Sonntag, 9. September 2012

John Ringo : Invasion (I)





John Ringo : Invasion
Band 1 : DER AUFMARSCH · A Hymn Before Battle (2000)
Heyne 06/6461 (2003)
Band 2 : DER ANGRIFF · Gust Front (2001)
Heyne 06/6462 (2004)
Band 3 : DER GEGENSCHLAG · When the Devil Dances (2002)
Heyne 06/6463 (2004)
Band 4 : DIE RETTUNG · Hell's Faire (2003)
Heyne 06/6464 (2005)
Band 5 : HELDENTATEN · The Hero (2004)
Co-Autor : Michael Z. Williamson
Heyne 06/6488 (2005)
Band 6 : CALLYS KRIEG · Cally's War (2004)
Co-Autor: Julie Cochrane
Heyne 52119 (2005)

Aus dem Amerikanischen von Heinz Zwack


Die Posleen sind eine aggressive, expanionistische Spezies, die einen Planeten nach dem anderen erobern, sich über die Malthussche Grenze hinaus fortpflanzen und nach einer gegenseitigen Vernichtung nur leere Hüllen hinterlassen, wo vorher fruchtbare Planeten waren.

Die galaktische Förderation ist aufgrund ihres Unvermögens, Gewalt anzuwenden, hilflos gegenüber dieser Gefahr. Um die Posleen zu stoppen, benötigen sie die Hilfe der aggressiven Menschheit.

Als sich eine erste Invasionswelle der Posleen auf die Erde zubewegt, gibt man sich den Menschen zu erkennen und gewährt ihnen technische und logistische Unterstützung, um die Posleen auf der Erde und anderen Planeten der Förderation zu bekämpfen. Allerdings möchte man auch keine zu starke Menschheit. Die Fleisch fressenden Barbaren von der Erde sind nur Mittel zum Zweck und erhalten gerade so viel Hilfe, dass sie nur unter großen Verlusten die Posleen aufhalten und zurückdrängen können und zudem in Abhängigkeit von der Förderation gelangen.
(zitiert in Anlehnung an die excellente Übersicht auf Up64.de)

John Ringo ist ein zorniger Ex-Soldat.

In den Cop-Filmen früherer Jahrzehnte kommt der Protagonist oftmals in massiven Konflikt mit der ihn umgebenden Bürokratie und Verwaltung. Oder mit der Legislative, die den auf der Straße agierenden Cop bei seinem Kampf gegen das Verbrechen nicht nur nicht unterstützt, sondern ihn nach seinem Empfinden sogar sabotiert. Das zieht sich von frühen Richard-Widmark-Filmen über Clint Eastwoods "Calahan" bis hin zu Buddy-Movies wie "Red Heat". John Ringo beschreibt den analogen Konflikt im amerikanischen Militär und stellt sich klar und deutlich auf die Position, daß die kämpfende Truppe von Schreibtischstrategen und Politikern allein im Regen stehen gelassen wird. Er wendet sich mehrfach gegen Offiziere, denen ein sauber geputztes Koppel und das sture Einhalten von Dienstvorschriften wichtiger als die saubere und effiziente Ausführung eines Kampfauftrages ist. Dies ist für mich nichts Neues, diese Kritik habe ich bereits vor Jahrzehnten von Hans Hellmut Kirst in seinen Romanen über die deutsche Wehrmacht ebenso wie das deutsche Nachkriegsdeutschland und die deutsche Bundeswehr gelesen. Deshalb überrascht mich die inhaltliche Kritik von John Ringo wenig. Überrascht hat mich allerdings die Vehemenz, mit der er gegen das Militär-Establishment schreibt. In deutlichen, ziemlich drastischen Worten mit sehr plakativen Bildern schildert er die Unfähigkeit von Karriere-Offizieren, deren Beförderungen mehr auf politisch-gesellschaftlichem Taktieren denn auf militärischem Können, Fähigkeiten oder Erfahrung beruht. Auch das stimmt mit den Kirst-Romanen 100 %ig überein, in 60 Jahren hat sich nichts geändert.

