Dienstag, 30. Oktober 2012

Warhammer 40.000 : Ragnar Graumähne



William King : Ragnar Greymane
Wolfskrieger (Space Wolf)
Ragnars Mission (Ragnar's Claw)
Der Graue Jäger (Grey Hunter)
Wolfsschwert (Wolfbane)
Originalausgaben 1999-2003, Deutsche Erstausgaben 2002-2004
Aus dem Englischen von Christian Jentzsch
HEYNE-Taschenbuch, ca. 350 Seiten, 7,95 €
ISBNs : 978-3-453-21318-0, 978-3-453-86356-9, nicht lieferbar, 978-3-453-52011-0


Ragnar ist ein Barbar, der in einer Wikinger-Gesellschaft auf dem Planeten Fenris lebt. Nachdem sein Dorf zerstört und seine Angehörigen verschleppt wurden, wird er für den Astartes-Orden der Space Wolves rekrutiert. Genetisch zu einem Space Marine umgebaut erlebt er die Kämpfe des Imperiums im 40. Jahrtausend menschlicher Zeitrechnung.

Mit dem ersten Roman hiervon hatte ich bei meiner Lesung der W40K-Romane begonnen und ihn nach relativ kurzer Zeit weggelegt : Mir fehlten die Grundlagen, ich konnte ihn nicht richtig genießen. Jetzt, nachdem ich die Geschichten um den Großen Bruderkrieg gelesen habe, der 10.000 Jahre früher stattgefunden hat, ist dieses Problem beseitigt und die Romane ein Genuß.

William King beschreibt den Orden der Space Wolves als genetisch modifizierte Menschen mit verbessertem Gehör und Geruchssinn. Das Berserkertum, dem sich diese Space Marines hingeben können, stellt er als die Bestie, die in uns allen lauert dar. Es gelingt ihm, die Krieger der Space Wolves als positiv darzustellen, ohne den Irrsinn der Zeit des Warhammer-Universums zu verdrängen.

Die Romane sind so ein bißchen nach Schema F geschrieben : Eine Rahmenhandlung, in der Ragnar Graumähne zu irgendeinem Zeitpunkt in irgendeinem Kriegsgebiet ist und sich aus welchen Gründen auch immer an seine Vergangenheit erinnert bzw. sie erzählt. Dieses Schematische macht aber nichts, auch die Rahmenhandlung ist spannend geschrieben und der eigentliche Teil, die Vergangenheit, passt in diesen Rahmen hinein. Die gleiche schematische Technik hat Hans Kneifel bei seinen Atlan-Zeitabenteuern benutzt und der Erfolg dieser PR-Subserie spricht für dieses Schema. Mir haben die Romane jedenfalls jetzt sehr gefallen, die Zusammenhänge können durch die Kenntnis der früheren Ereignisse viel besser in einen Kontext innerhalb des W40K-Universums gestellt werden.

Bedauerlicherweise hat William King nur diese vier W40K-Romane um Ragnar geschrieben, nach dem letzten Band hängt man so ein bißchen in der Luft. Der Grund dafür dürfte sein stärkeres Interesse an den klassischen Warhammer-Romanen sein (er schreibt hier den Zyklus um Gotrek & Felix, das Warhammer-Äquivalent zu Fafhrd und dem Grauen Mäusling) und die Veröffentlichung eines Nicht-Reihen-Zyklus um die Death Angels :
A thousand years ago the world of Gaeia fell to the Terrarchs, cruel and beautiful alien invaders with a deadly secret. Masters of sorcery and intrigue they have ruled humanity with a fist of steel inside a glove of velvet. For a thousand years, ancient demons have slept, waiting for the moment of their return. Now the stars are right. Old and evil gods are wakening. New revolutions are being born. A genocidal war that will destroy civilization sweeps ever closer.

In a world of magic and gunpowder, the half-breed Rik must rise from simple soldier to the deadliest assassin the world has ever known.
Quelle

Könnte sich lohnen, diese Romane zu lesen. Gibt sie aber meines Wissens momentan nur im englischem Original. [Na, Guido, Michael : Wie ist's? ;-)]

Montag, 29. Oktober 2012

Warhammer 40.000 : Gaunt's Ghosts



Dan Abnett : Gaunts Geister
Geisterkrieger (First & Only)
Mächte des Chaos (Ghostmaker)
Nekropolis (Necropolis)
Aus dem Englischen von Christian Jentzsch
Deutsche Erstausgaben 2005, Originalausgaben 1999-2000
Taschenbuch, ca. 400 Seiten, 7,95 €
ISBNs : 978-3-453-52094-3, 978-3-453-52104-9, 978-3-453-52145-2


Wir schreiben das 41. Jahrtausend der menschlichen Geschichte. Ibram Gaunt ist politischer Offizier in der Armee des Imperiums. Aufgrund seiner Erfolge wird ihm von Kriegsmmeister Slaydo im Feldzug gegen die von Orks besetzten Sabbat-Welten der Rang eines Oberst zusammen mit der Führung eines neu aufzustellenden Regiments verliehen. Dazu begibt Gaunt sich nach Tanith, um Truppen auszuheben. Während der Musterung wird Tanith von Chaos-Truppen überfallen und total zerstört, der Planet ist nach dem Angriff ein lebloser Felsbrocken. Gaunt kann mit einigen der bereits gemusterten Männer dem Massaker entkommen, sie bilden ab da eine eingeschworene Gemeinschaft innerhalb der Imperiums-Armee, "Gaunts Geister".

Die Geschichten um das Erste und Einzige Tanith-Regiment sind langsam entstanden, die ersten Veröffentlichungen dazu sind Kurzgeschichten in "Inferno", einem Magazin von Games Workshop, das Hintergrundmaterial in Form von Bildern, Kurzgeschichten und Comics zu den von GW vertriebenen Spielsystemen von 1997 - 2004 publizierte. Laut einem Interview in "Warhammer Monthly" hat Dan Abnett die Charaktere stark an die "Sharpe"-Serie von Bernard Cornwell (verfilmt mit Sean Bean in der Hauptrolle und unbedingt sehenswert) angelehnt. Insgesamt gibt es bis heute 13 Romane in der Hauptserie und einige Spin-Offs, Details dazu findet man in der englischen Wikipedia.

Gerade die ersten beiden, auf Kurzgeschichten basierenden Bände lesen sich gut. Langsam, ohne jedoch langweilig zu werden, beleuchtet Dan Abnett seine Hauptpersonen, wobei der Fokus nicht nur auf Ibram Gaunt, sondern auch sehr stark auf seinen Untergebenen liegt. Dadurch erhalten die Geschichten eine deutlich stärkere Tiefe als viele vergleichbare, in denen der Held vor einer oftmals blaß bleibenden Kulisse agiert. Im dritten Band, "Nekropolis", wird eine durchgehende Geschichte erzählt, die ich als wahnsinnig spannenden Pageturner erlebt habe. Sehr empfehlenswerte Romane also, was das Schriftstellerische und den Lesegenuß angeht.

Inhaltlich stolpere ich da aber regelmäßig über einige Sachen. Zunächst einmal : Ibram Gaunt ist politischer Kommissar, er hat die Einstellung der Soldaten zu überprüfen und kann standrechtlich Leute mit falschen Meinungen eiskalt erschießen. Diese Jobbeschreibung liest sich wie eine antikommunistische Propaganda zu Zeiten des Eisernen Vorhangs. Doch nirgendwo wird dies (innerhalb der ersten drei Romane zumindestens) in Frage gestellt. Dann werden die Tanither als entwurzelte Soldaten beschrieben, deren Heimatwelt zusammen mit allen Angehörigen vernichtet wurde. Meiner Meinung nach müssten eigentlich alle Tanither dadurch traumatisiert sein, halbverrückt und vollkommen ungeeignet zur soldatischen Disziplin. Auch dieser Aspekt kommt zumindestens in den ersten drei Romanen nicht rüber, wird nicht wirklich angesprochen. Diese Aspekte fehlen mir in diesen Romanen. In den Geschichten um den Großen Bruderkrieg werden derartige Auswüchse zwar auch nicht explizit negativ belegt, aber in ihrem Wahnsinn sehr wohl als indiskutabel dargestellt. Deshalb gefallen mir diese Romane auch besser als die um Gaunts Geister. Allerdings sind letztere die ersten, die im Rahmen der "Black Library" neu veröffentlicht wurden. Und da sich heutzutage die W40K-Autoren auch zu Expose-Workshops regelmäßig treffen, ist es nicht verwunderlich, daß die Romane in sich konsistenter und inhaltlich kritischer wurden. Man muß diese frühen Romane als das nehmen, was sie sind : Ein Anfang.

