Sonntag, 20. Februar 2011

Perry Rhodan : Odyssee

Während eines Rundflugs über den Mars geschieht das Unfassbare : Perry Rhodan, sein bester Freund Reginald Bull und etliche andere Passagiere werden von einem mysteriösem Energiewirbel erfasst und eine Milliarde Jahre in die Zukunft gerissen, in eine Epoche, in der sich das Leben im Universum grundlegend gewandelt hat. Dort müssen sie gegen tödliche Gefahren kämpfen – und um den Weg zurück in ihre eigene Zeit …

Soweit der Klappentext meines Heyne-Ziegelsteins, des zweiten, den ich aus dieser Reihe gelesen habe. Um es vorwegzunehmen : Die Geschichte ist nicht schlechter als "Pan-Thau-Ra", insgesamt ein faszinierendes Epos. Noch mehr als dort lohnt es sich allerdings hier, detailliert auf die einzelnen Bände einzugehen, die Autoren miteinander zu vergleichen – und den unterschiedlichen Faszinationsgrad des eigentlichen Themas darzustellen.

Hubert Haensel : Die Kolonisten der Zukunft
Durch eine Zeitmaschine werden PR und Bully zusammen mit einigen Kolonisten auf einen Mars der Zukunft entführt. Warum, bleibt zunächst unklar. Die Kontrahenten, das Volk der Nodronen, tritt dagegen massiv und deutlich in Erscheinung.
Hubert Haensel ist für mich Neuland, ein sozusagen unbeschriebenes Blatt, dem ich als Fan der Alt-Autoren (insbesondere Scheer und Kneifel) doch eher skeptisch gegenübertrete. Um so überraschender (für mich) sein gelungener Auftakt, in dem er mit klassischen Stilmitteln die einzelnen Figuren einführt. Und, was mich ebenfalls extrem positiv für ihn einnimmt, ist der Humor, den er in wohldosierter Form einfliessen lässt. Wesentlich weniger klamaukig als die frühen Humorversuche etwa mit dem Gespann Hainu/Rorvic führt Haensel aber ebenfalls mit einem zwinkerndem Auge eine Fülle an Nebenfiguren ein, die er plastisch dem Leser nahebringt. Ich fühle mich da durchaus an frühe Helden wie Don Redhorse erinnert, handlungstragende Nebenfiguren mochte ich schon immer mehr als die Romane, in denen Perry selbst die Hauptrolle spielt. Dazu sage ich aber noch einiges im Gesamtfazit.

Leo Lukas : Der geheime Krieg
Wie sich herausstellt, bauen die Völker der Zukunft einen Schwarm, den sich die Nodronen unter den Nagel reißen wollen. Perry, Bully und die Kolonisten werden mehr oder minder zufällig von einer Wissenschaftler-Rasse als Gegenspieler aufgebaut – und sie schaffen es wie immer, mehr als nur Mückenstiche zu verteilen.
Schwarm ! Ein Schwarm-Roman ! Da können die Neuen eigentlich ja nur verlieren, das Thema ist doch mehr als ausgelutscht. Aber egal, in jedem Fall präsentiert Leo Lukas hier eine farbenprächtige Abenteuer-Story. Die terranischen Nebenfiguren werden noch plastischer, als Hubert Haensel sie schon schuf. Und dann macht sich dieser Mensch doch glatt daran, eine Love-Story zwischen Bully und einer terranischen Agentin, Fran Imith, einzuführen. Und dies mit einer Intensität, wie ich sie zuletzt in einigen Atlan-Geschichten vor zwanzig Jahren gelesen habe. Kein sentimentaler Kitsch, sondern eine einfühlsame Darstellung einer Beziehung mit einem Unsterblichen. Abgesehen davon sprudelt der Roman nur so von exotischen Wesen und seltsamen Handlungsorten. Der Sense of Wonder, den Leo Lukas hier erzeugt, gehört zu dem Besten, was PR zu bieten hat.

Hans Kneifel : Das Energie-Riff
Perry Rhodan entkommt zusammen mit einigen nodronischen Rebellen von einem Gefängnisplaneten.
Hans Kneifel ist alt geworden. Wie habe ich doch seine frühen Romane geliebt, seien es die Atlan-Zeitabenteuer, seien es die Geschichten um Jared Coln oder Seymour Alcolaya. Der lakonische Stil war eines seiner Markenzeichen, etwas, auf das ich total abgefahren bin. Die himmelstürmend-optimistischen Geschichten um die Goldenen Menschen gehören immer noch zu meinen PR-Lieblingsromanen. Von den ersten Atlan-Zeitabenteuern ganz zu schweigen, da musste ich schon die ersten Romane ersetzen, da sie vom häufigen Lesen auseinanderfielen. Hier aber ist von diesem Kneifelschen Sense of Wonder nichts zu spüren, es ist eine "durchschnittliche" Escape-Story mit melancholischem Touch. Das Kneifel-spezifische, das ich von früher kenne, fehlte völlig. Über allem lag irgendwie ein Hauch von Wehmut, als würde man gerade jetzt sein Alter ganz besonders deutlich spüren. Wie gesagt, mein ganz persönlicher Eindruck. Dabei ist "durchschnittlich" eine extrem relative Wertung, der Durchschnitt von "Odyssee" ist durchaus im oberen Niveau anzusiedeln. Abgesehen von dieser meiner persönlichen Enttäuschung war es ein gelungener Roman in einem exotischem Setting, wobei mich allerdings der relativ primitive Plot irritierte.

