Dienstag, 20. Dezember 2011

Lois McMaster Bujold : Sharing Knife – Zyklus

Die Klingen des Lichts

"Die junge Fawn flieht wegen ihrer ungewollten Schwangerschaft vor ihrer Familie. Dabei gerät sie unversehens in noch viel größere Gefahr. Gemeinsam mit dem zauberkundigen Seenläufer Dag stellt sie sich einer schrecklichen Kreatur: einem Landzehrer. Fawn erwirbt das Anrecht auf einen magischen Knochendolch. Dieser Dolch birgt ein Geheimnis, das Fawn lüften will. Denn immer noch streifen gefährliche Landzehrer umher, und es gibt zu wenige Wächter."

Soweit der Klappentext einer neuen Fantasy-Serie von Lois McMaster Bujold, deren erste beiden Bände 2007 bei Bastei-Lübbe erschienen. Wer, so wie ich, die Autorin bisher nur durch ihre SF-Bände um Miles Vorkosigan kennt, ist zunächst irritiert, einen Fantasy-Roman von ihr in Händen zu halten.

Insbesondere als es fast schon standardmäßig losgeht : Junges Mädchen flieht von zuhause, trifft strahlenden Held mit dunkler Vergangenheit und besiegt das böse Monster. Damit wären die ersten 75 Seiten eigentlich schon komplett beschrieben und man erkennt nach diesem erstem Teil schon, daß eine Ebene dieses Buches eine wunderschöne Fantasy Romance ist, Kitsch as Kitsch can. Die Autorin ist sich nicht zu schade, in den Vordergrund eine klassische Liebesgeschichte zu stellen, wie ich sie in dieser Einfachheit und Ausschließlichkeit lange nicht mehr gelesen habe. Auch mit dem Sex hat Lois McMaster Bujold keine Probleme, in einigen Szenen geht es schon deutlichst zur Sache. Dabei gelingt ihr der Spagat zwischen profanem Sex und außergewöhnlichem Gefühl, nirgendwo hat der Leser das Gefühl, daß der Sex nur geschildert wird, weil man das als moderne Autorin eben so macht, sondern es gehört zur Darstellung der Beziehung von Dag und Fawn einfach ganz natürlich dazu. Das wird auch sehr schön in der Szene kurz vor der Hochzeit deutlich, als klar wird, wie sich der einhändige Dag mit einem gebrochenem Arm in den letzten Wochen die Hose angezogen hat.

Aber das Buch hat ja nicht 75, sondern 412 Seiten. Und auf den hinteren 350 wird das eigentliche Thema dieses Romans ausgebreitet. Fawn und Dag kommen aus unterschiedlichen Gesellschaften : Sie aus einer bäuerlich-konservativen Agrar-Gesellschaft, er aus einer eher ökologisch-naturverbundenen Kommune, der die Verteidigung der Menschen gegen die Landzehrer obliegt. Sie ist 18, er 55. Die Probleme einer solchen Mesalliance sind offensichtlich, in beiden Gesellschaften. Hier, im ersten Band, beschäftigt sich die Autorin mit der Bigotterie der Konservativen. Fawn und Dag bleibt nichts, aber auch garnichts, erspart, als sie zur Hochzeit auf den Hof von Fawns Eltern zurückkehren. Lois McMaster Bujold lässt kein klassisches Vorurteil der konservativen Gesellschaftsschicht weltweit aus, lässt unsere beiden Helden heroisch die daraus resultierenden Angriffe, psychisch als auch physisch, ertragen. In dieser Heldenhaftigkeit der Protagonisten liegt denn auch die eigentliche Anklage gegen die Bigotterie der Gesellschaft. Dadurch, daß der Leser mit Fawn und Dag als heldenhafte Protagonisten seit Anfang des Buches vertraut ist, werden die (noch nicht einmal überzogen dargestellten) Angriffe des bäuerlich-konservativen Milieus gegen die beiden noch absurder dargestellt, als sie eigentlich schon sind. In diesem Sinne ist das Buch eine deutliche Gesellschaftskritik an den bestehenden Verhältnissen.

Stilistisch habe ich die Perspektivenwechsel sehr genossen. Lois McMaster Bujold schreibt hier einmal aus der Sicht von Dag, dem Seenläufer, und einmal aus der Sicht von Fawn, dem Bauernmädchen. Dies wechselt nicht nur Abschnittweise, sondern manchmal auch ganz unvermittelt nach einem Absatz, je nachdem, was die Autorin jetzt gerade detailliert darstellen will. Dabei stören diese Wechsel den Lesefluß in keinster Weise, sie fügen sich harmonisch in die Geschichte ein.

Das Ganze kommt in einer sehr schönen, urdeutschen Übersetzung daher. Alexander Lohmann hat sich da viel Mühe gegeben, wenn er etwa "malice" oder "bogus" mit "Landzehrer" übersetzt. Auch das Buch an sich ist eine schöne Ausgabe, ein gelungenes Titelbild von Daniel Ernle in einem ansonsten schmucklosen smaragdgrünen Einband lässt den Band besonders edel aussehen. Insgesamt also inhaltlich wie auch von der Form her ein empfehlenswertes Buch.

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