Donnerstag, 26. Juni 2014

TERRA SF 342 - Hans Kneifel : Der Götze des Untergangs


Hans Kneifel : Der Götze des Untergangs
Das zweite Imperium der Menschheit 01
Terra SF 342, 08.05.1964
Originalausgabe
Titelbild : Johnny Bruck
revidierte eBook-Version


Space: the final frontier. These are the voyages of the starship Enterprise. Its five-year mission: to explore strange new worlds, to seek out new life and new civilizations, to boldly go where no man has gone before.
Vorspann "Enterprise"

Und genau dies ist (bis auf das Raumschiff) ein ziemlich präzise Inhaltsangabe dieses Zyklus. Kneifel verzichtet auf eine kontinuierliche Handlung und stellt in jedem Heft die Faszination des Weltraums dar. Ich habe selten einen so gelungenen Zyklus gelesen, für Star Trek TOS-Fans eigentlich ein unbedingtes Muß. Worum geht es ?

Die Zeitrechnung des Ersten Galaktischen Imperiums begann etwa um das Jahr 3000 und dauerte bis ca. 3750. Die zeitlichen Zuordnungen sind einerseits – logischerweise – willkürlich, entsprechen aber grosso modo den geschichtlich relevanten Landmarken. [...]

Die irdische Raumfahrt begann zweifellos mit dem Tag, an dem das erste ENIGMA-Raumschiff auf einem Planeten außerhalb des Sonnensystems landete. Dies war der vierzehnte April 2087. Seit diesem Schlüsseldatum entdeckte man menschenähnliche Sternenvölker und solche, deren Aussehen, Denken und Evolution nicht mehr den herkömmlichen Denkschemata entsprachen. Menschheit und freiwillige Verbündete, also andere Imperiumsvölker, breiteten sich in einem unvergleichlichen Siegeszug bis zu den ersten Grenzen der Milchstraße aus. Die Sterne des Zentrums wurden den Frauen und Männern der dahinrasenden Raumschiffe immer fremder, und als man auf die Reste längst dahingegangener Kulturen stieß, erfolgte der erste und heilsame Schock.

Noch bevor Menschen zu den Sternen aufbrachen, hatten jene verschwundenen Sternenvölker den Höhepunkt ihrer Kultur überschritten und waren verschwunden, ausgestorben, davongeflogen ...

Perfekt ausgebildete Archäologen begannen zu forschen, die fähigsten Wissenschaftler vieler Planeten: Biologen der Erde, Raumschiffskapitäne von Coma Berenicae, Sigma und Kappa, Männer von Sagitta Fünf und andere aus vielen Teilen des Zweiten Imperiums. Zwei Dinge verbanden sie vor allem: die transterranische Sprache und der Drang, Rätsel und Probleme der galaktischen Vergangenheit zu lösen. [...]
Aus dem Prolog

Und so geht es weiter :
Januar 3781: »Welch eine Kostbarkeit!«, flüsterte Garry. Das Fundstück war siebenhundert irdische Normjahre alt; eine Doppelaxt, deren Schneiden in der Helligkeit glänzten. Die halbmondförmigen Hälften wurden durch ein vergoldetes Mittelstück zusammengehalten. Den Abschluss des Griffes bildete ein großer, gefasster Halbedelstein. Ein spiralförmiges Spruchband, das man mit irgendeiner Säure imprägniert hatte, umzog den Schaft aus Hartholz. Nur so war es möglich gewesen, dass dieses Material seit dem letzten Tag der Geschichte Chi Sakkaras nicht zerfallen war.

Garry Viper, auf Ninive, Sagitta V, geboren, war zwei Meter groß und hatte einen schlanken, schwarzen Körper. Sein Haar war nicht länger als vier Millimeter und fast weiß. Er saß in der Forschungsbaracke unter einer grellen Speziallampe und drehte das Fundstück in den Händen.

Er war der Chef des Teams von sieben Männern. Sie kamen aus allen Teilen des Imperiums und waren ausgesucht worden, weil sie, obschon Altertumsforscher, keine Spezialisten waren. Jeder von ihnen konnte die Aufgaben eines anderen übernehmen, wenn es darauf ankam. In den zwei Jahren ihrer Gemeinschaft hatten sie sich zu einem ausgezeichneten, leistungsfähigen Team zusammengefunden. Der besondere Reiz lag in der absoluten Verschiedenheit der Charaktere. Sie stritten – auf streng wissenschaftlicher Basis – häufig, aber jeder stand ohne lange zu überlegen für den anderen ein.

