Montag, 19. Dezember 2011

Mike Resnick : Wilson Cole

Wilson Cole ist Military SF von Mike Resnick, einem Schriftsteller, der seit den 60ern aktiv ist und mehr Hugos für seine Romane und Stories gewonnen hat als Heinlein oder Silverberg. Tatsächlich wurde er 33-mal für den Hugo nominiert (davon 28-mal für Romane oder Stories) und hat ihn 5-mal gewonnen. Trotzdem ist er hierzulande ziemlich unbekannt, obwohl viele Romane vom ihm nach Deutschland verkauft wurden (siehe Bibliographie), sind doch nur wenige veröffentlicht worden, der Rest stösst bei deutschen Verlagen auf wenig Interesse. Es ist auch bezeichnend, daß in der deutschen Wikipedia ein früherer Eintrag zu Mike Resnick gelöscht wurde und aktuell keiner vorhanden ist, während er in der englischen Wikipedia ausführlich inklusive bibliographischer Daten abgehandelt wird.

Und seit neuestem schreibt Resnick auch MilSF. Aber anders als Weber oder Ringo schreibt er weniger für die Freunde großer Schlachtengemälde, sondern stellt die Kritik an autokratischen Militär-Strukturen in den Mittelpunkt seiner Romane. Wir schreiben das Jahr 1966 GA (4974 AD). Die Menschheit hat sich im All ausgebreitet, das menschliche Imperium befindet sich im Kampf mit der nichtmenschlichen Teroni-Förderation. Wilson Cole ist seit Jahren Soldat - allerdings hat er sein Gehirn nicht bei der Musterung abgegeben wie viele seiner Kameraden und Vorgesetzten. Dies führte in der Vergangenheit dazu, daß er regelmäßig unsinnige Befehle missachtete - und durch seine dadurch erungenen Siege zum Kriegsheld wurde. Sein Heldentum ist dem Militärapparat aber unangenehm und peinlich, denn es lässt das Militär in einem schlechten Licht dastehen. Also wird er in die Randzone versetzt, auf die altersschwache "Theodore Roosevelt", dem Sammelbecken aller dem Militär unangenehmen Elemente. Hier setzt der erste Band der Starship-Reihe ein.


Mike Resnick : Die Meuterer (Starship : Mutiny)
Bastei-Lübbe 23326, 03/2010 (2.Auflage)
Deutsche Erstausgabe 315 Seiten
Aus dem Amerikanischem von Thomas Schichtel

In "Die Meuterer" sind Wilson Cole und die Crew der "Teddy R." noch voll in den terranischen Militärapparat integriert. Im Verlauf der Handlung vollbringt Cole, der 2. Offizier, ein paar Heldentaten, indem er nachdenkt statt blind Befehle zu befolgen. Als der nichtmenschliche 1. Offizier den Befehl gibt, einen Planeten mit 5 Millionen Menschen zu zerstören, um das sich darauf befindende Treibstoffdepot nicht in die Hände der gegnerischen Teroni fallen zu lassen, verweigert Wilson Cole den Befehl und übernimmt zusammen mit der restlichen Crew, Offiziere ebenso wie Mannschaften, das Schiff. Er trifft ein Abkommen mit den Teroni, das die Bevölkerung schützt. Dies bringt Cole eine Anklage wegen der Diskriminierung nichtmenschlicher Militärangehöriger und Meuterei ein. Er wird verurteilt und von der Crew der "Teddy R." befreit. Zusammen fliehen sie aus dem terranischem Einflußgebiet.

Obwohl die Handlung sich in den Folgebänden noch spannend und amüsant weiterentwickelt, wird die Kernaussage dieses Zyklus bereits im ersten Band deutlich ausgeführt. Resnick wendet sich gegen Hurrapatriotismus und Heldentum Einzelner auf Kosten Vieler. Stattdessen stellt er den gesunden Menschenverstand in den Mittelpunkt seiner Handlung. Wilson Cole besitzt keine übermenschlichen Fähigkeiten, keine besondere Begabung wie Honor Harrington, keine speziellen Hilfsmittel wie Nimue Alban, er ist ein Mensch wie Du und ich, ein Normalo eben. Im Unterschied zu der gesichtslosen Masse der Bewohner des terranischen Imperiums denkt er aber noch selbst und bleibt ein Individuum. Und er zieht Konsequenzen aus seinem Denken, hat Zivilcourage und verweigert sich dem über Leichen gehenden Verhalten des terranischen Militärapparates. Dies macht Wilson Cole zum Außenseiter. Aber er ist nicht alleine, die ganze Crew der "Teddy R." besteht aus solchen Außenseitern. Aber eben nur diese, die Massen des terranischen Imperiums sind desinteressiert an solchen Störungen ihrer geistigen Befindlichkeiten. Ich persönlich habe während des Lesens Parallelen zu aktuellen und nicht mehr so ganz aktuellen Geschehnissen, in denen Einzelne Zivilcourage zeigten statt sich dem Standard-Verhalten der Masse oder des Apparats unterzuordnen, gezogen. Aber das ist meine persönliche Sicht der Dinge.


Mike Resnick : Die Piraten (Starship : Pirate)
Bastei-Lübbe 23329, 07/2009 (2. Auflage)
Deutsche Erstausgabe 383 Seiten
Aus dem Amerikanischem von Thomas Schichtel

Im zweiten Band "Die Piraten" versuchen sich Wilson Cole und die Crew der "Teddy R." mit Freibeuterei über Wasser zu halten. Obwohl Cole es schafft, das die Mannschaft halbwegs über die Runden kommt, ist dies doch ein sehr überbewerteter und unterbezahlter Job, so daß sich unsere Freunde am Ende als Söldner verdingen wollen. Doch auch als "Die Söldner" sind unsere Freunde nicht wirklich glücklich, da das Kämpfen gegen Bezahlung doch irgendwann gegen die eigenen moralischen Grundsätze verstösst.

In beiden Bänden wird die Kernaussage des ersten Bandes in Variationen wiederholt und bekräftigt. Zusätzlich dazu fühlte ich mich sehr an Robert Asprins "Tambu" erinnert, ähnliche Ausgangssituationen, aber ein ganz anderes Ergebnis. Mike Resnick zeigt hier sehr schön das auf, was Asprin vor Jahrzehnten nicht geschrieben hat, nämlich die mangelnde Moral und, bis zu einem gewissem Grad, auch die Menschenverachtung, die der durchschnittliche Pirat / Söldner hat und der man sich selber nur schwer entziehen kann. Ich habe das als Kommentar zu einigen Vorfällen im Nahen Osten verstanden. Aus dieser Sicht heraus haben mir diese Folgeromane ebenso gut gefallen wie der erste Band, insbesondere als auch die Exotik des Settings mir als Fan des Homanx-Universums ganz besonders zusagte.


Mike Resnick : Die Söldner (Starship : Mercenary) & Die Rebellen (Starship : Rebel)
Bastei-Lübbe 23337 & 23342, 07/2009 & 03/2010
Deutsche Erstausgaben 367 & 350 Seiten
Aus dem Amerikanischem von Thomas Schichtel

Zu Beginn des vierten und vorletzten Bandes der Starship-Reihe, "Die Rebellen", ist Wilson Cole mit der Crew der "Teddy R." noch als Söldner aktiv. Mehr und mehr Schiffe haben sich ihm angeschlossen, das Ganze hat schon den Charakter einer kleineren Flotte. Da wird plötzlich Forrice, ein Außerirdischer und der beste Freund von Wilson Cole, bei einem Landurlaub von Mitgliedern der terranischen Flotte gefangengenommen, nach Cloes Aufenthaltsort befragt, gefoltert und ermordet. Cole rächt sich und tötet die Killer. Das terranische Militär beginnt, aktiv nach Wilson Cole und den anderen Deserteuren zu suchen. Als die Administration eines Planeten sich weigert, das terranische Militär zu unterstützen und Wilson Coles Aufenthaltsort zu verraten, wird die gesamte Zivilbevölkerung vom terranischen Militär umgebracht. Jetzt sieht Wilson Cole keine Alternative mehr und beginnt, das terranische Imperium ebenfalls aktiv zu bekämpfen und die militärischen Einheiten in ihre Grenzen zu verweisen.

