Samstag, 25. Februar 2017
Peggy Weber-Gehrke (Hrsg.) : Im Licht von Orion
Peggy Weber-Gehrke (Hrsg.) : Im Licht von Orion
Verlag für Moderne Phantastik 2016
Originalausgabe
Taschenbuch, 528 Seiten, 17,90 €
auch als eBook (3,99 €) erhältlich
Titelbild : Art Skript
"Im Licht von Orion" heisst die neue Anthologie der Webers. Wie schon die des letzten Jahrs (über die ich unbedingt noch etwas schreiben muss) wieder eine gelungene Mischung unterschiedlichster Kurzgeschichten und Novellen. Hier hat sich ein Verlag etabliert, der die Lücke der Wurdack-Anthologien zu füllen beginnt. Aber fangen wir von vorne an und gehen die einzelnen Stories einmal nacheinander durch.
Ouvertüre
Erzählt wird die Geschichte des Generationenraumschiffs, dessen Besatzung den Orion kolonisieren soll.
Man merkt, daß der vorliegende Band ursprünglich eine Themen-Anthologie werden sollte. Die Autor-lose Vorgeschichte deutet es mehr als deutlich an. Schade, daß dafür offenbar nicht genug Geschichten eingingen, die Vorarbeit jedenfalls ist hier gemacht worden.
Sven Svenson : Impetus
Nach Jahrtausenden wird eine Expedition zur Erde entsandt. Rend will unbedingt dabei sein...
Ge-ni-al! Selten so eine gelungen komponierte Geschichte gelesen. Von der Einführung über den Mittelteil – die eigentliche Expedition – bis hin zum Ende, in dem Rends eigentlicher Grund, unbedingt zur Erde zu wollen, offenbar wird, erzählt Sven Svenson flüssig und spannend. Mir war irgendwie zu keinem Zeitpunkt klar, worauf der Autor hinauswollte, daher hat mich das Ende auch kalt erwischt. Eiskalt, so eiskalt, daß ich diese Story für den DSFP nominieren werde.
Gerd Frey : Grauzeit
Die Farbe verschwindet aus der Welt. Ist eine Invasion aus dem All im Gange ?
Gut geschrieben, aber im Endeffekt belanglos.
Peggy Weber-Gehrke : Wir werden alle Helden sein
Also ich glaube ja, daß die Geschichte objektiv schlecht ist. Kann das aber nicht wirklich beurteilen, denn diese absurde Mischung aus Monty Python und "Dark Star" gefiel mir persönlich ausnehmend gut. Aber mein persönlicher Humor war schon immer etwas seltsam...
F.Anderson : Antibiose
Manchmal ist die Invasion böser Aliens genau das : Eine Invasion ganz böser Aliens.
Eine Standard-Story, die ich in dieser Form lange nicht mehr gelesen habe. Auch sehr gut, spannend und flüssig erzählt. Den Autor muß man sich merken.
Jacqueline Montemurri : Die Faszination der Einsamkeit
Jackie beschreibt eine Expedition zum Ganymed, wie sie bereits heute ablaufen könnte. Sehr einfühlsam, sehr emotional – und sehr naturwissenschaftlich. Die Geschichte hat bereits 2013 den 3. Platz im Wettbewerb des Vereins zur Förderung der Raumfahrt gemacht. Ich fand die Story sehr schön erzählt, angenehm unpretentiös.
Rico Gehrke : Die Verführung der Mona Lisa
Der unbenannte Ich-Erzähler trifft eine Frau, von der er fast ganz sicher ist, sie schon mal gesehen zu haben...
Eine relativ belanglose Geschichte über ETs, die in Form von schönen Frauen schon seit Jahrtausenden unter uns leben. Belanglos zwar, aber gut geschrieben. Rico Gehrke schreibt seit 2013 wieder Kurzgeschichten, meiner Wahrnehmung nach steigert er sich von Jahr zu Jahr. Wird noch interessant...
Cliff Allister : Wer hat's erfunden?
Eine wirklich amüsante Zeitreise-Geschichte im klassischen Stil. Von dem Kaliber habe ich lange nichts mehr gelesen, war ein angenehmes Intermezzo, insbesondere als sich der Autor als profunder Kenner der Klassik outet.