Frank Böhmert : Die Traumkapseln
Perry trifft auf die Nodro-Rebellen und verbündet sich mit ihnen.
Barbaren mit Laserschwertern – ausgelutschter geht's nun wirklich nicht ! Also das hat mir überhaupt nicht gefallen, der Ärger über diesen Plot hat meine Rezeption doch sehr stark gefärbt. Obwohl gut und flott erzählt, fand ich den Plot derart nervig, daß ich die Schreibe von Frank Böhmert garnicht richtig würdigen konnte. Aber wie schon beim Kneifel-Teil vorher ist auch dieser Roman gelungen und gut erzählt.

Frank Borsch : Das strahlende Imperium
Auf einer Hauptwelt der Nodronen fügt Perry ihnen einen empfindlichen Schlag zu.
Frank Borsch, der mich mit Alien Earth 1 & 2 gelangweilt und mit AE3 fasziniert hat, ist inzwischen zu einem meiner modernen Lieblingsautoren avanciert. Entsprechend hoch war auch meine Erwartungshaltung diesem Romanteil gegenüber. Ich wurde nicht enttäuscht. Wieder einmal hat Frank Borsch mich mit seiner Story gefesselt. Kraftvoll und emotional erzählt er eine Abenteuergeschichte, die einen einfach nicht loslässt. Und obwohl auch hier der Plot nicht gerade vor Intelligenz sprüht, habe ich den Roman doch mit großem Genuß gelesen.

Uwe Anton : Die Lebensboten

Perry und seine Freunde befreien den Schwarm und kommen zurück in ihre Zeit.
Naja, das Ende war ja nun genauso zu erwarten. Trotzdem hat mich der Roman in keinester Weise gelangweilt. Das lag zum einen sicherlich daran, daß Uwe Anton hier die Lebensgeschichte des Rhodan'schen Hauptgegners erzählt und ihm dadurch plötzlich eine Tiefe verleiht, die man (ich zumindestens) nie erwartet hätte. Zum zweiten ist die Faszination für mich als Liebhaber des originalen Schwarm-Zyklus sicherlich darin zu finden, daß hier zum ersten Mal das Innere des Schwarms der Handlungsort ist. Aber in jedem Fall ist auch die Schreibe von Uwe Anton dafür maßgeblich, die mir irgendwie ganz besonders liegt.

"Odyssee" ist ein Schwarm-Roman, eine Geschichte, die ihren Ursprung in den Anfängen der PR-Serie hat. Daß sich nach mehr als dreißig Jahren die jetzigen PR-Autoren an eine solche Geschichte wagen, ist mutig. Daß sie es schaffen, eine neue Geschichte zu erzählen und nicht in primitive Reminiszenzen verfallen, ist genial. Und daß sie denselben Drive drauf haben, den die Autoren des Originals vor Jahrzehnten hatten, dieselbe Liebe zum Detail, macht den Roman insgesamt zu einem großartigem Epos, das man nur jedem ans Herz legen kann.
Besonders bemerkenswert finde ich die Darstellung der beiden Unsterblichen, Perry Rhodan und Reginald Bull. Allen Autoren gelingt es, ihnen Tiefe und Profil zu verleihen, ihre Handlungen auch und gerade im Kontext ihres langen Lebens plausibel darzustellen. Ganz besonders die Liebesgeschichte um Bully ist hier als extrem gelungen herauszustellen. Das gab es früher, als ich PR noch regelmäßig gelesen habe (also bis Band 1000) nicht, das haben die Alt-Autoren nicht geschafft. Früher blieben gerade diese Protagonisten immer irgendwie oberflächlich, nur Atlan hatte dank der Kneifelschen Zeitabenteuer eine extreme Tiefe gewonnen. Jetzt ist das anders, die neuen Autoren schaffen es, allen Unsterblichen eine profilierte Darstellung zu geben. Das ist mir schon bei "Pan-Thau-Ra" aufgefallen, hier setzt es sich nahtlos fort. Ich persönlich finde das großartig.
Nicht übergehen darf man aber auch die eingeführten Nebenfiguren. Wer erinnert sich nicht an Nome Tschato oder Don Redhorse, an Meech Hannigan oder van Moders. Genau wie früher werden hier Nebenfiguren als HandlungsträgerInnen eingeführt und mit einem detailliertem Profil versehen. Sehr positiv aufgefallen ist mir die differenzierte Klamauk-Darstellung, die zwar komisch, aber nicht lächerlich ist. Literarisch (und zeitlich) weit von Kapitän Nelson entfernt, jedoch nicht weniger erfrischend. Ebenso wie die Beschreibung von Perry und Bully finde ich das einfach spitzenmäßig.
Ein weiterer Punkt, der mir sehr positiv aufgefallen ist, ist die Frische, mit der die Autoren an die Story herangehen. Locker und leicht wird eine spannende Geschichte erzählt, mit Respekt, aber ohne Angst vor den Großen Alten. Das Ergebnis ist ein spannender 1000-Seiten-Roman, der in dieser Form seinesgleichen sucht. Hier merkt man deutlich, wie weit sich die Perry Rhodan–Serie entwickelt hat, vor einigen Jahrzehnten noch wäre das das Material für einen kompletten 100er-Zyklus gewesen. Und sehr angenehm auch die harmonischen Übergänge der einzelnen Autoren-Teile ineinander. Von Konkurrenzdenken habe ich beim Lesen zumindestens nichts verspürt, ich habe den Eindruck, daß hier alle Autoren zusammenarbeiten und sich auch gegenseitig inspirieren.
Fazit : Ein großartiger Roman aus dem Perry Rhodan-Universum, für Fans als auch (noch) nicht-PR-Leser gleichermaßen zu empfehlen.

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