"Wer durch das Schwert lebt, wird durch das Schwert umkommen." Resnick zeigt uns mit dem vierten Band seiner Wilson Cole-Romane sehr deutlich die Denkfehler, die Wilson Cole in den ersten drei Bänden beging. Die Meuterer aus Band 1 hätten sich nicht notwendig als Piraten oder Söldner betätigen müssen, sie sich auch friedliebende Berufe suchen können. Die Spirale der Gewalt, die Mike Resnick hier aufzeigt, wäre in der einen oder anderen Form in jedem Fall gekommen, solche Eskalationen sind unvermeidlich. Der Tod von Forrice ist überraschend und brutal, ein harter Schlag für Wilson Cole ebenso wie für den Leser. Genauso bestialisch ist der Massenmord an der Zivilbevölkerung von Braccio II, keine nette SF mehr wie in den Vorgängerbänden. Mike Resnick gelingt es (im Gegensatz zu David Weber) diese Morde so zu beschreiben, daß auch der Leser betroffen ist. Der Roman wird dadurch viel düsterer als seine Vorgänger, es wird deutlich gemacht, daß das kein Spiel mehr ist.

Indem Wilson Cole und seine Truppe sich jetzt als Rebellen gegen das Imperium stellen, stellt Mike Resnick sich in die Tradition des klassischen amerikanischen Freiheitskampfes, die Boston Tea Party ebenso wie Alamo lassen grüßen. Und er rüttelt an den moralischen Grundsätzen, mit denen er Wilson Cole in den ersten Bänden ausgestattet hat. Als Amerikaner sagt er klar und deutlich, daß der Kampf gegen ein unmenschliches System mit Waffengewalt ausgetragen werden muß, Wilson Cole muß um des großen Ganzen Willen zum Kriegsherrn mutieren. Wir als Europäer haben in den letzten 25 Jahren ganz andere, gegensätzliche Erfahrungen gemacht, so daß wir aus unserem Blickwinkel die Zwangsläufigkeit der Gewalt, die Resnick hier darstellt, anzweifeln müssen. Man muß sich beim Lesen deutlich vor Augen halten, daß hier die historischen Erfahrungen und moralischen Imperative eines anderen Kontinents den Hintergrund des Romans bilden. Ich als Western-Fan habe damit wenig Probleme, von daher habe ich auch diesen Roman gerne gelesen. Aber das muß nicht jedermanns Sache sein.


Mike Resnick : Flaggschiff (Starship : Flagship)
Bastei-Lübbe 23350, 11/2010
Deutsche Erstausgabe 368 Seiten
Aus dem Amerikanischem von Thomas Schichtel

In dem letzten Band der Serie, "Flaggschiff", kämpft Wilson Cole mit seiner Flotte dann aktiv gegen das terranische Militär. Dieser Band kommt erst im November in Deutschland heraus, laut amerikanischen Rezensionen wird die moralische Fragwürdigkeit der Handlungen von Wilson Cole, die in "Rebellen" bereits anklang, hier noch bestätigt und vertieft. [Blogeintrag aus SF-Netzwerk vom 05. August 2010]

Fazit : Ein angenehmer Zyklus, der sich einfacher Schwarz-Weiß-Malerei, die man bei Military SF eigentlich erwartet, deutlich entzieht. Im Gegensatz zu anderen MilSF-Romanen auch ein Zyklus mit einem Normalmenschen als Hauptperson, den vom Rest des Universums nur sein gesunder Menschenverstand unterscheidet. Der ganz und gar nicht-triviale Hintergrund der Starship-Serie tut ein Übriges, um diese Romane lesenswert zu machen.

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