Andreas Eschbach : Teufelsgold
Originalausgabe
Lübbe 2016
Hardcover, 567 Seiten, 22,90 €
Titelbild : xxxx
ISBN 978-3-7857-2568-9
Im Mittelalter, nach dem Ende der Kreuzzüge, taucht er das erste Mal auf: der Stein der Weisen, mit dem man Gold machen kann – gefährliches Gold, radioaktives Gold nämlich. Der Stein erscheint, als ein Alchemist Gott flucht, und er zieht eine Spur der Verwüstung durch Europa. Die Deutschordensritter erklären es zu ihrer geheimen neuen Aufgabe, ihn zu finden und sicher zu verwahren für alle Ewigkeit.Klappentext
Doch in unserer Zeit kommen zwei Brüder, die unterschiedlicher kaum sein könnten, dem wahren Geheimnis des Steins auf die Spur: Er ist der Schlüssel zu einer anderen Daseinsform, einer Welt der Vollkommenheit, einer Ekstase jenseits aller Vorstellungskraft.
Oder öffnet er die Pforten der Hölle?
Ein Pageturner sollte er sein, der neue Eschbach. "Richtig gut" hörte ich aus anderer Richtung. Und ich brauchte irgendwie was Aufbauendes zum Lesen, mein Hotel in der Messewoche war ...suboptimal. Und so tobte ich in der Mittagspause zu Hugendubel und fing den neuen Roman abends im Hotel an.
Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt, eine in der Gegenwart, die andere im Mittelalter. Für diese Mittelalter-Einlagen wählte der Verlag ein Pergament als Hintergrund, so daß sich beide Ebenen deutlich unterscheiden. Ich war beim ersten Mal irritiert, gewöhnte mich aber sehr schnell daran und empfinde dies jetzt als wirklich gelungene Idee des Verlages.
Worum geht es ? Vordergründig um Alchemie, den Stein der Weisen. Andreas Eschbach stellt ihn hier als hochradioaktives Transuran dar, das als Meteor vor Urzeiten auf die Erde kam. Mit ihm wurde im Mittelalter bereits Gold gemacht, heutzutage wird er gesucht, weil man sich das ewige Leben davon verspricht. Alle sind hinter dem Stein her : Der CERN-Wissenschaftler, der Alchemie-Esoteriker und die Konzern-Tussi. Und wenn man (bzw. frau) auch irgendwelche Ziele vorschiebt, so treibt diese Gruppe doch eigentlich nur die Gier, die Gier nach Leben, die Gier nach Geld.
Und das ist auch das eigentliche Thema des Romans, das Andreas Eschbach gelungen in einer spannenden Geschichte versteckt. Gier. GIER ! Die Gier nach Geld, die einige Leute antreibt und zu den unsinnigsten Aktionen verleitet. Die Gier nach Geld, der einige Leute alles, aber auch wirklich alles opfern und wenn sie könnten, auch Jungfrauen und kleine Kinder auf einem Altar verbrennen würden. Die Gier nach Geld, nach Besitz, nach Haben-Haben-Haben-Haben, obwohl man schon lange vergessen hat warum. Und die Gier nach Leben, nach einer egozentrischen Pseudo-Selbstverwirklichung, bei der Familie und Freunde auf der Strecke bleiben. Die Gier nach Leben, die eine gewisse Klientel von Frauen und Männern wahllos in der Gegend herumficken lässt. Ohne nachzudenken, ohne Emotionen, ohne wirklich zu leben.
Denn wie man richtig lebt, wie man dieser ganzen schwachsinnigen Gier und den damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Konventionen entgeht, stellt Andreas Eschbach im ersten (!) Drittel seines Romans klar und deutlich dar. Er lässt seinen Protagonisten, Hendrik Busske, einen sich eher ziellos treiben lassenden Investmentbanker, das erste Mal in seinem Leben das tun, was ihn befriedigt und hinter dem er auch hundertprozentig stehen kann. Hendrik ist an diesem Punkt mit sich und der Welt im Reinen, ist glücklich und hat alles erreicht, was man wirklich zum Leben braucht. Eschbach stellt deutlich dar, daß dieser Hendrik eigentlich nur so weiterleben müsste, um ein langes, glückliches, erfolgreiches und erfülltes Leben zu geniessen. Doch der Autor zeigt auch sehr schön auf, daß es nicht nur ausreicht, diesen Punkt im Leben zu erreichen, man muß auch erkennen, daß man angekommen ist.
