Mittwoch, 2. März 2016

Dirk van den Boom : Meran



Dirk van den Boom : Meran
Atlantis 2015
Originalausgabe
Hardcover mit Lesebändchen, ca. 240 Seiten, 14,90 €
auch als Paperback und eBook erhältlich
Titelbild : Tony Andreas Rudolph


Casimir Daxxel bekommt Post: Seine alte meranische Flamme ist eine Dame in höchster Not, ihr droht eine Verurteilung für eine Tat, die sie nicht beging. Zusammen mit Josefine Zant begibt sich der junge Diplomat in die Höhle des Löwen, die Hauptwelt des Meranischen Kalifats. Dort muss er feststellen, dass er in einen Sumpf aus politischen Intrigen, Verschwörungen und Konflikten hineingeraten ist. Seine Klugheit, seine Tapferkeit, seine Leidenschaft - und Josefine Zant werden auf eine harte Probe gestellt.
Klappentext

Ein Fall von "Klappentext verrät nur die Hälfte".
Der Roman beginnt so typisch Boomscht, Daxxel und Josefine haben einen kriminellen Botschafter gestellt, was in eine wilde Action-Szene ausartet. Doch bereits der Beginn des zweiten Kapitels macht deutlich, worauf der Roman hinauswill :


In diesem leicht, locker-flockigem Stil geht es den Rest des Romans weiter, wobei Dirk van den Boom zwar auch auf eine Handlung schildert, sein Hauptaugenmerk jedoch auf der Kritik aktueller Politik liegt. Anhand der ultrakonservativen Gesellschaft des Kalifats stellt der Autor klar und deutlich die Nachteile und das Hinterwäldlertum konservativen Denkens dar. Dabei stellt er sich weder gegen den Islam noch die AfD noch die CSU oder sonst irgendeinen konservativ und patriarchalisch denkenden Bereich der heutigen deutschen Gesellschaft, sondern schildert ganz objektiv die Behinderung konservativen Denkens. Exemplarisch (und vordergründig) stellt er das anhand der Stellung der Frau dar, die im patriacharlisch strukturiertem Kalifat mehr oder minder rechtlos ist. Durch Daxxel und von Zant, die Impulse von Außerhalb, kann Dirk van den Boom sehr schön einzelne Facetten seiner Fiktion - die ja durchaus Entsprechungen in der heutigen Realität hat - genauer beleuchten.

Dabei macht der Autor, seines Zeichens Politikwissenschaftler im RL, nicht den Fehler, eine Seite zu glorifizieren. Wie man ja auch an dem obigem Ausschnitt sieht, der die Politik der Akte, des Gegenparts der Meraner, beschreibt. Stattdessen kriegt jede Seite sozusagen ihr Fett weg, das gesamte Buch strotzt nur so von sarkastischen Anmerkungen gegenüber den politischen Extremen beider Seiten. Dirk van den Boom setzt dabei ganz klar auf den "Wandel durch Handel", den er für die Gesellschaft des Kalifats nutzt, um interne politische Änderungen und progressive Tendenzen zu erklären und darzustellen.

Insgesamt ein hochpolitisches Buch, das anregt, ohne zu verdammen. Dirk van den Boom gelingt es, die Ausländerthematik des heutigen Deutschlands in der Beziehung von Daxxel und LedaNahir deutlich darzustellen und Kritik an einer solchen Ehe zwischen (tatsächlich) verschiedenen Rassen rein aufgrund des Szenarios und des Stils implizit als lächerlich abzuqualifizieren. Rundum gelungen, der Roman wird auf jeden Fall von mir für den DSFP nominiert werden.

Man darf jetzt aber nicht dem Irrglauben verfallen, wir hätten hier ein schwergängiges Werk vorliegen. Dirk van den Boom verpackt seine Ideen in eine hochgradig amüsante Geschichte, die sich locker und leicht wegliest und durch die ironischen Seitenhiebe nach allen Seiten ["Die haben eine tolle Bar auf der ALFRED KRUSE. Das Schiff hat einen Ruf. Die Servicekräfte sollen alle einen an der Waffel haben." - Ich hab' das wohl verstanden, Dirk. Ich revanchier' mich bei Gelegenheit. ;-) (Und bei dieser Gelegenheit noch einen schönen Gruß von meiner Frau, der Ersten Servicekraft...) ] zu einem echten Lesevergnügen wird. Einer der Romane, die man nicht aus der Hand legen kann, bis man ihn durchgelesen hat.

Jeder der Romane um Casimir Daxxel und Josefine van Zant ist qualitativ deutlich hochwertiger als die Kaiserkrieger oder die Tentakel-Geschichten. Hier zeigt der Autor seine tatsächliche Klasse und outet sich durchaus als scharfsinniger Politwissenschaftler, der seine Ideen auch strukturiert in SF-Szenarien darstellen kann. Bereits bei Eobal habe ich Parallelen zu Dominic Flandry und James Retief gezogen, "Meran" zeigt einmal mehr, wie passend diese Vergleiche sind. Die Daxxel-Geschichten sind tiefgründige Romane und werden auch in zwanzig, dreißig, vierzig Jahren noch gelesen werden. Ebenso wie die Tulivar-Romane, die eine ähnliche Klasse aufweisen, aber in der Fantasy angesiedelt sind. Um so bedauerlicher ist es, daß weder die Daxxel- noch die Tulivar-Romane die Auflage haben, die ihnen gebührt. Sind sie zu komplex für den einfachen SF-Fan von heute, ist alles, was über "Aliens, Raumschiffe und Titten" hinausgeht, für die Moderne zu anspruchsvoll ?

Casimir Daxxel
01 - Eobal (2011)
02 - Habitat C (2014)
03 - Meran (2015)

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