Kurt Mahr : Menschen zwischen der Zeit
Terra SF 193, 29.09.1961
Originalausgabe
Titelbild : Karl Stephan
Kurt Mahr, der Autor des vorliegenden TERRA-Bandes MENSCHEN ZWISCHEN DER ZEIT hat selbst einige einleitende und erklärende Worte zu seinem Roman verfaßt. Wir bringen sie nachfolgend, da wir glauben, daß viele unserer Leser auch einmal interessiert sind zu erfahren, aus welcher Sicht heraus ein Autor das betrachtet, was er schreibt.Klappentext
"Der Hyperraum, auch Para-, Meta- oder Überraum genannt, spielt in der utopischen Literatur eine große Rolle. Raumschiffe erreichen Ziele, die einige Millionen Lichtjahre entfernt sind, fast ohne jeglichen Zeitverlust, indem sie durch den Hyperraum „springen"". Ohne die Zuhilfenahme des Hyperraumes nämlich wäre das Raumschiff den Gesetzen des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums unterworfen und würde etwa zur Bewältigung einer Strecke von einer Million Lichtjahren auch im günstigsten Fall — also bei Lichtgeschwindigkeit — vom Standort des ruhenden Beobachters aus gesehen eine Million Jahre brauchen.
Selbstverständlich ist der Hyperraum eine Erfindung der SF-Autoren. Die Naturwissenschaft kennt keinen anderen Raum als den, in dem wir leben. Dennoch — oder gerade deswegen — ist der Autor dem Leser schuldig, daß er wenigstens selbst eine klare Vorstellung von dem hat, worüber er schreibt, und daß er nötigenfalls in der Lage ist, dem Leser eine utopische Gegebenheit — in unserem Falle den Hyperraum — deutlich klarzumachen.
Im vorliegenden Roman wird das Problem des Hyperraumes von einer anderen Seite her angegangen. Dem Physiker McGee und seinem Assistenten Mahon gelingt es, angeregt durch das erstaunliche Verschwinden eines Teilchens der Höhenstrahlung in einer Kern-Photoemulsion, das spurlose Verschwinden zunächst von Elektronen, dann einer Versuchskapsel aus Plastikmaterial künstlich zu bewirken. Die Frage taucht auf: Wohin sind diese Dinge verschwunden? McGee als theoretischem Physiker gelingt es, eine Theorie des fünfdimensionalen Überraumes zu entwickeln. Aber erst, als er denselben Versuch, den er zuvor mit den Elektronen und der Kapsel unternommen hat, schließlich an sich selbst durchführt, entdeckt er, was sich hinter der Theorie verbirgt.
McGee verschwindet aus seinem Universum und gelangt in ein anderes, das dem seinen bis aufs Haar gleicht. Er begegnet einem zweiten McGee, einem anderen Mahon und zieht, schließlich zurückgekehrt, aus diesem Erlebnis folgenden Schluß: Es existiert nicht nur dieses eine, uns bekannte Universum, das unsere Teleskope schon fast bis an den Rand ausgeleuchtet haben, sondern es gibt deren nahezu unendlich viele — ebenso viele nämlich, wie es verschiedene Möglichkeiten gibt, die Gesamtheit der kosmischen Bausteine, der Nuklide, zueinander anzuordnen.
Aus diesem Vorwurf ergeben sich die Komplikationen des vorliegenden Romans. Natürlich können die vielfältigen Möglichkeiten des fünfdimensionalen Überraumes, in den die Gesamtheit der vierdimensionalen Universen eingebettet ist, nicht alle im Rahmen eines Romans behandelt werden. Ich habe daher zu vereinfachenden Darstellungen gegriffen, um die Handlung nicht zu verworren werden zu lassen.
Wenn schon nicht Ausfluß exakter Wissenschaft, so ist diese Idee vom Überraum mit seinen alle denkbaren Möglichkeiten umfassenden Teiluniversen doch wenigstens ein weites Feld, auf dem sich verblüffende Gedankenexperimente anstellen lassen, und es sollte mich freuen, wenn MENSCHEN ZWISCHEN DER ZEIT als ein Versuch verstanden wird, zu solchen Experimenten und vielleicht sogar zu Diskussionen anzuregen."
Mahr spielt hier mit dem Einstein-Podolski-Rosen-Paradoxon der Parallelwelten rum, wie es sich für einen ausgebildeten Naturwissenschaftler gehört auch physikalisch korrekt. Daß die Geschichte deshalb an einigen Stellen etwas trocken wird, tut dem Lesevergnügen nur gerigen Abbruch. Mahr gelingt es nämlich, seine wissenschaftlichen Ergüsse in einen nicht unspannenden SF-Krimi umzusetzen und deutlich zu machen, daß die Handlung eines Einzelnen sehr wohl Auswirkungen auf das Ganze hat und man als denkender Mensch auch immer das Gemeinwohl im Auge haben sollte. Eine Botschaft, die im Laufe der folgenden Jahrzehnte verlorenging.
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