Fast nichts. In den Invasions-Romanen werden Frauen als vollständig gleichberechtigt geschildert. John Ringo macht hier keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Soldaten, auch seine zivilen Protagonistinnen sind mindestens genauso fähig wie der männliche Teil. Tatsächlich hatte ich an einigen Stellen das Gefühl, daß Ringo sich nur knapp böser Kommentare über seine Geschlechtsgenossen enthalten hat. Weiter unten werde ich zeigen, daß Ringo in dieser Sichtweise kein Einzelfall ist. Diese Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Denken hilft der Emanzipation mehr als jede Frauenquote es könnte. Eine Untersuchung, inwieweit moderne Unterhaltung diese Gleichberechtigung verinnerlicht hat, halte ich für dringend notwendig. Nicht nur im SF-Bereich, auch in den normalen Unterhaltungsserien im Fernsehen scheint dies ein Standard geworden zu sein. Siehe dazu auch "Castle", "Eureka", "Warehouse 13", "The Closer", "House", ….

Aber diese von John Ringo geschilderte Gleichberechtigung erstreckt sich nicht nur auf die Geschlechter, sondern ebenso auf die verschiedenen Rassen. In den vier zentralen Invasions-Romanen werden Posleen, Darhel, Indowy und Himmits detailliert geschildert. Und mehrfach weist Ringo darauf hin, daß rassenspezifische Eigenschaften, vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, einfach sind und kein Qualitätsmerkmal darstellen. Die Posleen sind nicht böse, sondern genetisch so strukturiert, daß sie eine Gefahr für die Galaxis darstellen. Den unter ihnen ganz normalen Kannibalismus beschreibt er als Eigenschaft dieser Rasse, ohne auf das Igittigitt-Gefühl des Lesers zu reflektieren. Außerirdische sind eben anders. Ganz besonders deutlich wird das in "Heldentaten". In diesem Roman, der 1.000 Jahre nach den in "Invasion" geschilderten Ereignissen spielt, ist ein Darhel der positiv besetzte Held. Sein Gegner wird als skrupellos, menschenverachtend und böse beschrieben – und ist ein Mensch.

Interessant wird es, wenn man den Ex-Soldaten und SF-Schriftsteller John Ringo mit einem weiterem Ex-Soldaten und SF-Schriftsteller der Moderne vergleicht. Jack Campbell alias John G. Henry hat nämlich ebenfalls eine Militär-Karriere hinter sich, bevor er sich der SF-Schriftstellerei zuwandte.

Von Jack Campbell kenne ich "nur" die auf Deutsch erschienenen Romane um John "Black Jack " Geary. Aber gerade im Kontrast zu Ringos Invasions-Romanen werden hier zwei kontroverse Positionen deutlich. Campbell betont in seinen Romanen das Primat der Politik über das Militär. Für ihn ist das Militär genau und nur eine Art Erfüllungsgehilfe von politischen Strukturen, wobei sich Soldaten zwar der Politik bewusst sein sollten, idealerweise aber möglichst unpolitisch handeln. Genau wie Ringo schildert Campbell unfähige "politische" Offiziere, stellt dabei aber deutlich dar, daß Existenz und Beförderung solcher Soldaten den politischen Umständen geschuldet ist.

John Ringo sieht das deutlich anders. Für ihn ist ein Soldat ein "Bürger in Uniform", per definitionem ein politisches Wesen. Er sieht das Militär im Gegensatz zu Campbell als eigenständige politische Entität, keinesfalls als blinden Erfüllungsgehilfen. Allerdings weist er, ebenso wie Campbell, die Idee eines Miltärputsches oder einer irgendwie gearteten Militärherrschaft weit von sich. Beide Schriftsteller bekennen sich in ihren Romanen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung westlicher Prägung und finden sich hier in einem interessantem Gegensatz zu Heinleins "Starship Troopers".

