Andreas Brandhorst : Feuervögel
Die Menschheit befindet sich seit elfhundert Jahren im Krieg gegen die nichtmenschlichen Graken. Ein Findelkind entwickelt sich zu ersten männlichen Großmeister der Tal-Telassi-Schwesternschaft und schafft es mit seinen psychischen Fähigkeiten, die drohende Niederlage abzuwenden.
Eine andere Inhaltsangabe könnte lauten : "Der Kwisatz Haderach wird bei den Bene Gesserit ausgebildet." Dieser Vergleich kommt nicht von ungefähr, die Analogie mit Frank Herberts "Dune" ist verblüffend. Ebenso wie die Geschichten um den Wüstenplaneten spielt "Feuervögel" 10.000 Jahre in der Zukunft - und genau wie Frank Herbert schafft es Andreas Brandhorst, dem Leser bereits auf den ersten Seiten eine Vertrautheit mit seinem Universum zu schaffen, die einen bis zum Ende nicht mehr loslässt. Die Tal-Telassi-Schwesternschaft ist eine Gemeinschaft von Frauen, die über Selbstdisziplin geistige Fähigkeiten entwickeln. Der Vergleich mit den Bene Gesserit drängt sich nahezu auf, insbesondere nachdem Dominik als männlicher Tal-Telassi seinen ersten Auftritt hat. Das Gefühl, einen alternativen Wüstenplanet-Roman vor sich zu haben, bleibt auch bis zum Ende des Romans erhalten, als Dominik sich der (ihm sichtbaren) Unabwendbarkeit seines Schicksals fügt. Diese durchgängige Analogie wird noch hervorgehoben durch den hervorragenden Stil des Autors, der zu keiner Zeit Langeweile aufkommen lässt, ohne in sinnlose Action-Szenen zu verfallen.
Diese Analogien zu "Dune" bleiben allerdings Analogien und werden an keiner Stelle zu platten Ähnlichkeiten. Das gänzlich andere Universum, das der Autor vor dem Leser entfaltet, ist originär - und faszinierend. Man spürt deutlich den machtvollen Sense of Wonder dieses Universums, man sieht förmlich die einzelnen Szenen vor sich. Die bildhafte Sprache des Autors tut ein übriges dazu, diesen Kosmos zu lieben und sich darin heimisch zu fühlen.
"Feuervögel" ist der erste Teil der Graken-Triologie. Das ist auch sein einziger Mangel. Denn im Gegensatz zu "Dune" liegt hier kein in sich abgeschlossener Roman vor, kein für sich alleine stehendes Werk. Es bleibt abzuwarten, ob das hohe Niveau des ersten Teils auch in den nächsten beiden Teilen durchgehalten wird.
Andreas Brandhorst : Feuerstürme
Nach dem Sieg von Dominik in "Feuervögel" fügt 20 Jahre später Dominique, seine Tochter, den Graken die nächste Niederlage zu.
Dieser Band hat mehrere Ebenen, eine davon trivial, die restlichen bemerkenswert. Auf der ersten trivialen Ebene ist "Feuerstürme" eine klassische Space Opera mit allen Zutaten, flott erzählt und angenehm gestaltet.
Die erste bemerkenswerte Ebene ist die Darstellung des Krieges mit seinen Folgen. Andreas Brandhorst beschreibt hier sehr deutlich am Beispiel des Hegemond Maximilian Thrubond, daß ein Krieg immer faschistische Strukturen erzeugt, die selbst beim besten Willen eines Kriegsherrn die Gesellschaft immer in den Abgrund führen. Sehr deutlich, vielleicht sogar etwas plakativ, beschreibt er die gesellschaftlichen Konsequenzen (ökonomischer Zusammenbruch, Familentrennung durch Wehrpflicht / Zwangsrekrutierung) eines Krieges, etwas, das in vielen Space Operas vernachlässigt wird. Der Autor gibt hier ein Statement gegen den Krieg ab, das ich mir in dieser Deutlichkeit von vielen pazifistischen Romanen gewünscht hätte.
Die zweite bemerkenswerte Ebene dieses Romans ist die Frage der Bewusstwerdung. Am Beispiel neu auftauchender künstlicher Intelligenzen, der Chrotas, und ihrem Zusammenspiel mit den innerhalb der Allianz existierenden Megatron-KIs stellt der Autor deutlich den Unterschied zwischen Wissen und Intelligenz heraus. Die Chrotas benutzen Menschen und andere Wesen als Maschinenersatzteile und versuchen auch die Megatrons in diese Richtung zu manipulieren. Diese weigern sich jedoch und stellen klar, daß kein fühlendes / denkendes Wesen einem anderem willentlich Schaden zufügen oder es sogar benutzen darf. Dadurch identifizieren sie sich als Mitwesen, erheben sich über ihren Maschinenstatus. Hier begibt sich der Autor auf die Spuren von Isaac Asimovs Robotergeschichten und man stellt fest, daß ihm diese Schuhe keinesfalls zu groß sind.
