Hans Hellmut Kirst : Die Wölfe
Lingen-Verlag, Hardcover
Originalausgabe Desch 1967
Jener Alfons Materna wollte leben und sonst nichts. Der Preis, den er dafür zahlen mußte, war hoch. Dabei starben Menschen. Doch damals in Masuren konnten selbst Leichen Gelächter auslösen.Klappentext
Eine versunkene, endgültig verlorene Welt, einstmals erfüllt von urwüchsiger Kraft und Lebenslust, aber auch von listiger Schläue und lauernder Brutalität; eine Welt, in der »Geburt und Tod noch so selbstverständlich zum alltäglichen Leben gehörten wie Tiere, Bäume und Felder«, und wo »nicht wenige ehe sie ihn vergaßen Gott für ihren Duzbruder hielten«: diese Welt, seine Heimat, aufglänzend in der Erinnerung, beschwört Hellmut Kirst in seinem neuen Roman. Er erzählt bewegende und makabre, idyllische und groteske, erheiternde und bestürzende Vorgänge in einem Dorf in Ostpreußen, inmitten der masurischen Seen und Wälder. Kirsts große satirische Dorfchronik beginnt im Jahre 1933 und endet in der Katastrophe von 1945. Dazwischen liegt der etappenweise Verfall dörflicher Gemeinschaft: Gewalt und Intrigen, aufgeputschte Geltungssucht und wachsender Terror zerstören das festfreudige ländliche Dasein, bis alles schließlich in Grauen, Verwüstung und Chaos unwiederbringlich untergeht.
Im Mittelpunkt dieses figurenreichen Zeitromans steht ein Mann, der sich wehrt: Alfons Materna, ein listiger Idealist, menschlich, tapfer und gerissen. Er wird zum unerwarteten Hindernis für seine enthemmten Mitbürger. Selbst die SA, die im Dorf die Macht ausübt, wird mit ihm, dem »Fuchs von Maulen«, nicht fertig. Materna. ein Mann, der sein Leben unbekümmert zu genießen versteht, ist nun nicht gewillt, die heraufkommende Finsternis tatenlos hinzunehmen. Mitten im Untergang entschließt er sich, seinen eigenen Krieg zu führen.
Um ihn herum gruppiert Hans Hellmut Kirst eine unvergeßliche Fülle scharf-konturig gezeichneter Gestalten: Männer von sonderbarem Humor, sauf- und rauflustig; wütende oder eitle Spießer und berechnende Konjunkturritter; die Wandlungen des Pfarrers; das gewaltsame Ende des Dorfpropheten und die Macht des SA-Führers; die Eulenspiegeleien, die Abenteuer und der wachsende Widerstand Maternas und der Seinen - das alles, von starker Spannung und vitaler Präsenz, fügt sich zusammen zu dem Mikrokosmos dieses Dorfes »am Rande der Welt«, in dem sich symptomatisch Aufstieg und Sturz des Dritten Reiches spiegeln, Verführung, Enthumanisierung und Verheerung. Der wie ein Schelmenroman beginnende, vielfach aggressiv-komische, sich zunehmend verdüsternde große Roman enthält Szenen von beklemmender Schärfe und atemraubender Dynamik. Mit dramatischer Kraft und satirischer Verve hat der Ostpreuße Kirst sich sein Masurenbuch von der Seele geschrieben, ein Buch der Erinnerung, zugleich ein Buch voll Leidenschaft, Bitternis und Komik, das seinen Autor erneut als einen der mitreißendsten Erzähler der Gegenwart ausweist.
17 Jahre nach "Sie nannten ihn Galgenstrick" veröffentlichte Hans Hellmut Kirst den vorliegenden Roman. Deutlich weniger optimistisch, ja fast schon dystopisch, schildert er die Nazizeit exemplarisch am kleinen Kuhdorf Maulen, in dem zu Beginn alle besoffen sind von der "neuen Zeit". Alle? Nein, nicht alle. Ein gar nicht mal so kleiner Hof wehrt sich : Materna, Jablonski, Grienspan und andere.
Kirst stellt in "Die Wölfe" deutlicher als in den meisten anderen seiner Romane die Unmenschlichkeit und die Verrohung der Nazis dar. Dies führt er auch darauf zurück, daß ungebildete Proleten in solchen Zeiten in Positionen aufsteigen, für die sie weder die Fähigkeiten noch die sozialen Kompetenzen haben. Beispielhaft schildert er dies an Eugen Eis, einem skrupellosen Möchtegern-Führer, an "Bubi" Kusche und Ernst Schlaguweit, primitive Schläger, die um die Führung der SA kämpfen, an Neuber, dem pädophilen Nazi-Theoretiker und an vielen anderen Haupt- und Nebenfiguren. Sehr schön macht er deutlich, daß in seinem Roman die Nazis durch die Bank weg mindestens ungebildet, wenn nicht sogar primitiv sind und die Intelligenz sich auf der Seite der Antifaschisten bewegt. Das ist vielleicht etwas kurz gesprungen, kann man aber im Mittel durchaus so stehen lassen.
Man merkt, daß Kirst seine letzten Illusionen über die Nazis verloren hat. Dazu dürfte sein Streit mit Franz-Josef Strauß, der Kirsts Romane so gar nicht mochte (warum nur?) nicht unwesentlich beigetragen haben. Aber auch sonst lässt er an den Nazis, insbesondere denjenigen, die die Partei zur persönlichen Bereicherung nutzten, kein gutes Haar. Damit bezieht er auch wesentlich deutlicher Stellung als im "Galgenstrick" und stellt sich vehement gegen die damals beginnende Verklärung der Rolle der Wehrmmacht im III. Reich.
Auch sonst könnte man noch viel über das Buch schreiben, aber das nimmt der Klappentext mir an dieser Stelle ab. Denn der ist tatsächlich gut und gibt die Stimmung des Buchs präzise wieder. Für mich ist "Die Wölfe" eines der Bücher, das man gelesen haben sollte.
Links
Lexikon der deutschen Krimi-Autoren : Hans Hellmut Kirst
Website
Nachruf in der New York Times
ZEIT-Artikel
Berlin, 10.08.2018
AntwortenLöschenDer tragische typisch deutsche Fall:
KLAUS GALINSKI- geboren in Osterode 1944 und gestorben 1974...
Dreizig Jahre und das Ende...
Wer kennt seine Geschichte? Wie ist er ums Leben gekommen?
Name der Tochter - geboren 1970 in Esterode - Ewa Ewelina Galinski.
Wer kennt die Geschichte der Mutter von Ewa Ewelina und Klaus Galinski?
Die Mutter ist nach dem Tod von Klaus nach Stettin gezogen,
sie trug danach den Namen: Krystyna Kobylarz und hat dort zum zweiten mal geheiratet.
Der Name ihrer zweiten Tochter: Malgorzata - heute verheiratet und wohnhaft in Stettin.
Wer kennt die familiären Verbindungen von Klaus Galinski zu Heinz Galinski (ZdJ Berlin)
und zu Evelyne Hecht-Galinski? Welche Geheimnisse verbirgen sich hinter dieser Tragödie?
Bitte schicken Sie alle Hinweise und Informationen an: nszwin@gmail.com
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Wir lassen unsere Helden nicht vergessen ...