Sonntag, 2. November 2014

Arno Behrend : Schuldig in 16 Fällen



Arno Behrend : Schuldig in 16 Fällen
AndroSF 39
p.machinery Murnau, August 2014
Taschenbuch, 364 Seiten, 12,90 €
Titelbild und Innnenillustrationen : Lothar Bauer

enthält die Kurzgeschichten
Sondern für das Leben lernen wir (c't 1995)
Jenseits der Schöpfung (Alien Contact 1995)
Die letzte Jagd (c't 1996)
Mit anderen Augen (Andromeda 1997)
Terradeforming (Erstveröffentlichung)
Prägenesis (Nova 2003)
Bubble-Gum Express (Erstveröffentlichung)
Der Klang der Posaunen (Erstveröffentlichung)
Undank ist der Quanten Lohn (Alien Contact 2001)
Small Talk (Nova 2001)
Die Zukunftsmacher (Nova 2003)
Messefieber (Erstveröffentlichung)
Im Feuerkreis (Erstveröffentlichung)
Blitzlichtgewitter (Nova 2010)
Die ganze Wahrheit (Nova 2012)
In deinem Geiste (Erstveröffentlichung)


Wehrlose Kinder elektronisch indoktrinieren, Schwarze Löcher manipulieren, Planeten entvölkern, Energiemonopole erzwingen, Dyson-Sphären sprengen, Zukunft und Vergangenheit manipulieren – es gibt fast nichts, was die Übeltäter von morgen nicht zustande bekommen. Ihrer Macht, ihrem Einfallsreichtum und ihrer kriminellen Energie werden sich nur wenige Männer und Frauen entgegenstellen. Ermittlungsbeamte, Wissenschaftler, Reporter und Agenten setzen Scharfsinn und Courage ein, um ihre Gegner zur Strecke zu bringen und das zu erreichen, was sie für Gerechtigkeit halten. Auch ihre technischen Möglichkeiten gehen weit über das hinaus, was wir uns heute vorstellen können. Und dennoch – lässt sich der Kampf für eine gerechte Welt überhaupt gewinnen oder geht es nur darum, wie viel Schuld jeder am Ende auf sich geladen hat?

Arno Behrend schreibt seit über zwanzig Jahren Science-Fiction-Kurzgeschichten, hauptsächlich solche mit kriminalistischem Einschlag. Renommierte Magazine wie c’t, Andromeda, Alien Contact und NOVA haben seine Werke abgedruckt. Schuldig in 16 Fällen enthält die zehn besten unter seinen bisher publizierten Geschichten und sechs noch völlig unveröffentlichte Storys, darunter den extra für diesen Band angefertigten Text »In deinem Geiste«. Für die Story »Small Talk« aus dem Jahr 2002 hat der Autor den Deutschen Science-Fiction-Preis für die beste Kurzgeschichte in deutscher Sprache erhalten.

Titelbild und Illustrationen stammen von Lothar Bauer.

Achtung! Das Buch mit vierfarbigen Abbildungen im Innenteil gibt es ausschließlich beim Verlag. Die bei Amazon gelistete Version, die Amazon direkt liefert, enthält aus technischen Gründen nur schwarz-weiße Abbildungen.
Klappentext

Mit der Herausgabe dieses Buches hat Michael Haitel sich selber übertroffen. Nachdem er mit den neuen Ausgaben von Andromeda, der Mitglieder-Zeitschrift des SFCD, bereits Maßstäbe für das graphische Layout im Bereich deutscher Phantastik gesetzt hat, toppt er mit dieser von Lothar Bauer illustrierten Ausgabe einer Anthologie diese Leistung nochmals. "Schuldig in 16 Fällen" ist ein Kurzgeschichtenband mit Stories von Arno Behrend, und jede Story hat ihr eigenes, von Lothar Bauer entworfenes Titelblatt. Ich finde dies einfach großartig, es lohnt sich alleine wegen den graphischen Ansichten, sich dieses Buch zu besorgen.

Aber auch inhaltlich hat dieses Buch mir ausnehmend gut gefallen. Jede Geschichte von Arno Behrend ist durchstrukturiert, stilistisch angenehm und inhaltlich nicht-trivial, mehr als ich von vielen anderen modernen Kurzgeschichten sagen kann, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Von daher habe ich diese Kurzgeschichtensammlung genossen, keine einzige hat mir nicht gefallen, eigentlich könnte ich zu jeder einzelnen eine Lobeshymne schreiben. Da dies aber a.a.O. bereits gemacht wurde (nicht umsonst hat Arno Behrend des DSFP für "Small Talk" erhalten), beschränke ich mich auf die Stories, die als Erstveröffentlichung gekennzeichnet sind.

Terradeforming ist ein bissiger Kommentar zu den Umweltschäden, die teilweise bewusst von der Industrie in Kauf genommen werden. In Tagebuchform (welch' absolut veralteter Stil) stellt Behrend eine umweltverseuchte Welt der nahen Zukunft dar, die zu allem Überfluß auch noch von einem außerirdischem "Terra"former für seine Rasse aufbereitet werden soll. Ganz witzig und in seiner Gänze ein bissiger Kommentar zu umweltverschmutzenden Unternehmen, Politikern sowie – last but not least – Menschen.

In Bubble-Gum-Express nimmt Arno Behrend den Wissenschaftszirkus aufs Korn und zeigt klar und deutlich auf was passiert, wenn ein Forscher tatsächlich eine bahnbrechende und lukrative Erfindung macht : Seine Kollegen bringen ihn um, um sich selbst in Besitz des Geldes zu bringen. Für diejenigen, die tatsächlich noch an die hehre und uneigennützige Wissenschaft glauben, ist diese Geschichte ein Eye-Opener, für Leute wie mich ein präziser Kommentar zum wissenschaftlichen Betrieb. Dabei ist die Geschichte weder langweilig noch belehrend, sondern spannend und dynamisch als Kriminalfall der Zukunft geschrieben. Mir persönlich hat diese Geschichte gut genug gefallen, sie für eine Nominierung für den DSFP in Erwägung zu ziehen.

Auch die folgende Geschichte Der Klang der Posaunen ist eine Erstveröffentlichung. Diese werde ich in jedem Fall für den DSFP nominieren, weil es die erste literarische Darstellung überhaupt ist, in der ich die Darstellung einer Dyson-Sphäre nicht als Nonsens-Gimmick empfinde. Der Autor schafft es, einerseits die Vorzüge einer möglichen Dyson-Sphäre um das Sonnensystem herum darzustellen, andererseits auf die Probleme hinzuweise und alles technologisch halbwegs konsistent zu schildern. Die Geschichte hat dann neben dieser Hardcore-SF zusätzlich noch einen kräftigen esoterischen Anteil und ist spannend erzählt. Das sind für mich Gründe genug, diese Story zu nominieren – obwohl es nicht diejenige der Erstveröffentlichungen ist, die mir am Besten gefallen hat.

Denn von meinen Geschmack her steigert sich die Kurzgeschichtensammlung zum Ende hin.Die nächste Geschichte ist Messefieber, in der es um Dilatationsraumschiffe geht. Es gibt keinen FTL-Antrieb, Raumschiffe sind Jahrhunderte unterwegs. Zur Einstellung neuer Mannschaftsmitglieder muß man erst Vorurteile der jeweiligen Generationen überwinden, damit deren noch formbare Kinder als Mannschaftsmitglieder gewonnen werden können. Das habe ich vor Jahrzehnten schon einmal so ähnlich in einer Langfassung gelesen, Autor war Robert Silverberg. Arno Behrend schafft es, auf 10 Seiten ein sehr ähnliches Feeling rüberzubringen und die Gesellschaft der jeglicher Generation auf der Erde entrückten Raumfahrer sehr stimmungsvoll zu schildern.

Im Feuerkreis ist Arno Behrends Antwort auf Person of Interest. In der deutschen Lotterie kann man den Jackpot gewinnen, eine von der Regierung finanzierte voll abgesicherte Privatsphäre. Angeblich. In dieser Geschichte wird sehr schön klar, was die Aufhebung der Anonymität im Internet, die gewisse Kreise mehr und mehr versuchen zu forcieren, für Konsequenzen hat. Eine gelungene Story mit Pointe, Biss und soziokulturellem Background.

Die letzte Erstveröffentlichung In deinem Geiste beschäftigt sich mit der Übertragung des Ichs in andere Körper. Auch hier geht Arno Behrend andere Wege als die meisten anderen Autoren und schildert das Thema als Arnold-Schwarzenegger-Film. Innovativ und sehr gelungen, genau mein Geschmack. Gut, ich gebe ja zu, wesentlich weniger gehaltvoll als die beiden vorhergehenden Stories, aber nichtsdestotrotz wirklich gelungen.

Das waren nur die Erstveröffentlichungen, die anderen Geschichten sind um keinen Deut schlechter. Insgesamt eine sehr lesenswerte Kurzgeschichtensammlung, handwerklich überaus gelungen. Detaillierte Eindrücke von den kurzgeschichten als auch den Illustrationen kann man auf der zugehörigen Facebook-Seite finden, die Arno Behrend extra dafür eingerichtet hat.

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