Samstag, 13. August 2016

Hans Hellmut Kirst : Wir nannten ihn Galgenstrick



Hans Hellmut Kirst : Wir nannten ihn Galgenstrick
HEYNE 5287
4. Auflage, 1978
Originalausgabe Desch 1950


Oberleutnant Strick, von der Ostfront gekommen, erlebt in der Etappe den Sumpf der Korruption, eine Atmosphäre, gemischt aus Habgier, Genußsucht, politischem Fanatismus und verkappten Widerstand. Der Leser findet in den handelnden Personen die unverwechselbaren Kirst-Typen wieder - vor allem den Obergefreiten Vogel, auch Vorläufer des Gefreiten Asch aus 08/15. Vogel versteht es, auch tragische Situationen komisch zu überspielen. Seinen Höhepunkt erreicht das Buch beim Geschehen um den 20. Juli 1944.
Klappentext

Wenn ich die ganze Woche über im Hotel bin, habe ich meistens am Wochenende genug zu tun, meine SF-Blogeinträge auf die Reihe zu bekommen. Andere Romane, die ich auch noch lese, bleiben da vielfach außen vor. Aber jetzt habe ich Urlaub, die zweite Woche, und bin ganz entspannt. Trotz des frühen Herbstes, den ich mit meinen Briefmarken kompensiere, aber das ist ein anderes Thema.

Hans Hellmut Kirst lese ich schon seit Jahrzehnten, alle Romane stehen bei mir im Regal (sofern ich sie nicht verliehen und nie wiederbekommen habe *grummel*). Und immer mal wieder zwischendurch greife ich mir einen da raus und schmöker ihn durch. Ist immer wieder angenehm, obwohl es nur in den seltensten Fällen gut ausgeht. Was es ja auch in der Nazizeit nie (oder nur in den seltensten Fällen) gemacht hat. So auch dieser nicht, nicht wirklich. Zwar bleiben Strick und Vogel in Freiheit, doch die Schatten des mißlungenen Staatssttreichs und die der unabwendbaren militärischen Niederlage liegen schon auf ihrem weiteren Lebensweg, der kurz und nicht angenehm sein dürfte.

Aber soweit ist man ja noch nicht, wenn man das Buch aufschlägt. Zunächst wird da Oberstleutnant Strick vorgestellt, ein Frontkämpfer, der in die Etappe versetzt wird. Und dort als allererstes der Korruption des Bahnhofskommandanten ein Ende macht, der an der Ostfront Kisten mit Fressalien statt Verwundete hat laden lassen. Das macht Strick für den neuen SS-Offizier Keßler interessant, der die NS-Gesinnung im Kreis durchsetzen will. Und so wird Strick zum NSFO, zum Nationalsozialistischen Führungsoffizier. In dieser Position geht er weiter gegen die Korruption an, bis er sich in die Verschwörung des 20. Juli verwickeln lässt und deshalb arretiert wird.

Hans Hellmut Kirst schildert hier etwas, daß die heutige Linke absurd finden dürfte : Den ehrenhaften Nazi. Den Soldaten, der keinen unmittelbaren Anteil an den Greueln der Shoah hatte, der versuchte, ehrenhaft und ohne Kriegsverbrechen in irgendeiner Art und Weise zu begehen den II. Weltkrieg zu überleben. Daß sich auch ein Oberleutnant Strick schuldig gemacht hatte, war zur Entstehungszeit des Romans noch nicht wirklich klar. Kirst ist das erst später bewusst geworden, man erkennt an seinen Romanen deutlich unterschiedlichste Schaffens- und Überzeugungsperioden. Dies ist sein erster Roman, aus einer Zeit, als er den Nazi-Faschismus zwar ablehnte, aber sich nicht von seinen einzelnen Elementen distanzierte.

Diese Naivität macht den Roman nicht schlechter, denn im Gegensatz zu dem ehrenwertem Oberleutnant Strick und dem Widerstandskämpfer Vogel stehen die Nazis, die aus Krieg und Unterdrückung Andersdenkender profitieren, korrupte Glieder in einer Kette von höheren Offizieren. Denn das "cui bono" wird in Kirsts Romanen besonders deutlich. Wem nutzt der Krieg, die Shoah, das Chaos und haben diese Leute überhaupt eine irgendwie geartete Gesinnung ? In Kirsts Romanen existieren da zwei Typen, Paradebeispiele für Nazis. Die einen glauben felsenfest an die Bewegung, lassen keinen anderen Gedanken zu und haben keine Probleme damit, Andersdenkende zu eliminieren, ggf. auch persönlich. Die anderen interessiert nur ihre eigene Bequemlichkeit, ihr persönlicher Luxus, ihr eigener Besitz. Dafür gehen sie auch gerne über Leichen, solange sie sie nicht selbst riechen müssen. Man merkt dem Roman an, daß Kirst die erste Gruppe zwar ablehnt, aber noch verstehen kann, die zweite ihn aber einfach nur anekelt. Kann ich nachvollziehen, wenngleich ich doch etwas anderer Meinung bin als der Autor. Aber ich bin ja auch ein paar Jahrzehnte jünger, die Gnade der späten Geburt eben.

Insgesamt ein angenehmer Roman, in dem die Gesinnungsschweine ihr Fett weg bekommen. Macht von daher Spaß, ihn zwischendurch wieder einmal zu lesen. Wenngleich es nicht Kirsts bester Roman ist und die Ideologie doch insgesamt etwas fragwürdig, da gibt es andere Romane von ihm, die das Problem viel besser und viel deutlicher auf den Punkt bringen.

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