Sonntag, 14. Juni 2015

TERRA Sonderband 04 - Wilson Tucker : Das endlose Schweigen


Wilson Tucker : Das endlose Schweigen (The Long Loud Silence)
Terra Sonderband 04, 11.07.1958
Deutsche Erstausgabe
Originalausgabe 1952
Aus dem Amerikanischen von Walter Ernsting
Titelbild : Karl Stephan


Während Corporal Russell Gary in einem schäbigen Hotelzimmer seinen Rausch ausschläft, geht für Millionen von Menschen östlich des Mississippi die Welt zu Ende. In einem Blitzangriff aus der Luft werden alle größeren Städte vernichtet, die bakteriologische Verseuchung des Landes dezimiert die Bevölkerung innerhalb von vierundzwanzig Stunden auf ein Fünftel: Menschen, die gegen die Ansteckung immun sind.

Russell Gary ist einer von ihnen. Zusammen mit Irma, einer neunzehnjährigen Streunerin, die er beim Plündern eines Juweliergeschäftes überrascht hat, versucht er dem Chaos zu entkommen. In einer Welle von Mord, Plünderungen, Vergewaltigungen und Feuersbrünsten gehen die Stadtteile unter, die der Zerstörung widerstanden haben.Und an den Brücken über den Mississippi wird noch immer scharf geschossen. Die Soldaten auf der anderen Seite schießen auf ihre Landsleute, die vom Ostufer nach Westen wollen, denn sie tragen die Seuche in sich, auch wenn sie selbst dagegen immun geblieben sind. Für Irma und Gary beginnt der Kampf ums nackte Leben...
Klappentext der Ullstein-Ausgabe von 1973

A phenomenally good book ... The plotting is close-knit without being contrived; the style is compact and eloquent; the characters, in Faulkner's words, "stand up on their hind legs and cast a shadow." ... The book is honest, courageous, deeply felt.
Damon Knight "In Search of Wonder"

Wilson Tucker habe ich bisher nie gelesen. Der Titel "The Year of the Quit Sun" hat mich als DDR-Briefmarken-Sammler immer irritiert, andere Sachen von ihm sind mir nie untergekommen. Gut, er hat auch nicht soviel geschrieben. Aber wenn dieser Roman charakteristisch für ihn ist, dann ist mir da echt was entgangen.

"The Long Loud Silence" beschreibt eine Apokalypse in den Staaten. Östlich des Mississippi fallen Bakterienbomben, die Menschen sterben wie die Fliegen. Einige Immune können sich halten, sie werden im östlichen Landesteil eingesperrt. (Details) Das Buch beschreibt den Zusammenbruch der Zivilisation, die gar nicht so langsame Degeneration normaler Menschen zu Barbaren und Kannibalen. Tucker nimmt sich da weder ein Blatt vor den Mund, noch hat er romantische Anwandlungen, wie sie so viele Endzeitromane in sich tragen. Und obwohl der damalige Herausgeber den Autor überzeugen konnte, daß einige seiner Szenen zu hart für das damalige Publikum seien, liest sich "The Long Loud Silence" auch heutzutage noch wie eine echte Apokalypse.

Der "Held" der Geschichte ist kein Ritter in strahlender Rüstung, sondern ein egozentrischer Ex-Soldat, der noch nie in seinem Leben ehrbar war. Im Krieg hatte er einen florierenden Schwarzmarkthandel aufgebaut, zur Feier seines Dienstjubiläums sich mehrere Tage besinnungslos betrunken. Als er auf der falschen Seite der Grenze, im verseuchten Missouri, aufwacht, akklimatisiert er sich sehr schnell und sieht zu, nicht nur zu überleben, sondern alles auch zu seinem Vorteil zu drehen. Alleine durchstreift er die verseuchte Zone, bis er Jahre später von Kannibalen überwältigt und gefressen wird.

As in all of Tucker’s novels, only the ending gives full meaning to the rest of the book. At the beginning of The Long, Loud Silence, Gary seems to be just an ordinary sort of bloke who has been trapped by a catastrophe. However, the catastrophe offered him the chance to choose his own new world (which I take to be the overall theme of most of SF’s ‘post-disaster’ novels). This is the world that he chose. He has lost all those features that we call human. By the end of the novel, he lives quite alone, hunting food, killing all intruders, even other humans, who approach him. His reflexes have become like an animal’s (‘his taut nostrils held to the wintry air’) and his mind as unsympathetic and opportunistic as a wolf’s. Not only has he lost hope, but he cannot remember what hope is. The landscape itself is not hopeless; it is merely neutral. Humanity’s concrete highways are crum- bling, but ‘the plain before him was clear, white and bright with fresh-fallen snow’. Other survivors might have found beauty here; Gary sees only his own hatred and isolation reflected back at him.
Bruce Gillespie

Diese Unmenschlichkeit, dieses Abstreifen auch noch des letzten Restes an sozialer Interaktion, diese Reduziertheit auf das Dahinvegetieren habe ich in dieser krassen Form noch weder im Film gesehen oder im Buch gelesen. Moderne Apokalypsen - ich denke da beispielsweise an "The Walking Dead" - sind lange nicht so deprimierend wie dieser Roman. Für mich die Entdeckung eines höchst interessanten Autors.

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