Samstag, 7. März 2015

Nova 22



Olaf G. Hilscher / Michael K. Iwoleit (Hrsg.) : Nova 22
nur als eBook verfügbar via Amazon verfügbar
herausgekommen Anfang 2014


Nova ist eines der Magazine, die in der Anfangszeit regelmäßig beim DSFP nominiert wurden. Das hat sich etwas gegeben, auch und gerade weil die Macher konsequent ihren eigenen Geschmack im Magazin umsetzen. Dieser entspricht aber nicht immer meinem, tatsächlich ist diese Nummer 22 nicht wirklich etwas für mich. Aber gehen wir einmal ins Detail :

Andrea Tillmanns : Noctonium für alle
Ein auf den Asteroiden neu gefundener Werkstoff scheint beliebig viel Energie aufnehmen zu können.
Fand ich gut, die Geschichte, aber das hatte Eschbach doch schon in den "Visionen" beschrieben. Nix Neues also, aber gut zu lesen.

Guido Seifert : Die silberne Dose No. 2
Ein alternder Professor stalked eine gutaussehende Frau aus dem Ghetto.
Diese Geschichte ist laut Autor als schwarze Komödie gedacht. So kam sie auch bei einigen Leuten an und wurde positiv gewertet. Insbesondere die fünfhebige Jamben, die - wie mir der Shockwaverider erklärte - in Deutschland für die Übersetzung der Blankverse von Marlowe oder Shakespeare genutzt werden, kamen gut an. Bei mir aber nicht, ich fand die Story altbacken, vorhersehbar und stilistisch affektiert. Mir entgeht auch die Komik, wenn ältere Professoren als geil auf junge Mädchen dargestellt werden. Schließlich ist das ebenso wie die sexuelle Ausnutzung von Abhängigen an deutschen Universitäten keinesfalls außergewöhnlich. Ganz davon abgesehen, daß die Geschichte langweilig ist, eine Sünde, die ich keinem Autoren so leicht vergebe.

Sami Salamé: Smithy & Archie
Ein Theaterspiel wirkt in die Realität hinein.
Aufgesetzte Möchtegern-Kultur ohne wirkliche Tiefe.

Steffen Koenig : 8:16
Ein zeitreisender Kriminieller landet in Hiroshima zum Zeitpunkt des Atombombenabwurf.
Vorhersehbar und moralinsauer. Allerdings gut erzählt.

Marian Ehret : Die Fukushima-Kriege
Erzählt wird die zukünftige Entwicklung der japanischen Geschichte, als zugelassen wird, daß die Fukushima-Katastrophe die japanischen Inseln und die Weltmeere vergiftet.
Also da weiss ich wirklich nicht, was ich von dieser Geschichte halten soll. Einerseits ist sie nicht wirklich gut erzählt, hat Mängel und Längen. Andererseits ist das Thema interessant, der Autor hat da einige bitterböse Schlüsse gezogen und Entwicklungen prognostiziert, die einem unbefangenen Leser die Gänsehaut den Rücken runterlaufen lassen. Inhaltlich wäre das hier auf jeden Fall ein Kandidat für den DSFP gewesen, stilistisch ist die Geschichte aber so suboptimal, daß ich davon Abstand nehme, "Die Fukushima-Kriege" zu nominieren.

Michael Marrak : Der mechanische Dybbuk
Eine Fortsetzung der Marrak-Geschichte aus den letzten zwei Bänden. Sollte man nicht ohne die vorhergehenden Teile lesen. Ich warte ab, bis der gesamte Roman veröffentlicht wird und sage dann was dazu.

Mike Resnick : Credo
Ein Roboter wird zum gläubigen Christ – und deshalb von der Kleinstadtgemeinde, in der er lebt, aus Angst vor dem Andersartigen umgebracht.
Tja, und hier sieht man sehr schön, was vielen deutschen Autoren einfach fehlt. Sie schreiben moralinsauer mit dem erhobenen Zeigefinger und haben den Anspruch, LITERATUR zu schreiben. Und dabei vergessen sie völlig, daß es eigentlich darum geht, eine intelligente Geschichte zu erzählen. Mike Resnick kann das, diese Story sollte eigentlich den Abschluß einer jeden Asimov-Roboter-Anthologie bilden, denn Resnick projiziert die Asimovschen Ideen einfach eine Stufe weiter. Gleichzeitig schreibt er gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit an, ein Thema, das heutzutage aktueller denn je ist.