Eine weitere Ebene ist die Kosmologie, die hier allerdings nur kurz angesprochen wird. Ich bin auch sicher daß man bei erneutem Lesen weitere Facetten dieses Romans finden würde. Die obigen drei sind die, welche mir am deutlichsten aufgefallen sind, ich möchte es dabei belassen.
"Feuerstürme" ist der zweite Teil der Graken-Triologie. Durch die Entdeckung des letzten Kantaki stellt Andreas Brandhorst auch den Zusammenhang mit seinem früherem Kantaki-Zyklus her, der allerdings definitiv nicht notwendig vorher gelesen werden muß, ich habe ihn mir auch erst im Nachgang bestellt. Trotzdem es ein zweiter Band ist, flacht die Spannung nicht ab, man ist begierig zu erfahren, wie es weitergeht. Ein sehr empfehlenswertes Buch, auch wenn die Kenntnis des ersten Bandes, "Feuervögel", unumgänglich ist.
Andreas Brandhorst : Feuerträume
Direkt im Anschluß an ihren Sieg in "Feuervögel" gerät Dominique in den Hyperraum, trifft dort ihren Vater Dominik wieder und verhindert, daß der psychisch kranke Olnik, ein Bewohner des Hyperraums und Initiator des Graken-Krieges, weiteres Unheil anrichtet. Parallel dazu beendet im Normaluniversum Nektar, ein Soldat und Heerführer, den Graken-Krieg durch einen überwältigenden Sieg über die Graken und ihre Hilfsvölker.
Ebenfalls an der Oberfläche ein gelungener Space Opera – Roman klassischen Zuschnitts. Man langweilt sich zu keiner Zeit, obwohl gerade dieser Roman in einem sehr exotischem Setting, dem Hyperraum, spielt. Sehr angenehm dabei die konsistente Beschreibung dieses Raums und der Möglichkeiten seiner Bewohner.
Eine Ebene tiefer stellt Andreas Brandhorst hier eine Kosmologie vor, deren Tiefe, Substanz und Exotik mich an Roger Zelaznys Amber-Romane oder die Ebenen von Philip Jose Farmer erinnern. Obwohl extrem ungewöhnlich, langweilt man sich keine Sekunde bei der Darstellung des Nicht-Normalraums und ist begierig zu lesen, wie es weitergeht. Der Autor stellt hier die Schaffung von Universen dar und philosophiert ein bißchen über die Wechselwirkung von Realität und dem eigenen Ego. Der Roman bleibt hier in sich stimmig, die naturwissenschaftlichen Spekulationen nachvollziehbar, die Geschichte trotzdem flüssig lesbar, was in dieser Kombination nicht wirklich oft vorkommt.
Parallel dazu schildert Brandhorst die Geschichte von Nektar, beginnend beim Tod seiner Eltern als er noch ein Kind war bis zu seinem Sieg über die Graken als alter Mann. Der Autor stellt hier eine zwangsläufige und notwendige Entwicklung eines Kriegers dar, in dieser Form kann man das nur als implizite (aber deutliche) Kritik an dem Konzept des „Ewigen Helden“ von Michael Moorcock verstehen. Bemerkenswert empfand ich die bei aller Kritik an den Mitmenschen grundsätzlich positiv-optimistische Grundstimmung, die Andreas Brandhorst hier verbreitet.
"Feuerträume“ ist der dritte Teil der Graken-Triologie, als Abschluß mag ich ihn wegen des offenen Endes nicht bezeichnen. Wie seine beiden Vorgänger ein sehr lesenswertes Werk, in dem Andreas Brandhorst am Anfang eine Unmenge an Handlungssträngen hervorholt (was anfangs irritiert), die er im Laufe der Geschichte zu einem zusammenhängendem Ganzen montiert (was schlußendlich begeistert). In diesem Band wird nicht nur der Zusammenhang mit der Kantaki-Triologie hergestellt, es werden auch beide Triologien miteinander verzahnt, so daß insgesamt hier ein sechsbändiger Zyklus vorliegt.
Mein Fazit von "Feuerträume" ebenso wie von der Graken-Triologie als Ganzes : Lesenswert, große SF. Das zunächst abstoßende "Ziegelstein"-Format der Romane entpuppt sich als Leinwand einer überwältigenden Space Opera, von der man garnicht genug kriegen kann. Man merkt auch deutlich, da hier das Werk eines reifen Schriftstellers vorliegt, der sich der klassischen und modernen Vorbilder bewusst ist. Die Tiefe der Darstellung, die mehrfachen Ebenen, auf denen Andreas Brandhorst sich bewegt, machen diese Triologie mehr als lesenswert.
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