Und so lässt er Hendrik weiterjagen, beginnend mit einem Seitensprung mit einer seiner Seminarteilnehmerinnen. Und lässt ihn von einem echten Guru, der den Menschen den Weg zum tatsächlichen Glück zeigen kann, zu einem typischen Blender des Investmentbankings mutieren. Mit Esoterik-Sprüchen über Alchemie "profiliert" sich Hendrik Busske und kommt immer weiter vom Weg ab. Wie sich dann langsam eine Gruppe findet, die zusammen mit dem ein halbes Jahrtausend alten Alchemisten John Scoro (Soros ?) auf die Jagd nach dem Stein der Weisen macht, wie eben dieser Stein im Mittelalter Chaos und Tod verursacht hat und wie Hendrik ganz am Ende doch noch so halbwegs zur Einsicht kommt, davon handelt der Rest des Buches.
Und zu jedem Zeitpunkt stellt Andreas Eschbach deutlich dar, wie dumm und ignorant diese seine Protagonisten eigentlich sind, wie hohl das Ziel, dem sie atemlos hinterherjagen. Wie sinnlos das Anhäufen von Geld, wie lebensfeindlich das primitive Von-Bett-zu-Bett-hüpfen. Und mit dem sporadischen und unvermuteten Auftauchen eines der Seminarteilnehmer, dem Hendrik Busske den richtigen Weg gezeigt hat, wird immer wieder deutlich gemacht, daß der Weg, auf dem sich Hendrik befindet, dumm und falsch ist. Denn dieser Seminarteilnehmer ist mit sich und dem Leben im Reinen, hat sich von einem frustrierten Rentner, der sich auf einem Abstellgleis wähnte, zu einem älterem Industriellem, der nicht nur seine Arbeit, sondern auch sein Leben liebt, verwandelt. Doch Hendrik fehlt die Intelligenz, eben dies zu erkennen.
Der Roman erschöpft sich nicht in den obigen Themen. Im Widerspruch zwischen dem CERN-Wissenschaftler, Hendriks Bruder, und dem Deutschen Orden, der seit dem Mittelalter versucht, die Welt vor dem negativen Einfluß des Steins zu schützen, zeigt Andreas Eschbach auf, daß Intelligenz ohne moralische Festigkeit wertlos ist. Am Beispiel Mengedder schildert er die Unsinnigkeit endloser Hedonie. Undsoweiter, undsofort. Man kann hier sicherlich noch viel hineininterpretieren...
...was ein fast untrügliches Zeichen eines großen Romans ist. Andreas Eschbach ist es mit "Teufelsgold" gelungen, einen individualistischen sozialkritischen Roman zu schreiben, der den Leser zum Nachdenken anregt, ja fast schon zwingt. Die gelungene Spannungskurve und der zeitweise brilliant-bissige Stil führt dazu, daß man den Roman vom Anfang bis Ende begierig durchliest. Ich persönlich kenne alle Bücher von Andreas Eschbach. Und wenn die "Haarteppichknöpfer" auch gut, das "Jesus Video" auch erfolgreich ist, so halte ich "Teufelsgold" doch für Eschbachs Meisterwerk. Hier verbindet sich eine herausragend erzählte Geschichte mit einer pointiert dargestellten gesellschaftskritischen Aussage, ohne auch nur den Hauch eines moralischen Zeigefingers. In Zeiten der gesellschaftssoziologischen Degeneration in Deutschland ein notwendiger, ja wichtiger Roman, von mir eine unbedingte Leseempfehlung.
Ein Buch also wie ich es lieben sollte,... Ich bin gespannt.
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