Matthias Falke : Flitterwochen
Flitterwochen – Andere Planeten, andere Sitten. Falke spielt genial auf der Klaviatur bigotter Vorurteile, die Story ist eine einzige Tour de force durch die Sitten vergangener Jahrhunderte. Ich habe mich jedenfalls köstlich amüsiert, die Auflösung ist derart gut gelungen, daß ich auch diese Geschichte für den DSFP vorschlagen werde.
Regine Bott : Harmonice mundi
Auch dies ein Standard-Topic – und auch diese Geschichte ist brilliant erzählt. Regine Bott wendet sich, wie schon unzählige Schriftsteller vorher, gegen blinde Befehlsempfänger und deren unmenschliche Handlungen. Dabei gibt sie dem Grauen ein Gesicht, das Gesicht einer kleinen Familie – und Mr. Toad. Auch diese Autorin sollte man sich merken.
Galax Archeronian : NNT 275
Manchmal sind Tiere nicht das was sie scheinen…
Nette Öko-Story mit bekanntem Plot. Gut erzählt, lesenswert.
Oliver Koch : Fehler im System
Eine Fehlfunktion im Raumschiff tötet die Besatzung.
Gut erzählt, aber zu technikgläubig. Der Autor hat von der realen Technik keine Ahnung, die Angst davor schimmert in der Geschichte durch. Das mindert den Genuß doch stark.
B. C. Bolt : Der Gebühreneinzugsbevollmächtigte
Eine sehr ironische Anti-Steuern-Story, die den Sinn und Unsinn von Steuern präzise auf den Punkt bringt.
Rico Gehrke : Bestrafung
Ein sehr realer Blick auf mögliche Gefängnisplaneten der Zukunft. Sehr flüssig und spannend erzählt mit einem bitterbösem Ende. Unbedingt lesenswert.
Michael Stappert : Reha 2.0
Über alternative Rehabilitationsmaßnahmen von Sträflingen – und konventionelle Abzocker des Systems. Auch diese Story hat ein schon zynisch zu nennendes Ende und ist aus einem Guß. Hat Spaß gemacht, sie zu lesen.
Gerd Frey : Anomalie
Über die Erkundung fremder Planeten.
Gerd Frey gelingt es, die Spannung der Geschichte nur durch den Sense of Wonder, die Exotik fremder Planeten aufrecht zu erhalten. Schön gemacht.
Adriana Wipperling : Hinter dem Schleier
Liga und Imperium bekämpfen sich, die Erde und Menschen werden dabei aufgerieben. Doch es regt sich Widerstand…
Plätschert so vor sich hin.
F. Anderson : Das Symbol
Eine an die Earl-Dumarest-Geschichten erinnernde Story über die Suche nach einer Waffe gegen Unterdrücker. Sehr actionreich, sehr flüssig erzählt, bleibt aber auf Pulp-Niveau.
Frank Lauenroth / Lara Möller : Deleted Scenes
Nach dem Weltuntergang ist ein Computer in einer Raumstation das letzte lebende Wesen. Nach der Begutachtung der letzten Gedanken der letzten Menschen wird diesem Computer klar, was seine Bestimmung ist…
Zu düster, zu pessimistisch – und zu unlogisch. Die logische Reaktion der KI ist nicht der Selbstmord, sondern die Wiederherstellung der Menschheit. Ich fand die Geschichte zwar gut erzählt, das Ende ist mir aber zu simpel, zu wenig durchdacht. Das allerdings tut der lyrischen Stimmung, die die Geschichte verbreitet, keinen Abbruch.
Jacqueline Montemurri : Schrottsammler
Aufräumen im Weltall. Die Geschichte hat bereits 2015 den 2. Platz im Wettbewerb des Vereins zur Förderung der Raumfahrt gemacht. Sehr schön und unprätentiös erzählt.
Michael Thiele : Spätes Erwachen
Amazonen auf dem Mars – oder so. Wie alle Geschichten dieser Anthologie gut erzählt, inhaltlich aber belanglos.
Christopher Dröge : Zilie
Keine Kurzgeschichte, sondern ein Romananfang.
Rico Gehrke : Kontaktversuche
Menschen suchen den Kontakt mit Aliens – doch der kann tödlich sein…
Sehr schön erzählt, aber so überhaupt nicht mein Geschmack.
Insgesamt ein sehr empfehlenswerte Anthologie, fast keine Ausfälle, meisten deutlich über dem Durchschnitt mit Spitzen nach oben.
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