Samstag, 6. August 2016

Exodus 34



René Moreau, Heinz Wipperfürth & Olaf Kemmler : Exodus 34
Hochglanz-Magazin
Eigenverlag
Erscheinungsdatum : 26.04.2016
112 Seiten, 12,90 €
ISSN 1860-675X

Inhalt

Stories
Dirk Alt: »Die Stadt der XY«
Victor Boden: »Vielleicht ein andermal«
Andreas Eschbach: »Acapulco! Acapulco!«
Tino Falke: »#WeAreMedusa«
Thomas Franke: »Der Plan«
Frank W. Haubold: »Feenland«
Rolf Krohn: »Der Asteroid«
Hans Jürgen Kugler: »Alles zu seiner Zeit«
Jacqueline Montemurri: »humanoid experiment«
Michael Gernot Sumper: »Electronica«
Wolf Welling: »Löwenmenschen«

Graphik
Lothar Powitz: »Markus Vogt: Impressionen zwischen Licht und Schatten«
Werke des Künstlers Markus Vogt auf 20 Farbseiten

Comic und Karikaturen
Kostas Koufogiorgos & Olaf Kemmler


EXODUS 34 habe ich schon eine ganze Zeitlang hier liegen. Immer in kleinen Häppchen gelesen hat es doch recht lange gedauert, bis ich damit durch war. Hier nun meine Eindrücke der einzelnen Kurzgeschichten :

Tino Falke : #WeAreMedusa
Eine Projektion klassischer griechischer Sagen in die Neuzeit. Tino Falke macht sich gekonnt über Schwachsinns-Hashtags, Selfies und die diesem Unsinn folgende Internet-Gemeinde lustig. Eine sehr elegante Kritik an dem Gruppenverhalten der Moderne.

Hans Jürgen Kugler : Alles zu seiner Zeit
Ein Mann wacht eines Morgens auf und ist relativ zur Umwelt extrem beschleunigt. Das vergeht wieder. Die Story gottseidank auch, denn obwohl stilistisch in Ordnung, ist der Plot doch todlangweilig.

Wolf Welling : Löwenmenschen
Löwenmenschen leben parallel zur normalen menschlichen Gesellschaft in Reservaten. Es folgt das Übliche und auch die übliche Langeweile bei solchen Stories, die seit einem Vierteljahrhundert überholt sind.

Dirk Alt : Die Stadt der XY
Das übliche Neutronenbombenszenario mit den üblichen Skrupeln der Sieger und dem ebenfalls üblichen politisch korrektem Kontext. Das war schon vor 50 Jahren überholt, ob man das heutzutage noch in dieser Trivialform bringen muß, bezweifle ich doch stark.

Rolf Krohn : Der Asteroid
Bei einer Asteroiden-Mission stellen die irdischen Raumfahrer fest, daß auf den Asteroiden Beobachtungsstationen Außerirdischer existieren. Diese scheinen aber nix mit den Menschen zu tun haben zu wollen...
Ganz nett, aber keine Kurzgeschichte, sondern ein Romananfang.

Jacqueline Montemurri : humanoid experiment
Rob und Eva erkunden als erste Menschen den Asteroidengürtel. Bei einem Unfall wird Rob verletzt und Eva erkennt, daß sie beide Androiden sind. Darauf schaltet sie sich ab.
Auch diese Geschichte habe ich in dieser oder ähnlicher Form schon vor mehr als einem halben Jahrhundert gelesen. Wann ist ein Mensch ein Mensch und was passiert, wenn ein scheinbarer Mensch feststellt, gar keiner zu sein ? Wie gesagt, nix Neues, diese Diskussion gab es schon in den 50ern. Das tut aber dem Genuß keinen Abbruch, die Story ist vielleicht nicht innovativ, liest sich aber nett runter.

Michael Gernot Sumper : Electronica
Eine Parabel über Selbstständigkeit und Egoismus. Wie man sie eben so kennt, wie Parabeln des politisch korrekten Typs eben sind. Nicht schlecht geschrieben, aber doch eine recht simple Aussage.

