Poul Anderson : Rebellion auf der Venus (The Big Rain)
Terra Extra 113, 21.10.1966
Neuauflage
Deutsche Erstausgabe UTOPIA Großband 148, 1961
Originalausgabe ASTOUNDING 1954/55
Aus dem Amerikanischen von Walter Spiegl
Titelbild : Johnny Bruck
Der Eingang zur Hölle ist der Planet Venus. Fürchterliche Stürme toben über die öde Oberfläche, auf der nichts wächst, weil die Luft vergiftet und kein Wasser vorhanden ist. Auswanderer von der Erde, die vor Jahren hierherkamen, versuchen unter dem vollständigen Einsatz ihrer Kräfte, das Wesen dieses unfruchtbaren Planeten zu verändern und ihn in eine blühende paradiesische Weit zu verwandeln. Doch die Verhältnisse haben eine Regierungsform geschaffen, die schlimmer ist als eine Diktatur und die alle Anzeichen in sich trägt, eines Tages ihre gierigen Hände nach der friedlichen Erde auszustrecken. Die UN-Regierung der Erde entsendet einen Agenten, der sich unter der Maske eines unzufriedenen Einwanderers von der Erde auf der Venus einschleicht, die Sicherheitsvorkehrungen der Venus-Polizei unerkannt überwindet und Material für einen umfassenden Bericht über die gefährliche Entwicklung auf der Venus sammelt.Klappentext
Ein aus vielerlei Gründen interessanter Roman.
Zunächst liest er sich recht flott weg, oberflächlich betrachtet ist "The Big Rain" ein SF-Krimi, wen wundert es, bei dem Namen. Doch selbst einem oberflächlichem Leser fällt die fanatische Gesinnungsstruktur der venusischen Regierung auf, die jeden, der nicht an ihr glorreiches Ziel des Großen Regens, der die giftige Atmosphäre wegwischt und das Leben auf der Venus lebenswert macht, gnadenlos verfolgt und in Internierungslager - genauer gesagt : KZs - steckt. Dies alles wird vor den Vereinigten Planeten verborgen, doch die UNO schickt Hollister, einen ihrer Agenten, aus, um die Verhältnisse auf der Venus zu untersuchen.
Auf der erste Ebene ein SF-Krimi, auf der zweiten eine Allegorie auf Nazi-Deutschland. Viele der Charaktere könnten ebensogut im Deutschland der Jahre 33-45 agiert haben, bis auf die exotische Szenerie gibt es wenig Unterschiede. Aus der Sicht eines deutschen Lesers des 21. Jahrhunderts gibt das dem Roman einen zusätzlichen Charme, den Poul Anderson so sicher nicht geplant hat.
Der Roman gliedert sich in den Bereich Andersons Psychotechnischen Liga ein, der Begriff wurde in den 80ern von Sandra Miesel analog zur Polesotechnischen Liga geprägt. Poul Anderson schrieb für diesen Bereich in den 50ern diverse Romane. Gegen Ende der 50er hörte er jedoch damit auf, denn die Entwicklung der Serie entsprach nicht mehr den tatsächlichen politischen Realitäten. Insbesondere die hervorgehobene Rolle der UN als Kern einer Weltregierung wurde mehr und mehr fragwürdig, so daß Anderson diese Alternate History nicht weiter fortführte.
Poul Anderson ist nicht der einzige (SF-) Autor, der sich nach dem II. Weltkrieg deutlich mehr von der UNO versprochen hatte, als sie effektiv zu leisten in der Lage war. Partikulärinteressen der drei großen Machtblöcke zusammen mit dem wachsendem Einfluß von Schurkenstaaten wie Saudi-Arabien blockierten jede positive Entwicklung, was sich auch in einer deutlichen Kritik an diesem System durch Schriftsteller niederschlug. Nicht umsonst datiert Heinleins "Starship Troopers" aus der gleichen Ära.
Aber egal, der Roman endet mit einem Fast-Happy End. Hollister und Barbara, sein Love Interest, können zusammen mit einer Gruppe von Aufständischen ein Raumschiff kapern und fliehen. Aber sie werden wiederkommen und das repressive Regime der Venus in eine freie demokratische Gesellschaft ummodeln. Und das ist der hoffnungsvolle Ausblick, mit dem der Roman schliesst. Und man kann nur hoffen, daß es ihnen irgendwann und irgendwo auch gelungen ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen