Saturn im Morgenlicht
Eine Auswahl der besten Stories aus THE MAGAZINE OF FANTASY AND SCIENCE FICTION #1
Herausgegeben von Charlotte Winheller
HEYNE SF&F 214
Originalausgabe 1963
Übersetzungen : Charlotte Winheller
Titelbild : k.A.
Rick Rubin : Der letzte Appell (Final Muster, 1961)
Die Armee der Zukunft wird zwischen den Kriegen eingefroren und wenn sie gebraucht wird aufgetaut. Was aber, wenn es keine Kriege mehr gibt ?
Eine der typischen Antikriegsgeschichten der 60er, aus der Sicht eines betroffenen Soldaten erzählt. Interessant finde ich, daß die Soldaten hier als unangepasst und unanpassbar geschildert werden, sie können sich in eine friedliche Gesellschaft nicht integrieren. Dieses Bild unterscheidet sich doch wesentlich vom heutigem Soldaten als "Bürger in Uniform".
Charles V. de Vet : Zeitkorrektur(Return Journey, 1961)
Nach 13Jahren überschreiten die terranischen Siedler eines Planeten ihre von den Eingeborenen gesetzten Grenzen – und werden von eben diesen Eingeborenen deshalb bereits bei der Ankunft abgewiesen, so daß es gar nicht zur Besiedelung kommt.
Nette kleine Zeitreisegeschichte, damals noch ein Novum. Mir hat der melancholische Stil, in der de Vet die Geschichte erzählt, besonders gut gefallen.
Henry Slesar : Die seltsamen Geschäfte des Salvadore Ross (The Self-Improvement of Salvatore Ross, 1961)
Ein Mann hat plötzlich die Fähigkeit, mit anderen Menschen zu tauschen : Krankheiten, Lebensjahre, Eigenschaften. Das wird ihm zum Verhängnis.
Eine der bissigen, moralischen Pointen-Stories. Henry Slesar, besser bekannt durch seine Krimis, zeigt hier, daß er überhaupt keine Berührungsängste mit der Phantastik hat.
Theodore L. Thomas : Der Test (Test, 1961)
Zur Führerscheinprüfung wird man in einer virtuellen Welt in einen Unfall mit Todesfolgen verwickelt. Will man nach dieser Erfahrung immer noch seinen Führerschein, wird man als asozialer potentieller Gewalttäter weggesperrt.
Die Story ist seltsam unentschlossen, so als wüsste der Autor selbst gar nicht, auf welche Seite er sich stellen soll. In jedem Fall aber ein gut lesbarer Denkanstoß.
Will Stanton : Du bist dabei! (You Are With It !, 1961)
Ein virtuelle-Realitäten-Roman.
Irgendwie habe ich weder Sinn noch Inhalt vollständig verstanden. Hat seine Frau ihn jetzt verwünscht und dann wieder ent-verwünscht ? Aber egal, die Geschichte liest sich spitzenmäßig.
J.T. McIntosh : Aus eins mach zwei (One Into Two, 1962)
Ross versucht, den neuen Mann seiner Frau umzubringen – und sich durch Verdoppelung via Teleportation ein Alibi zu verschaffen. Ersteres klappt, letzteres nicht. Und wie ihm die Polizei erzählt, ist er nicht der erste mit dieser Idee.
Endlich wird einmal die Frage beantwortet, warum dieser eigentlich einfach und auf der Hand liegende Trick bei möglicher Teleportation nicht klappt, nicht klappen kann. McIntosh geht da sehr schön auf die menschliche Natur ein, die dieser Idee schlicht und einfach entgegensteht. Sehr gelungen, wie eigentlich fast alles, was ich von diesem Autor kenne.
C.Brian Kelly : Der Tunnel (The Tunnel, 1961)
Man sollte als Wissenschaftler nicht mit Schaben experimentieren – sie könnten zu intelligent werden.
Sehr witzige Pointen-Story aus der Sicht eines Versuchstiers geschildert.
John Wyndham : Experiment mit kleinen Fehlern (A Stitch in Time, 1961)
Eine Zeitreise ist notwendig, damit die Geschichte so ihren Lauf nimmt, wie sie eben abgelaufen ist.