Abgerundet wird NOVA 22 durch einen Artikel über afrikanische SF eines neuen Autors und Nachrufe auf 2013 gestorbene SF-Titanen. Gut geschrieben, aber wenn ich was über afrikanische SF lesen will, hätte ich doch lieber einen größeren Überblick und vielleicht einen Storyabdruck.

Insgesamt fällt mir zu dieser Nummer nur eines ein : Vieles ist Geschmackssache.

Am besten wird dies durch einen Kommentar von Michael K. Iwoleit, einem der Macher dieser Ausgabe, aus dem SF-Netzwerk ausgedrückt :
Tja, hätte uns je interessiert, was massenkompatibel ist, würden wir keine SF-Stories veröffentlichen, sondern
Fantasyschinken voller Zwerge und Elfen. Der Szene wären dadurch einige interessante Autoren verloren gegangen,
die sich in Nova ihre ersten Meriten verdient haben.

Wie seit zehn Jahren schon liegt der Auswahl nicht der Geschmack des gemeinen SF-Lesers zugrunde, der in ersten Linie
an der Befriedigung trivialer Zerstreuungsbedürfnisse interessiert ist und sich aus deutscher SF sowieso nichts macht,
sondern die Erfahrung von Leuten, die sich bereits professionell mit SF beschäftigt haben, als die meisten heutigen SF-Fans
noch im Laufstall rumgelaufen sind. Auch wenn's manchen nicht paßt, machen wir, was wir wollen. [...]

Ein Problem haben wir allerdings wirklich: Wir bekommen kaum starke Stories unter 10 Seiten Länge angeboten. Alle
überdurchschnittlichen Stories in letzter Zeiten waren etwas länger. die wenigen brauchbaren Shorts mehr oder weniger
mittelprächtig. Da wir mit dem arbeiten müssen, was wir bekommen, können wir diesen Trend kaum beeinflussen. Ich
würde mir auch wünschen, daß wir ein Magazin ausschließlich mit Stories auf dem Niveau von Guido Seiferts Geschichte
füllen könnten, aber das gibt die Szene nicht her - insbesondere auch weil einige begabte Autoren entmutigt sind und in
letzter Zeit nicht viel geschrieben haben. Ein Magazin, das halbwegs regelmäßig erscheinen soll, muß immer mit dem
arbeiten, was zum gegebenen Zeitpunkt vorliegt.
Michael K. Iwoleit

Nichtsdestotrotz stellt sich gerade im Vergleich mit der Story von Mike Resnick deutlich dar, daß es in Deutschland stärker um den Stil und weniger um die Inhalte geht. Denn die Geschichten sind ja alle ganz nett, aber inhaltlich waren alleine "Die Fukushima-Kriege" überragend. Das hat auch nichts mit Massentauglichkeit zu tun, es fehlt vielfach an Inspiration. Und es hilft nichts, dies durch Affektiertheit zu ersetzen, irgendwer sieht immer "Des Kaisers neue Kleider". Aber warten wir einmal ab, wie die nächste NOVA-Nummer wird.

Ich hoffe allerdings, daß sie einfacher zu finden ist. Denn der unprofessionelle Dilettantismus der NOVA-Macher im Vermarkten oder auch nur Zugänglichmachen ihres Produkts ist echt unglaublich. Das fiel mir auf, als ich die bibliographischen Informationen zu dieser Ausgabe suchte. Nicht einmal auf Amazon war eine halbwegs saubere Kurzbeschreibung vorhanden. Da sind Self-Publisher wie Anja Bagus und Anette Kannenberg schon deutlich einfach im Netz zu finden. Liebe Leute : Wenn ihr nicht zu den Lesern geht, werdet ihr auch nicht gelesen. Denn, wie Dirk van den Boom so treffend sagte, ab Gewerbeanmeldung und ISBN ist das kein "goddamn hobby" mehr, sondern ein "goddamn business". Und da erwarte ich ein bißchen mehr Professionalität.

5 Kommentare:

  1. Na, ja, da gibt es tolle Geschichten wie Küpers Mechaniker, die inhaltlich brilliant sind, aber dann aus fadenscheinigen Gründen als nicht nominierungswürdig geredet werden. So bleibt die Pauschaltkritik an deutscher SF hier nichts anderes als eine hohle Sonntagsrede.
    Es gibt die guten Geschichten, sie werden aber leider nicht gewürdigt. Aber wie du schreibst, vieles ist ja Geschmackssache und vor schlechtem Geschmack seitens Lesern ist der Autor nicht gefeit.

