Stanislaw Lem : Eden
Terra SF 478/479, 09.09.1966
Originalausgabe 1959
Nachdruck des gleichnamigen Leihbuchs von 1960
Aus dem Polnischen von Paul Kempner
Titelbild : Karl Stephan
Ein technisch-utopischer Roman aus dem Polnischen. Dies ist die Geschichte eines Raumschiffes, das bei der Landung auf den Planeten EDEN zerschellt. Eine sechsköpfige Besatzung überlebt die Katastrophe. Sie sind auf eine Welt verbannt, die sie als eine Welt des Grauens und der Rätsel erkennen.Klappentext der Gebr. Zimmermann-Ausgabe
Sie kommen wie Maulwürfe an die Oberfläche eines Planeten gekrochen, den vor ihnen noch nie eines Menschen Fuß betrat. Ihr havariertes Schiff steckt tief im Erdboden, und es sieht nicht so aus, als werde die sechsköpfige Besatzung es je wieder benutzen können. Sie sind als Schiffbrüchige auf eine Welt verbannt, die sie als eine Welt des Grauens und der Rätsel erkennen, je mehr sie von ihr zu sehen bekommen. Aber sie wären nicht Menschen, würden sie nicht allen Schwierigkeiten zum Trotz ihr Schiff klarzumachen versuchen, und sich den Extraterristiern zum Kampfe stellen.
So beginnt dieser faszinierende Roman von Stanislaw Lem, dem wohl bedeutendsten Autor utopischer Romane der östlichen Welt. Stanislaw Lem ist ein Wissenschaftler, bei dem sich in besonders glücklicher Weise Phantasie und Erzählerbegabung mit reichem Sachverstand vereinen. Jene fremde Welt, in die er sechs Erdenmenschen stellt, wird für den Leser zu einer Realität, je weiter er in der Lektüre fortschreitet. Die Planetarier, mit denen sich die Raumfahrer auseinanderzusetzen haben, sind zweiteilige, den Menschen unähnliche Wesen, widerspruchsvoll in ihrem Verhalten, aber doch anscheinend intelligenzbegabt. Zur Fortbewegung benutzen sie ein vertikales, sich als Kreisel erweisendes Rad. Alle Versuche der Raumfahrer, ein überschaubares Bild der fremden Zivilisation zu gewinnen, scheitern an unerklärlichen Fakten und Ereignissen. Und doch mehren sich die Zeichen, die von einer unwahrscheinlichen Hochkultur berichten. Die Erdenmenschen beginnen immer klarer zu fühlen, daß EDENs Kultur nicht mit menschlichen Maßstäben zu messen ist und die gesamte Evolution hier Wege geht, die völlig von den irdischen abweichen. Ein mystisches Dunkel liegt über allen Gründen und allem Begreifen ...
Stanislaw Lems erregender Roman erschöpft sich nicht in abenteuerlichen Geschehnissen; der Autor versucht auch Antwort zu geben auf die Frage, welche sittlichen Aufgaben einmal den Menschen gestellt sein könnten, die - vielleicht einmal - ihren Fuß auf den Boden einer bewohnten Welt setzen und Unbegreiflichem begegnen.
Stanislaw Lem ist einer der bedeutendsten Autoren utopischer Romane der östlichen Welt. Er ist ein Wissenschaftler, bei dem sich in besonders glücklicher Weise Phantasie und Erzählerbegabung mit reichem Sachverstand vereinen. Lem steht in der Spitzenklasse der SF-Schriftsteller in der ganzen Welt.
Dieser Roman ist im Netz je mit vielen ausführlichen positiven Rezensionen vertreten, Beispiele dazu findet man hier oder hier. So wie ganz allgemein Stanislaw Lem und seine Romane als Nonplusultra der SF angesehen wird. Ich sehe das anders.
Zunächst aber einmal ist dieser Roman hier, an dieser Stelle der TERRA-Hefte wichtig, denn stilistisch ist er eben ganz anders als die deutschen und angloamerikanischen SF-Geschichten, die hier die Mehrzahl darstellen. Und ich weiss noch, als ich vor vierzig Jahren diese und andere osteuropäische SF las, war das für mich und meinen Lesehorizont eine echte und wichtige Erweiterung. [Ebenso übrigens wie französische SF ein Jahrzehnt etwa später.] Diese Relevanz von Stanislaw Lem als auch den Strugatzkis sollte man nie unterschätzen, ich persönlich kann sie gar nicht deutlich genug herausstellen.
Allerdings sollte man die Story an sich nicht überbewerten. Rupert Schwarz hat das auf fictionfantasy sehr schön zusammengefasst :
Unfreiwillig komisch muten manche Beschreibungen an. So ist die Rakete mehr ein mechanisches Ungetüm als ein High Tech Produkt. Fast so als ob man mit einer Badewanne ins All fliegt. Und seitenlange Beschreibungen der Entwicklung eines s/w Films erwecken nicht den Eindruck man lese ein SF Buch. Gut, das Buch ist 1959 geschrieben worden, aber beispielsweise Asimovs Foundation-Trilogie aus den früher 40er Jahren des vergangenen Jahrundert zeugen von mehr Fantasie und Eleganz. Fazit: Ein Roman, der zu Beginn deutliches Potential aufzeigt, das aber im Verlauf des Romans verschenkt wird.Rupert zeigt sehr schön auf, daß der Roman bereits bei seinem Erscheinen überholt war, ich denke, daß angloamerikanische SF auch zu diesem Zeitpunkt bereits einen deutlich stringenteren, innovativeren und lebensbejahenden Weltenentwurf ihr eigene nannte. Nicht umsonst hat sich fast ein halbes Jahrhundert lang englische und amerikanische SF/F an der Spitze der SF/F-Qualitätspyramide gehalten.
Aber die wenig utopische Sicht der Dinge ist nur einer der Kritikpunkte, die ich, ein halbes Jahrhundert später, an diesem Roman zu bemängeln habe. Neben der Nicht-Geschichte stört mich vor allem eines : Die positive und unwidersprochene Darstellung des Kollektivismus, der Reduktion von Menschen auf eine Funktion. Denn im Gegensatz zu den individualistischen Protagonisten westlicher Coleur schreibt Lem hier nur von "dem Koordinator", "dem Arzt", "dem Chemiker". Das mag damals, in den 60ern noch angegangen sein, heute, mit unserem Wissen über die Realität des Kommunismus, ist das indiskutabel. Von daher war es zwar nett, diesen Roman wieder einmal zu lesen, meine schlechte Meinung über Lem und seine Romane wurde allerdings wieder einmal bestätigt.
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