Kage Baker : Der Amboss der Welt (The Anvil of the World)
Feder & Schwert 2012
Deutsche Erstausgabe
Originalausgabe 2003
Taschenbuch, 384 Seiten, 12,95 €
Aus dem Amerikanischen von Bettina Ain
Titelbild : Oliver Graute
ISBN 9783867620826
Kage Baker, jüngst verstorbene Autorin des Steampunk-Romans "Die Frauen von Nell Gwynne's", widmet sich in diesem Schelmenroman um den pensionierten Assassinen Schmied, der nur versucht, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten, aber ständig knietief in Problemen watet, der humoristischen Fantasy.Klappentext
Schmied heuert als Karawanenmeister an und soll ein Gros Glasschmetterlinge sowie diverse exzentrische Mitreisende sicher von Troon in die Hafenstadt Salesh geleiten. Die prominentesten seiner Passagiere sind der dekadente Fürst Ermenwyr und seine Amme Balnshik, die beide nicht so recht sterblich sind. Schmied überlebt die Reise und kauft schließlich ein heruntergekommenes Ferienhotel in Salesh-am-Meer, das er mit Hilfe seiner begabten früheren Karawanenköchin, die ebenfalls Schmied heißt, in eine Goldgrube verwandelt. Leider geht am Vorabend des Festes, des profitträchtigsten Tages im Jahr, alles schief. Fürst Ermenwyr taucht auf der Flucht vor einem verfeindeten Hexer inkognito auf, dann erscheint die Gesundheitspolizei just in dem Moment, als ein Klatschreporter, der dafür bekannt ist, seine Opfer zu erpressen, tot aufgefunden wird. Er wurde in einem von Schmieds besten Zimmern möglicherweise mittels Magie ermordet.
Wie üblich kombiniert Baker geschickt witzige Dialoge, gute Charakterzeichnung und ein Auge für stimmige Details. Besonders denkwürdig sind ihre wahrlich schräge Karawane und Frau Schmieds unvergleichlich beschriebene kulinarische Meisterleistungen. Bakers Ausflug in die Fantasy macht Spaß und sollte allen Trash-Fantasy-Feinden auf der Zunge zergehen.
Also den Stil kenne ich irgendwoher :
Troon, die güldene Stadt, lag zwischen hohen Mauern auf einer tausend Meilen weiten Ebene voll goldener Gerste.
Die Kornkammern Troons erhoben sich wie Giganten über der Stadt, höher noch als die sich endlos drehenden Windmühlen. Besonders im Monat des Roten Mondes legte sich Staub auf Troons Straßen und erfüllte seine Luft, wenn lange Reihen knarrender Karren, die noch mehr Staub aufwirbelten, der wie feiner Puder aus Gold auf jeder Kuppel und jedem Turm und auf der Hütte eines jeden Feldarbeiters lag, die Ernte von der Ebene brachten.
Alle Trooner litten unter chronischen Lungenemphysemen.
Doch Troon, das sich stolz als Brotkorb der Welt bezeichnete, erduldete die Emphyseme. Keuchen galt als kultiviert, und das gesellschaftliche Ereignis des Jahres war das Fest der Atemmasken.
Im Original :
Troon, the golden city, sat within high walls on a plain a thousand miles wide. The plain was golden with barley.
The granaries of Troon were immense, towering over the city like giants, taller even than its endlessly revolving windmills. Dust sifted down into its streets and filled its air in the Month of the Red Moon and in every other month, for that matter, but most especially in that month, when the harvest was brought in from the plain long lines of creaking carts, raising more dust, which lay like a fine powder of gold on every dome and spire and harvester's hut.
All the people of Troon suffered from chronic emphysema.
Priding itself as it did, however, on bring the world's breadbasket, Troon put up with the emphysema. Wheezing was considered refined, and the social event of the year was the Festival of Respiratory Masks.
Ich persönlich finde, daß dies eine ganz hervorragende Übersetzung ist. Auch andere übersetzerische Sachen haben mir gefallen, aber davon später, zunächst zurück zum Inhalt.
Der Roman ist keine durchgehende Geschichte, sondern besteht aus drei Novellen. Nur die erste ist betitelt, sie ist als "The Caravan From Troon" in Asimov's SF Magazine im August 2001 erschienen, die anderen beiden sind Originalgeschichten und hier das erste Mal veröffentlicht worden. In "The Caravan From Troon" geht es - wie der Titel ja schon sagt, um eine Karawane, die von Troon nach Salesh zieht. Schmied (im Original : Smith [nicht verwandt]) wurde als Karawanenführer angeheuert und versucht, sich nach einer Karriere als Meuchelmörder ein zweites Standbein aufzubauen. Dabei helfen ihm Schmied, Schmied und Frau Schmied, alle nicht verwandt. [Interner Joke in dem Buch, mit dem sich Kage Baker über die Namensvergaben innerhalb von Fantasy-Romanen amüsiert. Oder kann sich jemand an die ganzen "verschiedenen" Zwergennamen bei Tolkien erinnern ?]
Man erkennt schon, daß der Roman etwas Pratchett-haftes hat und es geht auch genau so weiter. Teilnehmer der Karawane sind unter anderem Lord Emenwyr, ein kranker Halbgott, Halb- oder Viertel-Dämon und seine Begleiterin die Pflegerin Balshnik, atemberaubend, sexy und Volldämon. Und das ist nur das Ensemble der ersten Novelle, es wird auch in der Folge nicht weniger chaotisch. Dabei macht Kage Baker klar, daß die Charaktere durchaus Tiefe haben und zeigt sie in vielen verschieden Facetten.
Wer Pratchett mag, dürfte diesen Roman von Kage Baker lieben. Allerdings ist der Humor und die Satire oftmals etwas versteckt, es ist weniger der Schenkelklopfer-Witz von Pratchett als mehr der hintergründige Humor eines Loriot. Im Verlaufe der Geschichten wird der Roman auch immer ernster, wenngleich der Witz nie ganz verschwindet. Insbesondere die letzte Novelle, in der fast mainstream-mäßig ökologische Themen angesprochen und klassische Fantasy-Topoi genutzt werden, finde ich wirklich brilliant. Durchgängig werden im Roman Gimmicks und Gadgetts benutzt, die Verbindung von mechanistischer Technik (durch Uhrwerke fahrende Karawanenwagen und Schiffe beispielsweise) und einem magischem Fantasy-Ambiente lassen auch viel Raum zu Spielereien und erinnern mich zumindestens stark an die Scheibenwelt-Szenarios.
Ich werde mir auch mal den Rest von Kage Baker besorgen, ich bin doch mal gespannt, wie ihre anderen Romane so sind. Diverses ist bei Feder & Schwert erschienen, da werde ich auch zuerst einmal weiterlesen. Bedauerlicherweise ist Kage Baker 2010 gestorben, aber ich habe ja noch einiges aufzuholen, ich kannte sie nämlich vor der Lektüre dieses Romans nicht.
Zur Übersetzung nochmal : Ich finde sie echt gelungen. "Smith" mit "Schmied" statt "Schmidt" zu übersetzen halte ich für eine wirklich gute Idee, es macht den Roman irgendwie originärer. Auch ansonsten habe ich keinerlei Holprigkeiten entdeckt, ansonsten passiert es ja heutzutage leicht, daß man denkt "Ah, ja, das hat im amerikanischen Original sicherlich soundso geheißen." Ein anderes Beispiel habe ich ja schon oben zitiert, solche Übersetzungen hätte ich gerne öfter. In diesem Sinne : "Fröhliche Paarungen", wie man in Salesh zur Festivalzeit sagt.
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