Wyndham beschäftigt sich hier mit der Verantwortung des Wissenschaftlers und lässt seine "Heldin", die alte Frau Dolderson, seinen gesamten Abscheu vor den Wissenschaftlern ausdrücken, die, ohne sich mit den Auswirkungen ihrer Erfindungen zu beschäftigen, einfach nur so vor sich hin forschen. Am Beispiel des Eingriffs in das Leben der jungen Frau Dolderson zeigt er auf, daß dies keine akademische Frage ist, sondern uns alle beschäftigt. Eine Geschichte in der Tradition von Kiphardts "Oppenheimer".
Isaac Asimov : Die Maschine, die den Krieg gewann (The Machine that Won the War , 1961)
Computerunterstützung kann nur so gut sein, wie die Daten, die eingegeben werden. Dieses fast schon platte Statement war zur Zeit der Enstehung dieser Geschichte nicht jedem klar. Tatsächlich herrschte, auch bei SF-Autoren, eine ziemliche Technikgläubigkeit vor. Asimov entzaubert die Mär von den komplexen Computern, die den Krieg gewannen, in dem er darstellt, daß jeder mangels qualifizierter Daten das eingegeben hat, das er für richtig hält und der letzte Entscheider unabhängig von allen anderen eine Münze warf. Angenehm bissig.
Gordon R. Dickson : Die Unvollkommenen (Rehabilitated, 1961)
Die Intelligenten emigrieren, zurück auf der Erde bleiben nur die geistig instabilen und zurückgebliebenen Menschen. Doch diese Nachteile können aufgewogen werden, wenn sie sich über Psi-Kräfte zusammenschließen und gegenseitig ihre Mängel kompensieren.
Gordon R. Dickson hat sich mit seinen Kurzgeschichten und Romanen oft (eigentlich hauptsächlich) um die Entwicklung der Menschheit nach und während der Emigration zu den Sternen beschäftigt. Seine (sehr lesenswerten) Dorsai-Romane sind ein faszinierendes Beispiel dafür. Hier beschäftigt er sich mit dem Schicksal der Zurückgebliebenen, eine wunderschöne Parabel wider die Egozentrik. Daran sollten sich heutzutage einige Zetgenossen ein Beispiel nehmen.
Arthur C. Clarke : Saturn im Morgenlicht (Saturn Rising, 1961)
Morris Perlman erreicht sein Lebensziel – von Titan aus den Saturn im Morgenlicht zu sehen.
Clarkes Romane sind zumeist hundertseitiger Technobabbel. So überhaupt nicht mein Geschmack. Hingegen seine Kurzgeschichten sind meiner Erinnerung nach alle gelungen, so auch diese. Einerseits ist die Story voll dem American Dream gewidmet, ebenso wie Heinleins "The Man Who Sold the Moon" steht auch Clarke voll hinter dem Prinzip der Marktwirtschaft. Doch ebenso wie Heinlein sieht auch Clarke Geld und Reichtum nicht als Wert an sich, sondern als Mittel zum Zweck. Und so erzählt seine Geschichte ein Raumfahrer der ersten Saturn-Expedition, der jetzt als Manager in einem Hotel auf Titan arbeitet. Dieses Hotel hat der Tycoon Morris Perlman gebaut – der wiederum, bereits als Kind durch ein selbstgebautes Teleskop vom Saturn fasziniert, wurde nur deshalb Multimillonär, um einen Blick auf den Saturn beschienen von der Morgensonne werfen zu können.
"Eine Auswahl der besten SF-Stories aus THE MAGAZINE OF FANTASY AND SCIENCE FICTION" – so lautet der vollständige Reihentitel, den ich in der Folge mit MFSF abkürzen werde. Wie man am Inhaltsverzeichnis sieht, haben hier die ganz großen Schriftsteller mitgeschrieben, das Magazin stand jahrelang als einziges SF-Magazin für höchste literarische Qualität. Und das Heyne bereits so früh in seiner SF&F-Reihe diese Auswahlen herausgab, hat nicht unwesentlich zum guten Ruf der Heyne Science Fiction beigetragen. Jetzt, beim Nachlesen, stelle ich fest, daß diese Auswahlen sehr zum Weiterlesen animieren, auch Nicht-Kurzgeschichten-Fans wie ich einer bin können sich der Faszination dieser Stories nicht entziehen.
Ich weiss jetzt nicht, ob ich es in Zukunft schaffe, jede einzelne Geschichte dieser Anthologien voll zu würdigen, aber ich werde mein Bestes tun, um zumindestens die ersten Bände detailliert darzustellen.