Markolf Hoffmann : Nebelriss
Das Zeitalter der Wandlung 01
Heyne SF & F 9244, 2003
Originalausgabe
Taschenbuch, 510 Seiten, 9,95 €
Titelbild : Christoph Vacher
ISBN : 3453875532
Fremdartige Invasoren fallen in die Welt Gharax ein und reißen die magischen Quellen an sich, auf die Kaiser, Götter und Priester ihre Macht gründeten. Ein Bündnis der letzten freien Reiche könnte die Feinde aufhalten, doch zwischen den Ländern herrschen Haß und Intrigen. Fürst Banister wagt eine gefährliche diplomatische Mission. Und nur ein junger Zauberlehrling, der über die Macht verfügt, in die bizarre Dimension der Fremden einzutauchen, wird die Welt retten können – doch er fällt dem Feind in die Hände...Klappentext Piper-Ausgabe
Ich wäre die letzte, die nicht lobend erwähnt, wenn im Fantasygenre neue Wege gegangen werden. Natürlich ist es langweilig, eine weitere romantische Liebesgeschichte den ungezählten bereits vorhandenen hinzuzufügen. Nur hart gesottene Trivialliteraturleser vermögen dem klassischen gut/böse-Schema noch etwas abgewinnen. Wenn allerdings in einem Roman ausschliefllich finstere Gestalten auftauchen, erfordert das doch ein sonniges Lesergemüt, um darüber nicht in Melancholie zu verfallen. Unter den Hauptfiguren gibt es unübertriebenerweise nicht eine Person, die man wenigstens ansatzweise als sympathisch bezeichnen könnte. Unter den Nebenfiguren finden sich anderthalb. Dieses Portfolio an machtgierigen, grausamen, dummen und selbstsüchtigen Personen hat Konsequenzen : Es passiert nichts Gutes. Also garnichts Gutes. Das moralisch Verwerfliche, was im Verlauf des Romans an unterschiedlichen Schauplätzen passiert, wird detailverliebt geschildert. Es gibt gelungene Schilderungen von Hinrichtungen, phantasievollste Beschreibungen von eiterbeulenzersetzten Körpern und überraschend originelle Foltermethoden psychischer wie physischer Natur. Markolf Hoffmann hat die Bandbreite menschlicher Scheußlichkeit ausgebreitet und mir stellt sich die Frage : Was will mir der Schreiber damit sagen? Dass die Menschen schlecht sind? Dass es keine Hoffnung gibt? Wozu ist das gut?Kommentar von Doris Dreßler im FO176
Mit seinem Fantasy-Roman zeigt er deutlich, deutsche Phantastik, in diesem Fall Fantasy, muss sich nicht vor der ausländischen Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil. Mit seinem Buch verweist er viele amerikanische Importe auf den vierten und fünften Platz. Markolf Hoffmann ist für mich neben Markus Heitz und Christiane Zina ein Hoffnungsträger deutscher Phantastik. Er greift zu weit mehr Stilmitteln, als manch „ausser-deutsche“ Übersetzungsimport oder gewisse Vielschreiber. Die Handlung ist vielschichtig angelegt. Je nachdem, wer der Handlungsträger ist, erscheinen seine Entscheidungen richtig und gut. Dadurch fällt es den Lesern schwer, einen eindeutigen Bösewicht festzustellen. Selbst die mordenden Goldéi erscheinen aus ihrer Sicht gut. Es ist nach dem ersten Band der Trilogie nicht abzusehen, wohin der Weg führt, was die Erzählung gleich noch einmal interessanter macht. Die Welt des Markolf Hoffmann besticht durch grossen Reichtum an Einzelheiten. Vieles erscheint wie nebensächlich und ist doch bis in die kleinste Kleinigkeit ausgearbeitet. Ein beklemmendes Gefühl beschleicht den Leser nur, weil er nicht entscheiden kann, wem er wohlwollend gegenüberstehen will.Erik Schreiber im Bücherbrief 359 (2004)
Als kompaktes Werk überzeugt Markolf Hoffmanns umfangreicher Roman. Seine Handlungsführung ist zielstrebig und sicher, seine geschaffenen Charaktere sind lesenswert und der Aufbau seiner Welt interessant. Es muss sich allerdings in den nachfolgenden Büchern erweisen, dass der Weg, den er hier vor seinen Lesern ausbreitet, ein neuer ist.Thomas Harbach
"Nebelriss" ist der Debutroman von Markolf Hoffmann. Zuerst bei Heyne erschienen wurde der gesamte Zyklus dann bei Piper veröffentlicht, Verlagspolitik eben. Mir ist der letztens unter die Finger gekommen und ich war recht neugierig auf den Roman.
