Montag, 29. Juni 2015

Ann-Kathrin Karschnick & Torsten Exter (Hrsg.) : Krieger



Ann-Kathrin Karschnick & Torsten Exter (Hrsg.) : Krieger
Verlag Torsten Low 2013
Paperback, ca. 393 Seiten, 14,90 €
Titelbild : Timo Kümmel


"Krieger" – bei diesem Titel denke ich an Conan und Kane. An Andersons David Falkayn, Heinleins Rico, Moorcocks Corum. Diesen klassischen Vorbildern auch nur annähernd zu entsprechen, ist schwierig...

...aber nicht unmöglich. Mir kommen da deutsche Autoren wie Haubold, Krain, Burban, van den Boom und Falke ins Gedächtnis, die es durchaus schaffen, in der Moderne gute und große Romane und Kurzgeschichten (Küper nicht zu vergessen!) dieser Coleur zu schreiben.

Ich habe mir diese Anthologie auf dem NordCon 2015 aus mehreren Gründen gekauft. Zuerst und vor allem war ich neugierig darauf. Dann gab's ein Autogramm von Ann-Kathrin Karschnick, und seit wann kann ich einer gutaussehenden Blonden widerstehen ? Das wichtigste für mich war aber eine Übersicht über moderne deutsche AutorInnen aus der Fantasy (für die SF habe ich ja den DSFP), die ich aus dieser und anderen "NordCon-Anthologien" zu gewinnen hoffe.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen : Die Anthologie ist ingesamt nicht schlecht, aber qualitativ sehr unterschiedlich. Man merkt deutlich, wer sich im Genre auskennt und wer noch nie etwas von den Klassikern gelesen hat. Aber gehen wir ins Detail, denn es ist schon zielführend, jede Geschichte einzeln zu betrachten. Vorweg : ACHTUNG, SPOILER !

Helen B. Kraft : Das Dorf
Eine Kriegertruppe wird zu einem Dorf gelockt und dort von den Dörflern überfallen. Nachdem die Krieger sich verteidigt und alle umgebracht haben, wird ihnen klar, daß sie selber schon vor einiger Zeit gestorben sind und hier nur den Willen der Götter vollzogen haben.
Ganz nett, allerdings sehr pathetisch. Die Geschichte plätschert so ein bißchen vor sich hin, die Pointe ist aber gut angelegt und vorbereitet. Zuviel High Fantasy, aber das ist absolute Geschmackssache.

Heike Knauber : Windzeit, Wolfszeit
Ein britannischer Krieger gerät in die Fänge des Fenriswolfs, eine Walküre (?) versucht ihn zu retten.
Atmosphärisch erzählt. Allerdings wird Sinn und Zweck der Story nicht klar, sie bricht so unvermittelt ab wie sie anfing. Konzeptlos, von daher trotz nettem Stil eher dem unteren Niveau-Bereich zuzurechnen.

Detlev Klewer : Nebelkrieger
Die Nebelkrieger, die sich in Nebelschwaden verwandeln und so den Feind infiltrieren können, haben dem alten König die Treue geschworen. Doch sein Sohn nutzt sie für seine eigenen Zwecke...
Ganz nett, stringent erzählt, aber relativ trivial. Hat mir allerdings stilistisch gefallen, so daß ich die Story insgesamt eher positiv beurteile.

Christian Vogt : Zähne
Die Werwesen-Clans der Germanen stellen sich gegen die Römer. Doch die Werwölfe brechen aus der Phalanx aus und verraten ihre Leute. Nur die ehemalige Rudelführerin beschützt ihren Clan...
Rundum gelungen. Keine große Geschichte, aber eine gute, die auch in den Details stimmig ist. Mehr dazu später, beim zweiten Teil.

Jonas Wolf : Das Mädchen im Geierturm
Drei Krieger gegen eine Hexe...
Sehr schön. Gelungen auch der immer komplexer werdende Plot der eigentlich primitiven Geschichte. Dass auch Szenerie und Atmosphäre gut rüberkommen, runden die Story insgesamt gelungen ab. Hat mir außerordentlich gut gefallen.

Mike Krzywik-Groß : Von Deserteuren und Märtyrern
Ein Deserteur wird von der generischen Armee gefangen, bringt ihren Anführer um und wird dafür von seinem eigenen Vorgesetzten umgebracht – damit man eine Heldenlegende produzieren kann.
Ist zwar gut geschrieben, inhaltlich jedoch eher suboptimal. Gerade diesen Plot habe ich schon mehrfach besser und subtiler umgesetzt gelesen, hier ist es doch etwas sehr plakativ und einfach.

Stephanie Mühlsteph & Moritz Gießel : Lauernde Stille
Eine Wette zwischen Loki und einer Walküre beeinflusst die Menschen eines Dorfes...