Sonntag, 28. Oktober 2012

Kevin J. Anderson & Doug Beason : Trinity



Kevin J. Anderson & Doug Beason : Trinity
Aus dem Amerikanischem von Heinz Zwack
Titelbild von Timo Kümmel
Atlantis 2012, Originalausgabe 1991
Hardcover mit Lesebändchen, ca. 330 Seiten, 16,90 €
Paperback-Ausgabe : ISBN 978-3-941258-98-3, 13,90 €


Durch eine unfreiwillige Zeitreise gelangt eine Atomkraftgegnerin in die Zeit des Trinity-Projekts zurück. Doch das Verhindern des Baus der ersten Atombombe (bzw. die Versuche, den Bau zu verhindern), führt zwar zu einer Änderung der geschichtlichen Abläufe, aber nicht zu einer besseren Welt.

Nach dem "Leviathan" von Oliver Henkel ist dies der zweite Alternate History-Roman aus dem Atlantis-Verlag, den ich dieses Jahr lese. Dabei muß ich zugeben, daß dieses Subgenre für mich als Leser von SF&F und historischen Romanen durchaus etwas bietet – auch wenn es meiner Einschätzung nach zwar definitiv Phantastik, aber ebenso definitiv weder Science Fiction noch Fantasy ist.

Aber über diese Einordnung lässt sich trefflich streiten und das exakte Schubkästchen ist weder für den Genuß des "Leviathan" noch den von "Trinity" relevant. Beide Romane lesen sich flüssig, das Was-wäre-wenn ist in beiden Szenarios faszinierend. Im Gegensatz zum Stilisten Henkel bieten Anderson und Beason hier jedoch einen deutlich actionreicheren Roman. Dies gelingt ihnen auch deshalb, weil sie beim Leser eine zumindestens grobe Kenntnis der tatsächlichen geschichtlichen Ereignisse in den USA als auch Deutschland voraussetzen. Sie halten sich nicht mit den (selbst Lesern mit Geschichtskenntnissen oftmals nicht in jeder Einzelheit vertrauten) Geschehnissen und Zusammenhängen auf, sondern schreiben frisch von der Leber weg. Dabei, und das finde ich gerade für US-amerikanische Autoren bemerkenswert, beweisen Anderson und Beason hier eine sehr detaillierte Kenntnis der Geschehnisse und der Gesellschaft in Nazi-Deutschland. Im Gegensatz zu dem Deutschland-Roman des Invasions-Zyklus von John Ringo kriegt der informierte Leser hier ob grober geschichtlicher Schnitzer nicht die Krise. Auch das von den Autoren vermittelte Feeling des Deutschland in den letzten Kriegsjahren entspricht der Geschichtsforschung und ist an keiner Stelle geschönt.

Auffallend gelungen empfand ich hier den "Schlag des Schmetterlingsflügels", mit dem Anderson und Beason die Geschichte ändern. Eine unbedachte Äußerung der Atomkraftgegnerin in den Staaten führt zum Tod von Professor Heisenberg, zu einem Angriff mit nuklear verseuchtem Material auf New York und schlußendlich zum Abwurf von Atombomben über Europa und der Benutzung taktischer Atomwaffen in Vietnam. Genüßlich schreiben die Autoren die Weltgeschichte ab 1942 um. Dabei ist der neue Lauf der Ereignisse angenehm konsistent, so daß der Leser einerseits den Spaß der Autoren nachvollziehen und andererseits die logische Folge der Ereignisse verstehen kann. Der Weg in eine andere, nicht notwendig bessere (und in meinen Augen sogar deutlich schlechtere) Welt ist mit guten Vorsätzen gepflastert – die nach und nach einer brutalen Realität weichen müssen. Dies hier, diese unsere Realität, ist die beste aller Welten. Das zumindest ist das Fazit, daß ich für mich aus diesem Roman ziehe. Nicht nur deshalb halte ich "Trinity" für einen besonders gelungenen Parallelweltroman, den ich jedem nur wärmstens empfehlen kann.

Samstag, 27. Oktober 2012

Warhammer 40.000 - Leseeindrücke (III)

Bei den Warhammer-Romanen wird, zumindestens in den deutschen Ausgaben, Dan Abnett gegenüber den anderen Autoren als eine Art Superstar herausgehoben. Ist mir vollkommen unverständlich. Sicher, er schreibt zweifelsohne gut und es macht Spaß, seine Romane zu lesen. Aber die anderen Autoren sind keinen Deut schlechter. Dies ist gerade bei den Romanen um den "Großen Bruderkrieg" auffallend, weil hier die verschiedensten Autoren abwechselnd aus den unterschiedlichsten Perspektiven schreiben. Meiner Meinung nach dem Lesen der ersten Romane dieses Zyklus sind Graham McNeill, Ben Counter, James Swallow, Mitchel Scanlon oder Mike Lee genauso brilliante Autoren. Ganz besonders deutlich wird das bei der Kurzgeschichten-Sammlung, die Nick Kyme und Lindsay Priestley in dieser Reihe veröffentlicht haben.

Nach den ersten 8 Romanen aus dem 30. Jahrtausend war ich dann auch neugierig auf die Romane, die 10.000 Jahre nach dem "Großen Bruderkrieg" spielten. Hier bin ich gerade bei den Gaunt-Romanen von Dan Abnett und den Wolfskrieger-Romanen von William King. Zunächst einmal gilt für die Romane von William King das, was ich schon a.a.O. gesagt habe : Sie sind nicht schlechter als die von Dan Abnett. Interessant aber ist der Gegensatz der W40K-Beschreibungen dieser Zeit relativ zu der in den "Bruderkrieg"-Romanen. Die Romane um Horus, seine Rebellion und den Großen Bruderkrieg zwischen den imperiumstreuen Truppen und den Renegaten ist lupenreine SF, ich würde sie sogar an vielen Stellen als Hardcore Military SF deklarieren. Dagegen haben die "späten" W40K-Romane, also diejenigen, die 10.000 Jahre danach spielen, einen starken Fantasy-Einschlag. Dies ist aber ganz zwangsläufig, da viele technische und technologische Kenntnisse verlorengegangen sind. Von daher ist es zwar keine Fantasy, aber SF, die so tut als wäre sie das. Vor dem Einschalten von Maschinen muß der Maschinengott angerufen werden, Scanner werden über Divinations-Riten bedient, ein Kettenschwert über eine Rune aktiviert. Es ist ein interessantes und faszinierendes Leseerlebnis, insbesondere als beide Autoren dieses Setting grundsätzlich die gesamten Romane durch beibehalten.