Victor Boden : Vielleicht ein andermal
Sehr dynamisch erzählt Victor Boden von Änderungen der Vergangenheit durch Wissenschaftler, die ihren Widerhall in der Gegenwart finden. Nett geschrieben, die gleiche Geschichte habe ich aber schon vor einem halben Jahrhundert von Arthur C. Clarke gelesen. Das tut allerdings dem Lesevergnügen keinen Abbruch.

Thomas Franke : Der Plan
Steinwälzer und Erbsenzähler unterhalten sich über den (politisch korrekten) Tod der Menschheit.
Nett. Sehr zynisch, aber nett. Vielleicht etwas platt, trifft aber genau meinen Humor (was mehr über mich als den Autor aussagt).

Andreas Eschbach : Acapulco ! Acapulco !
Die Menschheit besteht aus Unsterblichen, die ein Leben in Müßiggang und Luxus, bedient von Robotern, erleben. Da geschieht ein Unfall...
Schreiben kann er, der Eschbach. [Was kommt eigentlich dieses Jahr für ein Roman von ihm raus ?] Die Story ist zwar nach dem ersten Viertel offensichtlich, doch trotzdem kann man die gesamte Geschichte mit Genuß lesen.
Auch dieser Plot ist nicht neu, siehe "With Folded Hands": Allerdings fühlte ich mich vom Stimmungsbild und dem Szenario her eher an R. Daneel Olivar erinnert, insbesondere an "The Naked Sun". Von daher : Nichts Neues, aber ebenso wie die Asimovschen Robotgeschichten ein Dauerbrenner, den man immer wieder lesen kann.

Frank Haubold : Feenland
Tststs. Ich Schlamper habe doch glatt eine der besten Geschichten des Magazins in der ersten Version dieses Artikels vergessen. Das liegt daran, daß Andreas Eschbachs Geschichte so lang war und ich diese Rezension auf der Fahrt von Frankfurt nach Hamburg geschrieben habe.
Frank Haubold beschäftigt sich mit den Manipulationen der Mächtigen und nimmt hier eine fast schon extrem zu nennende linke Position ein. Jason befreit Ivory aus einem Klonlabor, alle Hinweise deuten auf Rayad Kazar. Und so legt er auch diesen um, zusammen mit den Minenarbeitern seiner Firmengruppe. Doch alles war nur ein Komplott, um mißliebige Konkurrenten, die tatsächlich freiheitliche Werte verteidigten, auszuschalten.
Auch dies nix Neues, der Plot hinter dem Offensichtlichen ist eine mehr als einmal ausgeschlachtete Idee in der SF. Doch Frank Haubold will hier gar nicht die SF neu erfinden, sondern erzählt in bitterer Art und Weise, wie Menschen von Interessengruppen manipuliert werden. Dabei bewegt er sich stilistisch auf den klassischen Bogart, also Hammett und Chandler, zu, inhaltlich erinnert das stark an die 70er, als man das erste Mal diesen Manipulation auf die Spur kam.

Zu den Bildern und der Graphik-Galerie sag' ich nix, da sollten sich Berufenere zu äußern, ich bin da eher der Banause. Diesmal allerdings muß ich was zu den Comics sagen, da komme ich nicht drum herum. Olaf Kemmler hat hier ein paar einfach gezeichnete Glossen zum neuen Star Wars-Film hingelegt. Ich habe mich darüber köstlich amüsiert, sie treffen exakt den Kern der Sache. Gerne wieder !

EXODUS ist also wie üblich lesenswert, diesmal aber sehr retrospektiv. Bei vielen Stories hatte ich den Eindruck, ein Remake von SF-Geschichten der 50er zu lesen. Mit teilweise identischem (Boden), teilweise leicht variiertem (Montemurri, Eschbach, Haubold) Plot lesen sich die Geschichten, als wären sie aus dem Golden Age. Und das ist der eigentliche Punkt : Diese Remakes klassischer Topoi sind einfach gut. Bei Andreas Eschbach ist das nicht unbedingt ein Wunder, wenngleich ich doch schon fasziniert war, wie elegant er das Roboterthema behandelt. Auch bei Frank Haubold war ich nicht sehr verwundert, er ist einer der großen zeitgenössischen Stilisten. Aber bei Jacqueline Montemurri und Victor Boden war ich schon überrascht, wie gut sich die Stories trotz der mir mehr als bekannten Geschichte lasen. Bemerkenswert ! Und : Gerne wieder ! :-)

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