Die Geschichte ist gut und flüssig erzählt, meiner Meinung nach insgesamt allerdings suboptimal. Das liegt allerdings daran, daß hier – wie an vielen anderen Stellen dieser Anthologie ebenfalls – die germanische Mythenwelt beschworen wird, ohne diese allerdings wirklich zu kennen. Die AutorInnen bleiben auf dem einfachen Niveau der Avenger-Filme und Comics und Fantasy-Serien, ohne sich tiefer in Edda und andere Werke eingelesen zu haben. Das macht die Geschichten etwas sehr platt und trägt stark zu einem nicht-positiven Gesamtergebnis bei. Ich empfehle daher, sich entweder tiefer ins Quellenstudium zu begeben oder den High Fantasy-Götter-Ansatz zu lassen.

Musste ich einfach mal loswerden und es war eine gute Gelegenheit dazu. Das heisst allerdings nu nich', daß "Lauernde Stille" abgrundtief schlecht ist, das heisst nur, daß die narrative Ebene der plottechnischen nicht entspricht. Und für jemanden wie mich, der tatsächlich die Edda irgendwo im Regal stehen hat, früher begeisterter Leser der Götter- und Heldensagen von Griechen, Germanen und Deutschen war, ist die Geschichte, obwohl sie flüssig und nicht schlecht erzählt ist, einfach nix. Hier fehlt so ein bißchen Moral, Pointe und echter Abschluß. Ganz davon abgesehen frage ich mich, was das mit Kriegern zu tun hat.

Stefanie Bender : Roter Schnee
Eine Gruppe von Kriegern wollte ein Elbendorf überfallen, wird zurückgeschlagen und auf dem Rückweg umgebracht.
Nur Stimmung, keine Handlung. Nicht mein Geschmack, aber mit 5 Seiten ein gelungenes Interludium.

Sean O'Connell : Schädelspalter und Riesentöter
Zwei Zwerge wollen Riesen töten, werden von den Dorfoberen betrogen. Und alle werden von der Trollfrau und den Riesen über den Tisch gezogen.
Nett, witzig, trivial, liest sich einfach so weg. Erinnerte mich stark an deutsche Märchen. Gutes Mittelfeld, sozusagen, sehr solide.

Susanne Gerdom : Das letzte Schlachtfeld
Über den Krieg der Gefallenen Engel gegen den Himmel...
Nein. So nicht. Egal, wie gelungen erzählt die Geschichte ist (und da kann man sich wirklich nicht beschweren), für diesen Plot braucht es mehr als nur eine gut erzählte Geschichte. Wer hier gegen die Christopher Walken-Filme und "The Warhound and the World's Pain" anschreiben will, muß schon etwas mehr bringen als nur eine gut erzählte Geschichte. Hier fehlt der erweiterte Plot, das interessante Narrativ und die ganz große Story. Wer das alles nicht hat, sollte von diesem Stoff die Finger weg lassen.

Tom Daut : Das Schwert der Ehre
Wie es für einen Kämpfer Mandoys Brauch ist, hat unser Held das Schwert seines Großvaters erhalten, der ein Kriegsheld war. Doch war er das wirklich ... ?
Eine rundum gelungene Geschichte im Stil des "Ewigen Helden" von Moorcock. Tom Daut erlaubt es seinem Protagonisten allerdings auszubrechen, als dieser erkennt, wie wenig ehrenhaft das Heldentum des Kriegers im Grunde tatsächlich ist. Für meinen ganz persönlichen Geschmack eines der Highlights der Anthologie.

Nina Sträter : Die Armee der Frau Strack
Frau Strack bastelt in ihrer Freizeit Puppen – die nachts im See sich in Krieger verwandeln und von den Feen übernommen werden. Als die Feen eines Tages sich nicht mehr melden, findet Frau Strack eigene Einsatzmöglichkeiten...
Sorry, ganz nett, aber ziemlich platt und vorhersehbar. Das war nix.

Tina Alba : Jahrestag
Der Jahrestag des Sieges über die Wandler ist für Morann jedesmal wieder eine traurige Angelegenheit, da er den Toten seiner Einheit gedenkt.
Boah, eyh, ist das kitschig. So richtig schmalzig, daß es unten aus dem Buch raustropft. Wer diesen Stil allerdings mag, ist mit dieser Geschichte gut bedient, sie liest sich flüssig und kreativ.

Markus Heitkamp : Soldat & Krieger
Cornelius und Luther, Mensch und Zwerg, kämpfen im Ersten Weltkrieg eines Steampunk-Universums gegen den übermächtigen Zeppelin der Hunnen.
Heroismus und Humor in genau der richtigen Mixtur, zusammen mit einer Prise Chaos und einer dynamischen Schreibe ergibt ein weiteres Highlight der Anthologie. Den Autor muß man sich merken.