In den Romanen um Black Jack Geary kämpft eine demokratisch organisierte Allianz gegen ein kommunistisch angehauchtes Syndik-System. In dieser Konfrontation stellt Campbell eine demokratische, amerikanisch geprägte Legitimierung der politischen Kaste als deutlich überlegen dar. Und zwar sowohl anderen politischen Systemen der Menschen als auch den Aliens. John Ringo hingegen enthält sich einer solchen Wertung. In seinen Invasions-Romanen konzentriert er sich auf genetisch-psychologische Unterschiede von Menschen und Aliens. Die Menschen, so Ringo, unterscheiden sich vom Rest der Galaxis durch ihre Aggressivität und ihren Kampfeswillen. Ein Thema übrigens, das David Weber in "Der Widerstand" aufgreift, allerdings zu ganz anderen Schlußfolgerungen als John Ringo kommt.

Interessant ist, daß auch bei Jack Campbell Frauen und Männer vollständig gleichberechtigt sind. In seinen "Black Jack"-Romanen sind Frauen in allen Ebenen, als Offiziere und als Mannschaften, vertreten, ohne daß irgendeine geschlechterspezifische Differenzierung gemacht wird. Das geht so weit und wird als so normal angenommen, daß ich manchmal über weibliche Personalpronomina beim Lesen gestolpert bin und mir wieder in Erinnerung rufen musste, daß die Agierende eine Frau ist. [Ich bin eben noch mit den klassischen, männerdominierten Romanen SF-sozialisiert worden. Meinen Nachfolgern wird diese Nicht-Differenzierung als vollkommen normal und richtig erscheinen, sie werden eher die Klassiker als irritierend empfinden.]

Was bei John Ringo auffällig ist, hier in seinen "Inavasion"-Romanen als auch später in seinen "Planetenkrieg"-Erzählungen, ist der Drang, politische Parolen, Meinungen und Kommentare in seine Romane zu integrieren. Oftmals auch solche, die nicht allgemein konsensfähig bzw. stark vereinfachend sind. So lässt er zum Beispiel in "Invasion" den amerikanischen Botschafter bei der UN klar und deutlich sagen, daß das von den Posleen bedrohte Amerika die Schnauze voll davon hat, für andere Länder die Kastanien aus dem Feuer zu holen, die gesamte Last eines Krieges zu tragen und dafür hinterher noch angemault zu werden. Amerika, so der fiktive UN-Botschafter, würde sich nur um sich selbst und die Allierten kümmern, die auch Soldaten in eine gemeinsame Armee entsenden. Solche Kommentare machen seine Romane nicht für jeden leicht lesbar, insbesondere als Ringo an solchen Stellen sehr stark vereinfacht und bewusst polarisiert. Aber es sind diskussionsfähige Standpunkte und es ist lange her, daß sich ein Schriftsteller in dieser Deutlichkeit politisch innerhalb eines Romans ausgedrückt hat.

Alle Gesellschaftsformen basieren auf Gesetzen zum Schutz von schwangeren Frauen und kleinen Kindern. Was darüber hinausgeht ist Geschnörkel, Brimborium, Luxus - Dinge, die man in Notzeiten abstreifen muss, um die Grundfunktion zu erhalten. Da das Überleben der Rasse die einzige Universalethik darstellt, gibt es nur diese eine Grundfunktion. Versuche, eine "perfekte Gesellschaftsform" auf einer anderen Basis zu errichten, sind nicht nur töricht; sie führen unweigerlich zum Völkermord. Dennoch haben sich Idealisten (alles Männer!) immer wieder dieses Ziel gesetzt - und werden es zweifellos auch in Zukunft tun. (Heinlein, Lazarus Long)

Eines aber haben John Ringo und Jack Campbell vollkommen gemeinsam : Sie träumen den Amerikanischen Traum. Beide sind Idealisten, beide sind der festen Ansicht, daß das ethisch handelnde Individuum den Lauf der Ereignisse verändern kann. Das wird besonders bei John Ringo deutlich, der zur Höchstform aufläuft, wenn er individuelle Ereignisse eines Protagonisten schildert. Etwa bei Cally O'Neal oder bei Tyler Vernon. Hier merkt man einen deutlichen Unterschied zu den Romanen bzw. Passagen, in denen es um Team-Operationen geht. Bei den "individuellen Schilderungen" ist einfach mehr Herzblut enthalten.