Allerdings ist deutlich zu merken, daß die "späten" W40K-Romane deutlich vor den "frühen" geschrieben worden sind. Sie sind zwar nicht schlecht, aber die Romane des "Großen Bruderkriegs" sind deutlich literarischer. Ähnlich wie bei David Weber kann man hier die "Evolution" von Autoren sehr schön nachvollziehen. Wenn man genau hinguckt, merkt man das sogar bei den (dicht hintereinandergeschriebenen) Romanen von William King. Ich würde auch gerne non-W40K-Romane dieser Autoren lesen und werde demnächst einmal nachforschen, was sie denn sonst noch so veröffentlicht haben.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Warhammer 40.000 : Der Große Bruderkrieg 01-08




Dan Abnett : Aufstieg des Horus (Horus Rising)
Graham McNeill : Falsche Götter (False Gods)
Ben Counter : Brennende Galaxis (Galaxy in Flames)
James Swallow : Kreuzer Eisenstein (The Flight of the Eisenstein)
Graham McNeill : Fulgrim (Fulgrim)
Mitchel Scanlon : Gefallene Engel (Descent of Angels)
Dan Abnett : Legion (Legion)
Ben Counter : Am Abgrund (Battle for the Abyss)
Aus dem Englischem von Ralph Sander
Heyne-Taschenbücher
Originalausgaben 2006-2008, Deutsche Ausgaben 2009-2011


Im 20. Jahrtausend menschlicher Zeitrechnung wird eine Möglichkeit, mit Überlichtgewindigkeit durch einen Hyperraum, den sogenannten Warp, zu fliegen, entdeckt. Ein Goldenes Zeitalter der Menschheit beginnt, man begegnet Außerirdischen und gründet Kolonien auf den fernsten Sternen. Doch 5.000 Jahre später machen Warpstürme die Raumfahrt unmöglich, auf der Erde, die längst von den Lebensmittellieferungen der Kolonien abhängig ist, beginnt die Zeit der Hungerkriege und der Warlords. Zu Beginn des 30. Jahrtausends sind die Warpstürme abgeflaut und die Erde unter dem Regime des Imperators wiedervereinigt.

Um die verlorenen Kolonien wieder in das Imperium der Menschheit einzuordnen wird ein gigantischer Feldzug gestartet. Durch genetische Manipulationen hat der Imperator eine Kaste von Kriegern, die Astartes oder Space Marines, geführt von genetischen Klonen des Imperators, den sogenennten Primarchen, geschaffen, die größer und stärker sind als der "normale" Mensch. Sofern dieser überhaupt noch existiert, genetische und sonstige Manipulationen am Menschen und am menschlichen Erbgut sind an der Tagesordnung. Die Gesellschaftsordnung ist stark an das römische Imperium angelehnt, wie bereits 30.000 Jahre früher leben die Menschen in einem Zustand der Barbarei.

Der Warp ist nicht unbelebt, durch einen Unfall nehmen Warp-Bewohner, sogenannte Dämonen Besitz vom Führer des Großen Kreuzzuges, dem Primarchen Horus. Er wendet sich daraufhin gegen den Imperator und zieht die Hälfte der Astartes auf seine Seite. Ein blutiger Bürgerkrieg beginnt, den am Ende unter großen persönlichen Opfern der Imperator für sich entscheiden kann. Die nächsten 10.000 Jahre sind ein Zeitalter der Stagnation, im 40. Jahrtausend der menschlichen Zeitrechnung sieht sich dann die Menschheit durch Warp-Dämonen und Außerirdische in ihrer Existenz bedroht und steht vor dem Untergang.

Das ist die Welt von Warhammer 40.000, nicht nett und optimistisch, sondern düster, gewalttätig, wahnsinnig und dystopisch. Keine Welt, in der man leben möchte. Die ersten in der W40K-Reihe erschienenen Romane beschreiben die Zeit gegen Ende des 40. Jahrtausends, als das menschliche Imperium voll ausgeformt ist. Ein Beispiel dafür sind die "Inquisitor"-Geschichten von Ian Watson. Doch wie konnte es zu diesem inhumanem Gesellschaftsmodell, zu diesen unmenschlichen Handlungen, zu den obskuren menschlichen und halbmenschlichen Gruppen überhaupt kommen ?

Die Antwort darauf geben die Romane um den Großen Bruderkrieg, die zu Anfang des 30. Jahrtausends spielen.


Soweit der Prolog, der jedem Roman der Bruderkrieg-Reihe vorangestellt ist. Ebenso wie dieser Prolog enthalten die Romane die Darstellung einer sich massiv selbst überschätzenden Menschheit, in deren Gesellschaft kein Platz für das ist, was wir heutzutage als gut und richtig verstehen. In bodenloser Arroganz werden ehemalige Kolonien in das Imperium eingegliedert und die jeweils eigenständigen Zivilisationen vernichtet. Religion ist geächtet, nur der Glaube an den Imperator und die Naturwissenschaften ist akzeptabel. Menschen werden lobotomiert und als menschliche Roboter, sogenannte Servitoren, eingesetzt. Nicht-Menschen oder Mutanten werden als Wesen zweiter Klasse definiert und, so sie nicht für den Weiterbestand des Imperiums wichtig sind, getötet. Kämpfe der Space Marines untereinander sind an der Tagesordnung, das Leben des Einzelnen, so er nicht Imperator oder Primarch ist, zählt nicht.

Dies stellen die Autoren brilliant dar, ohne den erhobenen moralischen Zeigefinger zu benutzen. Jeder mit einem etwas anderem Stil, aber klar und deutlich, so daß ich an vielen Stellen der Romane diesen Horror nachempfinden konnte. Diese Romane sind nicht leicht zu lesen, ich schaffe meistens nur zwei oder drei am Stück. Dann brauche ich wieder etwas Positiveres, Lebensbejahenderes. Doch trotzdem sind gerade diese chronologisch ersten Warhammer 40.000-Romane faszinierend, denn effektiv sind es antifaschistische Antikriegsromane. Das Grauen dieser faschistoiden Gesellschaft der Zukunft wird derartig deutlich dargestellt, daß man sich mit Schaudern von einer solchen Ideologie abwendet. Eine Technik übrigens, die ebenso brilliant in Hans-Hellmut Kirsts "Nächte der Langen Messer" benutzt wurde.

Und angenehm langsam und detailliert, sich zeitlich oftmals stark überschneidend sind diese ersten Bruderkrieg-Romane geschrieben. Alle (?) Space Marine-Einheiten, die man aus dem Tabletop-Spiel oder dem Spielerhandbuch kennt, werden nacheinander in ihren Anfängen beleuchtet, die Unterschiede zwischen ihnen im Detail dargestellt. Auch werden Protagonisten ausgewählt, die sich noch einen Rest an Menschlichkeit bewahrt haben, an ihnen, ihren Handlungen und ihrem Untergang wird die Perversion des Systems besonders deutlich.

Insgesamt sehr lesenswerte Romane, man sollte allerdings schon moralisch gefestigt sein, wenn man sie liest. Interessant ist, daß hier keine Indizierung erfolgt. Denn dagegen ist Norman Spinrads "Stählerner Traum" harmlos.

Samstag, 6. Oktober 2012

Dirk van den Boom : Tentakelwacht



Dirk van den Boom : Tentakelwacht
Titelbild : Allan J. Stark
Atlantis-Verlag 2012, Hardcover mit Lesebändchen, ca. 240 Seiten, 14,90 €
auch erhältlich als Paperback, ca. 240 Seiten, ISBN 978-3-86402-037-7, 12,90 €


Über einhundert Jahre sind seit der ersten Invasion der außerirdischen Tentakel vergangen. In den kläglichen Resten der Irdischen Sphäre, dem heimatlichen Sonnensystem, hat sich eine Militärdiktatur etabliert, die mit eiserner Hand über die letzten Menschen regiert. Die Tentakelwacht steht bereit, sollten die Invasoren die Menschheit ein zweites Mal heimsuchen. Doch viele glauben schon nicht mehr daran, dass die Tentakel jemals zurückkehren werden. Als die Aliens dann aber doch wieder erscheinen, wollen die aggressiven Eroberer kein Risiko mehr eingehen: Sie haben eine Streitmacht aufgeboten, die es ohne Weiteres mit den Verteidigern aufnehmen kann. Die Menschheit steht diesmal endgültig vor dem Abgrund.

Soweit der Klappentext. Der, ebenso wie bei "Die Gänse des Kapitols", ein deutliches Understatement darstellt. Im Gegensatz zu Frank W. Haubold legt Dirk van den Boom jedoch nicht viel Wert auf stilistische Feinheiten. Da ich beide Romane direkt hintereinandergelesen habe, ist "Tentakelwacht" relativ zu der lyrisch-literarischen Prosa von "Götterdämmerung 01" eine ziemliche Ernüchterung. Jedoch nicht schlecht, überhaupt nicht. Während Haubold sich eher an Stilisten wie Delany oder Brin orientiert, schreibt DiBoo locker drauflos und erinnert mich zumindestens an frühe Stories und Romane von Asimov oder Pohl. Das wird nicht sofort deutlich, man muß (gerade bei einem solchen Vorgänger) dem Roman eine Chance geben. Hat man sich aber erst einmal eingelesen, lässt "Tentakelwacht" einen nicht los.

Aufgefallen ist mir, daß Dirk van den Boom einige Szenen nicht ausreichend ausgeführt hat. Gut, das fällt vielleicht nur Dinosauriern wie mir auf. Aber die Eingangssequenz, in der Roby und Slap in die Anti-Tentakel-Armee gepresst werden, erinnerte mich doch sehr stark an eine sehr ähnliche Szene in "Mars, ich hasse dich !", Originaltitel "Birth of Fire", von Jerry Pournelle (Link). Dagegen fällt Dirk van den Boom gnadenlos ab, Jerry Pournelle hat die Szene eleganter und inhaltsreicher geschrieben.

Trotz solcher Mängel, die mir als Vielleser aufgefallen sind und Jüngere gar nicht bemerken dürften, macht der Roman Spaß. DiBoo fabuliert genüßlich vor sich hin und breitet vor dem Leser ein buntes Szenario aus. Getreu seinem Motto "Echte SF hat Raumschiffe, Aliens und Sex !" kommt von allen drei Boomschen SF-Eckpunkten genug vor. Wobei auch hier ein Vergleich mit Haubold faszinierend ist : DiBoo ist, ebenso wie seine gesamte Geschichte, bei Sex-Szenen mehr prosaisch-deutlich, während Haubold auch hier eher lyrisch-romantisch wirkt. Ich verkneife mir an dieser Stelle weitere Vergleiche und überlasse diese dem geneigtem Leser.

Interessant ist die literarische Weiterentwicklung von Dirk van den Boom. Während die erste Tentakel-Trilogie noch nett, aber irrelevant war, hat sich der Autor seitdem merklich weiterentwickelt. Seine Alternate History "Kaiserkrieger" ebenso wie der stark unterschätzte Roman "Eobal" deuteten das schon an, sehr deutlich wird es aber, wenn man diesen ersten Roman der zweiten Tentakel-Trilogie mit den ersten drei Romanen, deren erster wiederum vor 4 Jahren erschien, vergleicht. Dirk van den Boom schreibt jetzt deutlich sorgfältiger und lotet das Genre tiefer aus, als er es noch in den ersten Tentakel-Romanen gewagt hat. Ich bin einmal auf den nächsten Roman, "Tentakelblut", gespannt.

Frank W. Haubold : Die Gänse des Kapitols (Götterdämmerung 1)



Frank W. Haubold : Die Gänse des Kapitols (Götterdämmerung 1)
Titelbild : Timo Kümmel
Atlantis-Verlag 2012, Hardcover mit Lesebändchen, ca. 240 Seiten, 14,90 €
auch erhältlich als Paperback, ca. 240 Seiten, ISBN 978-3-986402-030-8, 12,90 €


Fünfundzwanzig Jahre nach der siegreichen Schlacht vor Joyous Gard bestimmt militärische Routine das Leben auf dem Außenposten Pendragon Base. Als Kommandant Raymond Farr die attraktive Miriam Katana kennenlernt, ahnt er noch nicht, dass diese Begegnung sein Leben verändern wird. Es droht nicht nur die Wiederkehr eines alten Feindes, auch innerhalb der Föderation häufen sich die mysteriösen Ereignisse als Vorboten einer Konfrontation unvorstellbaren Ausmaßes…

Soweit der Klappentext. Der dem Roman nicht annähernd gerecht wird. Hier haben wir deutsche SF at its best, sozusagen.