Bernd Rümmelein : Legenden
Bernd Rümmelein diskutiert in dieser Geschichte aus, was einen Krieger ausmacht und stellt die durchaus berechtigte Frage, ob es wirklich so erstrebenswert ist, einer zu sein. Selten so eine durchweg in allen Bereichen gelungene Geschichte gelesen oder gesehen. Mich hat dies stark an "The Last Shootist" mit John Wayne erinnert. Warum diese Story nicht bepreist wurde, ist mir ein Rätsel, meiner Meinung nach ist dies ein zukünftiger Klassiker.

Carsten Thomas : Umbras
Eine Geschichte über einen unbesiegbaren Gladiator - der sich am Ende selbst umbringt.
Ich verstehe schon die Intention des Autors, aber die Ausführung halte ich für schlecht. Im Gegensatz zum Vorgänger wird hier alles sehr plakativ dargestellt, die Botschaft ist wichtiger als die Geschichte an sich. Es fehlt das Story-Telling.

Andreas Zwengel : Die Ehre der Deserteure
Eine Gruppe von Deserteuren, kriegsmüde durch brutale Schlächtereien, hilft einer Gruppe Flüchtlinge.
Also die Namen der Protagonisten sind echt ... überarbeitungswürdig. "BadKar Ma" - also ehrlich. Ansonsten aber sehr schön ausgeführt, das Ende ist ganz besonders gelungen. Zwengel zeigt hier engagiert die Unterschiede zwischen Kämpfern und Nonkombattanten auf, ein bißchen schematisch vielleicht, aber gelungen, wie ich finde.

Heike Schrapper : Gotteskrieger
Ein bissiger Kommentar zu religiösen Fanatikern, platt, aber präzise auf den Punkt geschrieben und insgesamt gelungen. Auch dies eine Geschichte, die man öfter abdrucken sollte.

Thomas Plischke : Speersommer
Krieger kämpfen gegen einen Mädchenbelästiger - allerdings sind alle Protagonisten jünger als 10 Jahre.
Eine Geschichte, über die man nachdenken muß. Ich bin mir immer noch nicht sicher, was ich davon halten soll - aber ist das nicht das Merkmal einer besonders gelungenen Story ?

Judith C. Vogt : Klauen
Die Fortsetzung von "Zähne", in der die letzten Werwölfe der damaligen Verrätergruppe in der Moderne von der alten Leitwölfin gejagt werden.
Sehr stimmungsvoll und schön erzählt. Allerdings entgeht mir so ein bißchen der tiefere Sinn der beiden Stories, das "Was will mir der Autor damit sagen?" steht mir sozusagen im Gesicht geschrieben. Ein bißchen hatte ich auch den Eindruck, daß die Geschichte noch nicht zuende erzählt wurde, sozusagen noch unfertig ist.

Torsten Scheib : Der Gejagte
Mit Rambo im Fantasy-Ambiente schliesst die Anthologie. Ein gelungener Abschluß, wie ich finde. Nichts Besonderes, aber geradeaus und schnörkellos erzählt.

Mir hat die Anthologie insgesamt gefallen, relativ wenige echte Ausfälle zusammen mit einem breitem Spektrum an Autoren und vielen herausragenden Geschichten. Und auch wenn ich die einzelnen Geschichten nicht alle mochte, so ist doch jede Geschichte schriftstellerisch auf einem hohen Niveau. An keiner Stelle habe ich mich gelangweilt, praktisch jede Story war flüssig und gut erzählt, Wertungen sind hier ganz stark Geschmackssache und eine Frage der Vorkenntnisse.

Für mich persönlich habe ich einige "neue" Autoren gefunden und das Bild anderer wurde stark korrigiert. Für das eigentliche Thema, "Krieger", waren aber meiner Meinung nach nicht genug an präzise auf den Punkt hin geschriebene Stories vorhanden, was allerdings durch mehrere gute Seitenbetrachtungen ausgeglichen wurde. Gefehlt hat mir der SF-Bereich, auch aus dem Steampunk war nur eine Geschichte da. Es scheint, daß hier eine Assoziation "Krieger=Fantasy" vorherrscht, was - wie Thomas Plischke mit seiner eher der allgemeinen Phantastik zuzurechnenden Geschichte "Speersommer" zeigt - durchaus nicht so sein muß.

"Krieger" ist die erste von mir gelesene Anthologie aus dem Bücherstapel, den ich auf dem NordCon zusammengekauft habe. Ein schöner Anfang, eine Kurzgeschichtenzusammenstellung, die ich ohne weiteres weiterempfehlen kann. Einmal etwas ganz anderes als die üblichen Fantasy-Ziegelsteine.

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