Und beide Autoren glauben an die Freiheit, die des Denkens ebenso wie die des Handelns. Dieser American Way of Life in seiner positivsten Ausprägung ist in den Romanen beider Autoren eines der zentralen Leitmotive der Handlung. Und dies steht im kompletten Gegensatz zur dystopisch-düsteren Haltung in Deutschland, die eher von Pessimismus und der Idee der "Powers that be", gegen die sich Einzelne nicht oder nur unter erheblichen persönlichen Opfern durchsetzen können, geprägt ist. Inwieweit diese europäische Haltung realistischer als die ideelle von Ringo und Campbell ist, lasse ich einmal dahingestellt. Ich frage mich allerdings, inwieweit hier das Bewusstsein das Sein beeinflusst, inwiefern eine idealistische Einstellung wie die von Ringo und Campbell (und einigen anderen zeitgenössischen amerikanischen Schriftstellern) ihren Impact in der tatsächlichen Politik Amerikas wiederfinden wird.

Insgesamt ein lesenswerter Zyklus von einem faszinierendem neuen Autor. In der Zwischenzeit habe ich weitere Invasions-Romane kaufen können und zwar "Die Wacht am Rhein" und "The Tuloriad" in US-amerikanischen Hardcover-Ausgaben von Baen, die John Ringo zusammen mit Tom Kratzman schrieb. Insbesondere "Die Wacht am Rhein" ist höchst interessant, darüber werde ich demnächst noch einen eigenen Kommentar schreiben.

Viele Romane seines Invasions-Zyklus sind in der Baen Free Library als Gratis-eBooks enthalten. Wer also die Romane lesen möchte, aber die deutschen Ausgaben nicht mehr bekommt bzw. den Preis scheut, kann sich hier elektronisch bedienen.

Homepage John Ringo
"Invasion" in der Baen Free Library

3 Kommentare:

  1. Neben manch lesenswerter Analyse sind dem Rezensenten aber die rassistischen Untertöne von Ringo entweder entgangen oder aus unbekannten Gründen nicht erwähnenswert erschienen.
    Zu behaupten bei Ringo seien die Rassen völlig gleichberechtigt, beruht nicht so sehr auf einem falschen Rassebegriff, denn Menschen, Posleen usw. sind keine Rassen sondern verschiedene Arten.
    Tatsächlich wurde völlig übersehen, dass Ringo in seinen Werken nicht nur die us-amerikanische Überlegenheit, sondern vor allem die der weißen Rasse - zuvorderst natürlich der us-amerikanisch geprägten - zelebriert.
    Sehr deutlich wird dies zuletzt in den Planetenkrieg-Romanen wo er an ein paar kriegerischen Stämmen wie Pashtunen noch etwas gutes finden kann, aber Schwarze werden hier gleich milliardenfach vom Feind biologisch vernichtet und im Gegenzug durch eine genetische Manipulation der Bevölkerungsanteil der nordisch blonden Menschen drastisch erhöht - danach geht es auch mit der Erde wieder aufwärts.
    In die "Wacht am Rhein" kann man sogar seine Sympathien mit faschistischen Haltungen erkennen.

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  2. Wo und an welcher Stelle wird in welchem Roman von John Ringo - nicht von Tom Kratman - das Primat der Weißen proklamiert ?
    Und übrigens sind weiße US-Amerikaner keine eigene Rasse, hier scheint Dein eigenes biologisches Verständnis etwas daneben zu sein. Ist aber egal, wir wissen beide, was wie gemeint ist.

    Zu dem - zugegebenermaßen eher unsäglichem - "Watch on the Rhine" gibt's 'nen eigenen Blogeintrag, dito zu den Planetenkriegen.

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