Wie man an den obigen Kommentaren sieht, wurde der Roman recht zwiespältig aufgenommen. Mich hat er mit seiner Brutalität und seinen unsympathischen Handlungsträgern stark an "Game of Thrones" erinnert. Allerdings ist "Nebelriss" deutlich besser konzipiert, die Handlung ist doch sehr geradeaus. Und was Doris Dreßler meiner Meinung nach übersehen hat, sind die teilweise sehr deutlichen Referenzen an die wirkliche Welt, der Markolf Hoffmann einige Unsympathen entnommen und in ein Fantasy-Umfeld gesteckt hat. Mich hat der Roman durchaus begeistert, er war stilistisch schön geschrieben, relativ wenig trivial und insgesamt ein gelungener Auftakt. Ich stimme da absolut mit Thomas Harbach überein und werde mir demnächst (also irgendwann) die anderen Bücher des "Zeitalters der Wandlungen" besorgen. Mal sehen...
Einen Punkt von Erik Schreiber möchte ich aber noch einmal aufgreifen : Deutsche Fantasy.
Deutsche Fantasy ist ja nix Neues, es gibt sie schon mindestens seit den 70ern. "Dragon", "Mythor" und "Maddrax" sind nur drei der Pulp-Serien deutscher Provenienz, die mir sofort einfallen. Was sie gemeinsam haben, ist der starke Science Fiction-Anteil. [@Michael Haitel : Der Profi schreibt SF immer noch richtig und ignoriert die neue deutsche Falschschreibung.] Im Gegensatz zu etwa Howard und Smith ist in dieser Art deutscher Fantasy deutlich weniger Mystik enthalten. Das änderte sich, als in den 90ern Bastei mit seiner leider nur sehr kurzlebigen "Fantasy"-Reihe herauskam, allerdings waren die damaligen Autoren stärker an klassischen Märchen als an klassischer Fantasy orientiert. [Ja, ich weiss, Verallgemeinierung, aber die Reihe lese ich auch bei Gelegenheit nochmal und kommentiere die Romane dann im Detail.] Diese Sicht änderte sich dann in Richtung auf den Jahrtausendwechsel und so roundabout seit diesem Jahrtausend gibt es in Deutschland "plötzlich" massenhaft Fantasy-Schriftsteller. Dabe meine ich nicht diejenigen, die Vampirschlampen, Werwolfwubsen oder sonstige Exotenliebchen thematisieren, sondern die AutorInnen, die gelungene nicht-triviale Romane im Fantasy-Sujet produzieren. Der hier vorliegende Markolf Hoffmann ist einer davon, andere sind beispielsweise Dirk van den Boom, Stefan Burban, seit Neuestem auch Martin Kay, Christoph Hardebusch natürlich, Thomas Thiemeyer würde ich auch dazurechnen undsoweiter undsofort. [Ich entschuldige mich bei allen Nicht-Genannten.] Insgesamt gesehen ist die deutsche Fantasy dieses Jahrtausends nicht nur stärker an Klassikern und Moderne orientiert, deutlich zahlreicher als in den vergangenen Jahrzehnten, sondern auch wesentlich gehaltvoller. Hier sind die deutschen Autoren - und so komme ich wieder zu Erik Schreibers Bemerkung zurück - tatsächlich den angloamerikanischen ebenbürtig, wenn nicht sogar vielfach überlegen. Eine interessante Entwicklung, die noch lange nicht zuende ist. Ich jedenfalls lese begeistert mit.
In deiner Aufzählung zur deutschen Fantasy solltest du auf jeden Fall nicht nur die Heftromane aufzählen. Ich denke der Magira Zyklus von Hugh Walker sollte unbedingt erwähnt werden, genauso wie die Fantasyromane von Wolfgang Hohlbein aus den 80ern.
AntwortenLöschenUnd ich möchte noch die Kurzgeschichtensammlung von Markolf Hoffmann empfehlen:
AntwortenLöschenhttp://defms.blogspot.de/2011/07/markolf-hoffmann-das-flustern-zwischen.html
Je mehr ich zur deutschen Fantasy schrieb, desto mehr fielen mir die Lücken auf. Heitz fehlt, ebenso Hohlbein und natürlich die Strassls. Gibt es da eigentlich eine ausführlichere Darstellung oder ist die deutsche Fantasy das berühmt-berüchtigte "Neuland" ?
AntwortenLöschenHm, Neuland bestimmt nicht. Aber frag mich nicht wo es da was Ausführliches zu gibt. Im Magira Jahrbuch gab es immer einen Rezensionsblock zur deutschen Fantasy. Und es gibt den Deutschen Fantasy Preis: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Fantasy_Preis Auch kommt es darauf an, was man alles unter Fantasy versteht, also wo man es zu SF bzw. Horror abgrenzt.
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