Samstag, 6. Dezember 2014

TERRA SF 115 - E. C. Tubb : Die zweite Macht


Charles Grey (= E. C. Tubb) : Die zweite Macht (Enterprise 2115)
Terra SF 115, 29.04.1960
gekürzter Nachdruck des gleichnamigen Leihbuchs von 1958
Originalausgabe 1954
Aus dem Englischen von Botho Rainer Doddenhof
Titelbild : Karl Stephan


Sie waren zwei. Rosslyn, der Pilot, und Comain, der Träumer. Rosslyn starb im Weltenraum. Erst zwei Jahrhunderte später fand man seinen erfrorenen und von der Kälte konservierten Körper und erweckte ihn durch ein Wunder der zukünftigen Wissenschaft wieder zum Leben. Comain ... ? Comain blieb auf der Erde und verwirklichte seine Träume. Als Rosslyn zurückkehrte, fand er eine Zivilisation vor, die seine kühnsten Vorstellungen übertraf. Der Planet wurde von Frauen regiert, die sich bedingungslos von den automatischen und unbarmherzigen Voraussagungen einer riesigen und erschreckenden Maschine leiten ließen; einer Maschine, die die Zukunft voraussagte, und die Handlungsweise einer ganzen Welt im voraus bestimmte.

In diese neue und in sich gefestigte Zivilisation kam Rosslyn, dessen Gegenwart diese Welt an den Rand des Chaos brachte. Er mußte assimiliert und eliminiert werden. Aber Rosslyn wollte keines von beiden. Er wurde zur Hauptperson in einem globalen Spiel, dessen Preis die Macht, und dessen Einsatz die Zukunft der Menschheit war. Wie Rosslyn, in ständigem Kampf diese fremden Lebensbedingungen zu ergründen, seine Probleme löst, wie er sich in diese neue fanatische Welt einordnet, und wie er die erschütternde Wahrheit entdeckt, indem er das fürchterliche Geheimnis der Maschine erfährt, wird in diesem eigenartigen und von der ersten bis zur letzten Seite spannenden Roman erzählt. Ein Roman des menschlichen Ehrgeizes wider ein kaltes, rechnendes, unmenschliches, unbestechliches ... aber nicht unfehlbares Monster.
Klappentext des HÖNNE-Leihbuchs

Vorweg : Der Name des Autors auf dem Cover ist falsch geschrieben, "Grey" war Tubbs Pseudonym, nicht "Gray". Dieser Roman ist hier, 1960, das letzte Mal auf Deutsch erschienen. Was ein echtes Manko ist. Neben der klassischen Buck-Rogers-Story über einen im All hibernierenden Astronauten und dem ebenso klassischem Topos einer weltumspannenden Computer-Gesellschaft finden sich hier einige Topoi, die mich eher an die 70er und 90er erinnern, denn an die 50er.

Zunächst einmal die matriarchalische Gesellschaft, die Tubb als Zivilisation des Jahres 2115 präsentiert. Er stellt den Übergang von einer männerdominierten Gesellschaft zum jetzigen Zeitpunkt als soziologisch-demographisch zwangsläufige Entwicklung nach einem Atomkrieg dar und vermeidet jegliche Gender-Propaganda. Auch beschriebt er diese frauendominierte Gesellschaft als nicht anders als das damalig realexistierende Patriarchat, was mich persönlich doch etwas stutzig macht. Frauen denken anders als Männer, Tubb war das weder bewusst noch stellt er dies in seiner Geschichte dar. Auch die Dominanz der (männlichen) Rebellen und das Sie-reiten-in-den-Sonnenuntergang-Ende hat mir persönlich nur eingeschränkt gefallen. Aber es sollte ja auch noch 35 Jahre dauern, bis die Emanzipation sich in den SF/F-Geschichten wirklich durchgesetzt hat. Der Roman ist also diesbezüglich seiner Zeit vielleicht etwas voraus, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück.

Die zweite Sache, die ich bemerkenswert finde, ist die These, daß sich alles auf der Erde exakt voraussagen lässt, wenn man alle Einflussmöglichkeiten kennt. Dies ist sozusagen die Newtonsche Prä-Quantenmechanik-Sicht, die beispielsweise Heinlein mit seinen spieltheoretischen Anmerkungen konterkariert. Rosslyn als nicht im System enthaltener Störfaktor erzeugt falsche Berechnungen des Großcomputers und stellt somit eine der wenigen logischen Begründungen für die Errichtung einer Big-Brother-Diktatur dar.

Was mich aber am stärksten überrascht hat ist die Beschreibung des Hochladens eines menschlichen Geistes in einen Computer. Tubb beschreibt hier einen SF-Topos, der meines Wissens erst Jahrzehnte später im Cyberpunk wieder aufleben sollte. Beziehungsweise meiner Kenntnis nach dort neu erfunden wurde. Comain, der Mensch, entwickelte einen Computer, in den er seinen Geist hochlud - und dieser Computer wird ebenfalls als "Comain" bezeichnet. Meines Wissens ist das die früheste Darstellung einer solchen Computer-Mensch-Symbiose oder gibt es noch ältere ?

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