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  2. Ich finde es interessant, daß Kritik an suboptimalen Geschichten von Leuten wie Dir als "Pauschaltkritik an deutscher SF" bezeichnet wird. Das zeugt davon, daß einige Schriftsteller sich selbst als "die deutsche SF" verstehen. Aber sorry, Leute, das seid ihr nicht. Nicht einmal annähernd.

    Bezeichnend für Leute wie Dich ist ebenfalls, daß die Ablehnung eurer schlecht geschriebenen Kurzgeschichten und Romanen als "schlechter Geschmack" deklariert wird. Diese dümmliche Arroganz solltet ihr ablegen und stattdessen bessere Geschichten schreiben. Denn mir ist schon klar, daß ich mich mit ehrlichen und qualifizierten Kommentaren zu schlechter deutscher SF hier und auf Facebook zur Zielscheibe mache. Seltsamerweise wird mir unter der Hand regelmäßig von vielen Lesern gesagt, daß sie eure Geschichten ebenfalls als ... suboptimal empfinden. Diese Diskrepanz zwischen Deiner (eurer) Eigenwahrnehmung und der Rezeption von Außen solltest Du / solltet ihr vielleicht einmal reflektieren ...

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  3. Hm, ich verstehe deine Antwort jetzt nicht. Wie kommst du auf meine Geschichten? Die waren doch gar nicht Gegenstand der Diskussion, weder von deiner, noch von meiner Seite.
    Was du mit "eurer" verstehst, ist mir natürlich noch viel weniger klar.

    Ich habe als neutraler Leser einfach deine Einschätzung in Frage gestellt und als solches steht es auch da oben. Ich habe auch ein konkretes Beispiel gebracht und könnte noch mehrere bringen, um dies zu untermauern. Leider seh ich die von dir propagierte "qualifizierte Meinung" nicht.

    Aber deine Antwort spricht ja leider für sich.

    Und die Pauschalkritik bezog sich auf diesen Satz:
    Nichtsdestotrotz stellt sich gerade im Vergleich mit der Story von Mike Resnick deutlich dar, daß es in Deutschland stärker um den Stil und weniger um die Inhalte geht.

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  4. Ich spreche nicht von "Deinen Geschichten" als die von Dir geschriebenen, sondern meine damit die von Dir als qualitativ hochwertig empfundenen Stories und Romanen. Ich verstehe Dich hier als Prototyp einer Denkrichtung von Autoren, die sich weitestgehend auf die Ästhetik konzentriert.

    Diese Konzentration auf ästhetische Gesichtspunkte ist zunächst einmal keine Kritik, geschweige denn eine Pauschalkritik, sondern eine Feststellung. Ich verweise diesbezüglich auf die "New Wave", die ja auch stark von der Idee stilistisch "anderer" Geschichten getragen wurde.

    Aber hinzu kamen auch inhaltliche Aspekte, siehe dazu etwa die New-Wave-Romane von John Brunner, um in der SF zu bleiben. Genau dieser Teil aber fehlt (noch ?) in den meisten Geschichten der deutschen SF. Was dann dazu führt, daß Stories mit Ideen vom Leser (und ich bin da wie gesagt kein Einzelfall) deutlich besser goutiert werden als stlistisch hochwertige.

    Und dann kommst Du (und auch Du bist nicht der Einzige) und jammerst (so empfinde ich es) darüber rum, daß der Autor "vor schlechtem Geschmack seitens Lesern nicht gefeit" sei. Sorry, aber da beisst sich was.

    Mir ist auch aufgefallen, daß sich momentan im Story-Bereich sehr stark auf Post-Cyberpunk fixiert wird. Ich habe dazu bisher noch nichts gesagt, denn das würde deutlich stärker in Richtung Pauschalkritik gehen. Aber es ist schon interessant, daß Endler und Behrend mit ihren Kurzgeschichtensammlungen mich deutlich stärker ansprechen als NOVA. Ich warte jedenfalls auf die Nachfolger von "SF X", die stilistischen und inhaltlichen Anspruch miteinander verknüpfen.

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  5. Okay, jetzt verstehe ich besser, worauf du hinauswillst.

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