Samstag, 11. Februar 2012
Kim Harrison : Die Rachel-Morgan-Story (II)
Bluteid (Black Magic Sanction)
Heyne 10/2010 (Originalausgabe 02/2010)
ISBN 978-3453527508, 730 Seiten
Blutdämon (Pale Demon)
Heyne 07/2011 (Originalausgabe 02/2011)
ISBN 978-3453528482, 720 Seiten
Aus dem Amerikanischem von Vanessa Lamatsch
Rachel Morgan steht wegen ihrer dämonischen Abstammung und der bei ihr damit eingehenden Fähigkeiten, Dämonen-Magie zu wirken unter Beschuß durch die Hexenzirkel-Führer. Zusammen mit ihren Freunden und dem Elf Trenton Kalamack kann sie sich mühsam gegen die Verbannung durchsetzen und ist am Ende unabhängig.
Nach den Geschehnissen der ersten Bände dreht Kim Harrison hier nochmals auf. Könnte man die Rachel-Morgan-Romane bis hierhin noch als nette, aber einfach gestrickte Young-Adult-Fantasy abtun (was mir übrigens fernliegt, ich fand die ersten Romane schon recht tiefgründig), so ist ab diesen Bänden damit endgültig Schluß. Sie sind an Erwachsene gerichtet, behandeln durchaus schwerwiegende Probleme und stellen eine erfrischend nicht-simple Weltsicht dar.
Da ist zunächst Jenks, der Pixie. Seine Lebenserwartung von maximal 20 Jahren wurde verdoppelt, als er in einem der Vorgängerbände von Rachel Morgan auf Menschengröße vergrößert wurde. Seine Frau Matalina jedoch blieb klein, lehnte eine Vorzugsbehandlung ab und stirbt am Ende ihrer Lebenszeit an Altersschwäche. Mehrfach wird in diesen beiden Bänden gezeigt, wie Jenks mit diesem Verlust umgeht, wie seine tiefe Trauer zwar vorhanden ist, aber ihn nicht paralysiert und lebensunfähig macht. Es wird auch deutlich, daß das Gefühl eines solchen Verlustes ihn sein ganzes Leben begleiten wird, ohne dabei seine Handlungen und Empfindungen vollständig zu dominieren. Ein deutliches Statement der Autorin, wie im realen Leben mit einem solchem schwerwiegendem Verlust umgegangen werden sollte.
Die Hexen stammen von den Dämonen ab. Dies hatte Rachel Morgan bereits früher entdeckt und für sich behalten. Denn würde die Menschheit dies herausfinden, würden alle Hexen weltweit ausgegrenzt und verfolgt werden. Weil ihrer und Trents Vater an ihr im Kindesalter Genmanipulationen vorgenommen haben, hat Rachel Morgan überhaupt überlebt und ist jetzt in der Lage, Dämonenmagie zu wirken. Von den Führern der Weißen Hexen wird sie daher aus ganz unterschiedlichen Gründen verfolgt : Die Einen wollen Rachels Fähigkeiten aus eigennützigen Motiven ausnutzen, die Anderen sehen in ihr eine Bedrohung für eine friedliche Koexistenz der Rassen miteinander. Sehr schön stellt Kim Harrison an dieser Situation heraus, daß nur Taten bestimmen, ob ein Mensch (oder ein sonstiges Wesen) gut oder böse ist. Und eben nicht Herkunft, Ausbildung oder sonstige soziale Vorurteile. An dieser Stelle wendet sich Kim Harrison ganz klar gegen die rigide Klassengesellschaft, die sich in den Staaten, aber auch weltweit, immer stärker in den einzelnen sozialen Strukturen zementiert. Rachel Morgan ist sozusagen das Ideal einer freiheitlichen Gesellschaft, wie sie der Autorin vorschwebt.
Bei der Schwere dieser beiden Themen mutet es fast schon unwichtig an, daß in diesen Bänden der erste Schritt zu einer Völkerverständigung zwischen Pixies und Fairies gemacht wird. Nach einem Fairie-Überfall bleibt eine der Fairies als Gefangene in Rachels Gewahrsam und schützt Jenks Kinder, als Rachel, Ivy und Jenks sich gegenüber dem Weißen Hexenzirkel verantworten müssen. Aber dieses Thema wird noch nicht allzu weit ausgeführt, ich bin einmal gespannt auf die nächsten Bände.
Bei all diesen tiefgründigen Themen kommen aber weder der Sense of Wonder noch der Humor zu kurz. Wenn herauskommt, daß die Queste von Trenton, dem Elf, tatsächlich im Raub eines (seines) Kindes besteht, so wird nicht nur mit alten Vorurteilen kokettiert, sondern das Ganze auch mit ziemlich trockenem Humor zum Leser transportiert. Der Beweis im Jenseits, daß Rachel tatsächlich eine Dämonin ist, besteht in der Erschaffung einer neuen Peudo-Wirklichkeit. An diesen Passagen scheint Kim Harrison am Längsten gefeilt zu haben, denn die detaillierte Schilderung des Aufbaus dieser Nicht-Realität und der die nach erfolgreichem "Installieren" gezeigten Reaktion der Dämonen ist purer SoW. Dagegen verblassen die phantastischen Ereignisse des Roadmovie-Teils (Rachel muß von Cincinatti nach San Francisco fahren, um sich dort vor dem Hexenzirkel zu verantworten) fast, obwohl gerade dieser Teil liebevoll und detailliert geschilderte reine Fantasy um der Fantasy Willen darstellt.
Ich kann allerdings diese beiden Romane nicht uneingeschränkt jedem Fantasy-Leser empfehlen. Wer sie lesen will, sollte vorher alle (!) Vorgänger-Geschichten um Rachel Morgan, Ivy und Jenks gelesen haben. Denn diese beiden Romane bauen sehr stark auf den vorangegangenen Ereignissen auf. Oft sind es Kleinigkeiten, nebensächliche Dinge, die irgendwann vorher am Rand oder nur nebulös erwähnt wurden und hier plötzlich einen relevanten Part darstellen. Diesbezüglich fühlte ich mich etwas an "Babylon 5" erinnert, wo ja auch bereits ab der ersten Folge wichtige Hinweise in Nebensächlichkeiten und Randbemerkungen versteckt waren. Es würde mich einmal interessieren, ob die Autorin hier ebenfalls einen übergreifenden Masterplan hat.
Uns aber, die die Geschichten um Rachel Morgan bereits früher genossen haben, steht mit diesen beiden Bänden ein ungehindertes Lesevergnügen bereit. Zusätzlich dazu löst sich Kim Harrison hier vollständig von dem Vampirschlampen-Image und präsentiert erwachsene Fantasy für erwachsene Leser. Ich bin einmal gespannt, ob die Autorin dieses Niveau in den nächsten Bänden weiter durchhält und wohin sich die Serie im Endeffekt entwickeln wird. Von daher kann ich jedem nur zum Lesen zuraten – aber bitte vom Anfang an.
"And so it begins."
Links
Kim Harrison : Die Rachel-Morgan-Story (I)
Leseprobe Bluteid
Leseprobe Blutdämon
Übersicht "Rachel Morgan" bei Heyne
Website Kim Harrison
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