"Ussarnesar, der Herr, stehe mir bei in allen meinen Kämpfen."

Das war der Text des Spruchbands, das Garry in mühevoller Arbeit vom Sand gereinigt hatte, der sich im Lauf von siebenhundert Jahren darauf angesammelt hatte. Er versah das Band mit einem Schild aus Plastik, das den Tag des Wiederauffindens trug, den Namen des Forschers, unter dessen Obhut es ausgegraben worden war, und den Namen der alten Kultur.

Die Streitaxt wurde neben andere Funde gelegt, von denen jedes einen ungeheuren ideellen Wert darstellte.

Außer Garry befand sich noch Jorge Andreatta in der Forscherbaracke. Andreatta, von Terra, hätte der jüngere Bruder Garrys sein können – nur die Farbe der Haut und des Haares unterschied die hoch gewachsenen Männer voneinander. Viper war einer der besten Archäologen, über die Sagitta, Ninive V, verfügte. Andreatta kam von einer der führenden Universitäten Terras, von Mars Technica. Es gab wenig praktizierende Forscher, die ähnliche Erfolge in der biologischen Beurteilung von Dingen um gestorbene Kulturen aufweisen konnten. Andreatta sah vom Mikroskop auf und blickte durch eines der großen Fenster, vor denen man die Blenden geöffnet hatte.

Sandiges Purpur brandete in den Raum. Nachdem es die Dünen in glimmende Wogenkämme eines Sandmeers verwandelt hatte, griff es nach den weißen Mauern aus Marmor, die unter der Plattform des Turmes in den Himmel ragten. Weit über ihnen leuchtete die silberne Kugel auf, das Herrscherzeichen der Fürsten Sakkaras.
Nach der revidierten Ausgabe von 2013

Den ganzen Roman durchzieht eine Faszination der Exotik, allerdings merkt man an Kleinigkeiten der Geschichte das Alter an. Es sind die üblichen Dinge, Lochstreifen, ratternde Computer, fehlende Kommunikation und Ähnliches. Stört aber nicht wirklich, gibt der Geschichte sozusagen Patina. Wie schon andere Zyklen ist auch dieser in einer liebevollen eBook-Edition bei story2go herausgekommen. Hans Kneifel sagt dazu im Vorwort zu dieser Ausgabe :

Es ist wie eine archäologische Ausgrabung: die Nummern 342 bis 355 der TERRA-Hefte aus den Jahren 1964. Vier Jahrzehnte der Science-Fiction sind (trotz der Neuauflage in TERRA ASTRA 1980) eine lichtjahreweite Reise in die Vergangenheit. Der damals etwa 30-jährige Autor, mitten in den aufregenden Wirren der ‘68er-Jahre, dessen SF-Weltbild von den bewunderten amerikanischen und englischen Autoren mitbestimmt war, und dessen Vorstellungen von Raumfahrt, Kolonisierung und (selbst relativ frisch von der Uni abgegangen) sich an der Machbarkeit aller Dinge orientierten, versuchte sich einen eigenen Kosmos zu schaffen, eine hermetische galaktische Welt.

Zugegeben: Dies war ebenso reizvoll wie unausgegoren. Die große barocke Geste herrschte vor, die Protagonisten waren mehr comichaft als wirklichkeitsnah, und auf 60 Seiten wurde so munter mit Jahrhunderten und Zivilisationen hantiert, als lebe man im Lego-Land (das damals auch noch nicht existierte). So kam es, dass bei der vorliegenden Bearbeitung, Straffung, Kürzung und Neueinrichtung die Rührung gegen die Freude kämpfte, nach so langer Zeit die Vergangenheit und die Gegenwart ohne Zeitlimit und üble Hastigkeit zusammenführen zu können.

Der Leser möge dem Autor in eine Zeit (zurück-)folgen, in der alles viel einfacher schien, und in der wir jünger und bedenkenloser waren, und in der ›Ad Astra!‹ als Schlachtruf einer blühenden Fantasie stand. Die vorliegenden Gesamtausgabe, zusammengefügt aus fünf Heftromanen, soll Ihnen, geschätzte Leser, so viel Vergnügen bereiten wie dem Autor die Bearbeitung, die auf Sardinien mit viel Sonne, wenig Rotwein und großem nostalgischen Vergnügen vor sich ging.

Ich bin dem Autor in diese Zeit gefolgt und kann nur sagen, ich habe es genossen. Insbesondere als der Zyklus auch nicht schlechter wird. Aber dazu später, bei den Folgebänden mehr.

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