. Dies gilt für die physikalischen Aspekte ebenso wie für die ökologischen und biologischen. Gerade diese Facette des Romans empfinde ich als herausragend im Genre und ich bin gespannt auf Rezensionen von Genre-Theoretikern, für die dieser Roman ein Genuß sein dürfte. Denn abgesehen davon, daß Knaur diesen Roman wieder einmal als "Thriller" vermarktet, wird er im Netz oftmals gar nicht als SF erkannt. Aber da er gut ist, muß er ja Fantasy sein. Sehr amüsant.
Ein letztes Detail, das nicht unerwähnt bleiben darf : Es handelt sich um einen eigenständigen Roman. Kein Teil eines Zyklus, kein Teil einer Romanreihe mit ein und derselben Protagonistin. Ich persönlich finde das angenehm, eine elegante Abwechslung zu den Serien und Romanreihen, die ich ebenfalls mit Begeisterung lese.
Fazit : Ein rundum gelungener SF-Roman, den man jedem Genre-Fan nur empfehlen kann.
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