Dienstag, 24. Januar 2017

James Corey : Nemesis-Spiele



James Corey : Nemesis-Spiele (Nemesis Games)
The Expanse 05
HEYNE 2016
Deutsche Erstausgabe
Originalausgabe Orbit 2015
Paperback, 608 Seiten, 14,99 €
Titelbild : Daniel Dociu
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski


Die Zukunft: Die Menschheit hat das Sonnensystem besiedelt. Nachdem sich durch Alien-Technologie ein interstellares Portal geöffnet hat, stehen die Machtverhältnisse jedoch Kopf: Die Raummarine vom Mars verliert an Bedeutung, die Bewohner des Asteroidengürtels lehnen sich gegen die Konzerne und Regierungen der inneren Planeten auf – und dann verwandelt eine Serie von verheerenden Terroranschlägen die Erde in ein rauchendes Trümmerfeld.

Das Portal hat den Weg zu Tausenden von unbewohnten Welten geöffnet. Ein wahrer Massenexodus beginnt, und ein Kolonistenschiff nach dem anderen bricht auf, um diese Planeten zu besiedeln. Damit verlieren die bisherigen Machtpole im Sonnensystem stark an Einfluss – die Erde ist nicht länger der einzige Planet mit bewohnbarer Oberfläche, die Marsbewohner fliehen in Scharen, während dessen Raummarine sich mehr oder weniger in Auflösung befindet, und die Bergarbeiter und Siedler im äußeren Asteroidengürtel befürchten nun, die Grundlage ihrer Existenz zu verlieren: den Abbau wichtiger Rohstoffe für die Konzerne des Sonnensystems.

Schon sind die ersten Transporte von den neuen Welten unterwegs zurück zur Erde, randvoll mit Gütern, die in der Schwerkraftumgebung der Planeten besser und billiger abgebaut werden können. Kaum ist die Rosinante mit Kapitän James Holden und seiner Crew zurück von Ilus, der ersten neubesiedelten Welt, werden sie auch schon mitten in den Konflikt hineingeworfen.

Doch dann wird die Erde das Opfer des grausigsten Terroranschlags in der Geschichte der Menschheit. Millionen Menschen sterben, und nichts im Sonnensystem wird jemals wieder so sein, wie es war. Was Holden jedoch nicht ahnt: ein Mitglied seiner Crew hat eine ganz besondere, persönliche Verbindung zu den Urhebern der Katastrophe, und diese Verbindung erweist sich als tödliche Falle ...
Klappentext

Ein Jahr nach dem Angriff auf Callisto, fast drei Jahre nach dem Aufbruch mit seiner Crew nach Ilus und etwa sechs Tage nach ihrer Rückkehr schwebte James Holden neben seinem Schiff und sah dem Abbruchteam dabei zu, wie es die Rosinante zerlegte. Acht straff gespannte Kabel verankerten das Schiff an den Wänden des Liegeplatzes. Es war nur einer unter vielen im Reparaturdock der Tycho-Station, und diese Abteilung war nur eine unter vielen in derriesigen Konstruktionsanlage. In der kilometergroßen Kugel waren gleichzeitig noch tausend andere Projekte im Gange, aber Holden hatte nur Augen für sein Schiff.
Leseprobe

And so it begins...

Und weil die "Rosinante" eben schwer repariert werden muß, trennen sich die Besatzungsmitglieder und machen eine Art Urlaub - irgendwie. Der harmloseste ist dabei Kamal, der erstens merkt, daß es kein Zurück in seine vergangenen Beziehungen gibt und zweitens Bobby Draper als neues Mannschaftsmitglied anheuert. Der Zweitharmloseste ist Amos, der auf der Erde nach einer alten Freundin sieht, einen alten Kumpel wiedertrifft (hey, diejenigen, die das Buch schon gelesen haben, halten sich jetzt zurück) und Peaches als neues Mannschaftsmitglied aufreisst. Ääääh, Peaches !!! Also Clarissa "Claire" Melpomene Mao, die vor Kurzem die "Rosinante" inklusive Besatzung in ihre subatomaren Bestandteile zerlegen wollte. Und, wie gesagt, das beides sind die harmlosesten Handlungsstränge.

Denn dieser Roman ist ganz große Science Fiction, einer der besten der letzten Jahrzehnte. Die Autoren, Daniel Abraham and Ty Franck - alias James S. A. Corey - schreiben sich hier von einem Höhepunkt zum nächsten. Dabei geht es zwar auch, aber nicht nur um Action. Denn diese ist notwendig, aber nicht der eigentliche Grund für meine Faszination. Denn eigentlich geht es um die Ewiggestrigen, die neue Chancen nicht sehen und - notfalls auch mit Gewalt - ihren Status quo beibehalten wollen. Dies stellen die Autoren sehr gelungen anhand der Terroristen dar. Diese sind nicht nur Ewiggestrige, sondern auch geistig unzurechnungsfähig. Man kann ohne zu übertreiben sagen, daß diese Leute in einem anderen Universum als der Rest der Menschheit leben und denken. Das wird deutlich an der Interaktion von Naomi, die durch einen fingierten Hilferuf von Holden und der "Rosinante" weggelockt wird. Ihre Entführer sind ihr Sohn Filip und ihr Ex-Lover Marco, die sie bei sich haben wollten, damit Naomi den terroristischen Attacken dieser beiden Spinner Beifall spenden kann. Die Dialoge, die sich hier ergeben, zeigen deutlich und klar die Irrationalität solcher terroristischer Aktionen auf. Der Standpunkt, der hier ebenso klar und deutlich von den beiden Autoren bezogen wird, gefällt mir.

Aber auch das ist nicht der Punkt, der mir am Besten an diesem Band der Expanse-Serie gefallen hat. Am meisten begeistert hat mich die Darstellung des gereiften James Holden. Er muß einige Überraschungen wegstecken, einige "Kröten schlucken" und wird dabei mehr und mehr zu einem echten Helden. Im Roman machen die Autoren deutlich, wo die Grenze für jemanden wie James Holden sein muß, bevor er sich selbst verliert. Und so wird die Figur des James Holden mehr und mehr zum legitimen Nachfolger des Duke. Ja, James Holden ist John Wayne, in all seiner Ehrlichkeit, seiner Hingabe an das Gute, seinem Kampf für die Gerechtigkeit. James Holden repräsentiert die uramerikanischen Werte : Ethische, rechtliche, religiöse, politische, zivilisatorische und patriotische. Und dies im positivsten Sinn des 21. Jahrhunderts, nicht mit der Selbstjustiz-Attitüde des klassischen Westerns, sondern eher mit der modernen Stärkung der bürgerlichen Gesellschaft und dem Unterstützen legitimer gesellschaftlicher Strukturen. So werden die Terroristen eben nicht einfach so vom Himmel geblasen, sondern James Holden unterstützt den politischen Prozeß zwischen den Gürtlern, Mars und der Erde, indem er Fred Johnson zum politischen Gipfeltreffen befördert.

Das ist natürlich stark vereinfacht und meine ganz persönliche subjektive Sicht der Dinge. Viele Leute dürften (und werden) mir da widersprechen, auf Details hinweisen - und das große Ganze aus den Augen verlieren. Aber egal, es war mir ein Bedürfnis, diese meine Sicht der Dinge einmal explizit darzustellen. Für mich war dieser Roman der bisherige Höhepunkt der Expanse-Reihe und ich bin schon gespannt auf die Verfilmung. Um so mehr, als man am Anfang irritiert und dann auf eine falsche Fährte gelockt wird. Denn das dicke Ende kommt zum Schluß, als eigentlich alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Von daher : LESEN !

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