Es beginnt mit einem Paukenschlag. Der Prolog des Romans, betitelt "Drachentöter", ist die Neuausgabe der Story "Das ewige Lied", erstmals erschienen 2005 in Nova #08. Die Geschichte ist die in die Zukunft übertragene Erzählung der "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" und Frank W. Haubold macht mit diesem "Remake" Rainer Maria Rilke Ehre. Selten so etwas Spannendes und doch Lyrisches gelesen, dieser Prolog ist einfach genial.

Und dann geht es weiter, ein Zeitsprung von 25 Jahren und die eigentliche Handlung beginnt. Erstmals 2010 in der Military SF-Anthologie "Weltraumkrieger" erschienen, schildert Haubold die Abwehr der Burgons durch die Pendragon Base, ein fast typisches MilSF-Abenteuer. "Fast" deshalb, weil auch hier Haubold sich nicht auf einfache Ballereien reduzieren kann, sondern die große Geschichte bereits im Hintergrund andeutet.

Und so kommt es, wie es kommen muß : Der Roman wandelt sich ein drittes Mal. Nach dem lyrischem Auftakt und dem kalten Guß knallhartes MilSF wird er jetzt zu einem Wodunit, wer hat was warum und wie gemacht ? Das will Raymond Farr herausfinden, ganz davon abgesehen, daß er seine große Liebe, Miriam Katana, wiederfinden will. Selbige versucht sich, gegen die Burgons durchzusetzen - da ist das Buch zu Ende.

Nicht daß es abrupt endet, nein, es hat einen sehr schönen, befriedigenden Schluß. Aber ich will noch mehr haben, wissen, wie es weitergeht.

Ich bin ja skeptisch, ob es dem Autor gelingt, die Heterogenität der Stile auch im zweiten Band beizubehalten. In diesem ersten Teil der Space Opera, die Frank W. Haubold mit merklichem Genuß geschrieben hat, ist aber gerade diese Heterogenität das Merkmal, das "Die Gänse des Kapitols" von anderen Romanen abhebt. Dabei sind die Übergänge der einzelnen Teile nicht merkbar, die Geschichte ist spürbar aus einem Guß.

Der einzige Kritikpunkt, der mir auffiel, war das fehlende Technobabbel. Sicher, das muß nicht unbedingt sein, ich muß nicht die Funktion jeder Schraube am Warp-Antrieb erklärt bekommen. Aber etwas mehr Information, etwa über Reisezeiten und -dauer, wäre schon schön gewesen.

Nach dem Brandhorst Anfang des Jahres ist dies der zweite Roman, den ich für den DSFP nominieren werde. Ich bin einmal gespannt, ob Frank W. Haubold wieder abräumt. Aber egal, ob er den Preis kriegt oder nicht : Nach den "Schatten des Mars" ist ihm zumindestens mit dem ersten Teil der "Götterdämmerung" wieder ein Meisterwerk gelungen.

Dienstag, 2. Oktober 2012

Dirk Bach (1961 - 2012)

Dirk Bach ist tot.
Auf Spiegel Online findet sich ein ausführlicher Nachruf.
Mir wird er immer durch seine "Dirk-Bach-Show" unvergessen bleiben.
Weit vor "Stromberg" hatte Dirk Bach schon die unsterblichen Zeilen "Wer die letzte Tasse nimmt, füllt auch neuen Kaffee nach !" in seinem unvergessenem Sketch "Kaffeetasse". Oder der Spießbürger, der genüßlich aus seinem Wohnzimmerfenster einen Verkehrsunfall beobachtet : "Schlimme Ecke hier." Und "Schlonz". Nicht zu vergessen "Schlonz" - "Ich kann das nicht mehr halten !"


RIP