Seiten

Donnerstag, 3. September 2015

TERRA Sonderband 33 - Donald A. Wollheim : Projekt Mikrokosmos

David Grinnel (= Donald A. Wollheim) : Projekt Mikrokosmos (Edge of Time)
TERRA Sonderband 33, 30.09.1960
Deutsche Erstausgabe
Neuausgabe TERRA ASTRA 340, 1978
Originalausgabe 1958
Aus dem Amerikanischen von ???
Titelbild : Karl Stephan


Projekt Mikrokosmos – ein kurzlebiges Universum von Menschengeist erschaffen, in dem die Zeit viel schneller abläuft, als in der normalen Welt. Doch es gibt Kräfte, die die Wesen des Mikrokosmos über das bevorstehende Ende informieren. Können sie dem drohenden Untergang entkommen?
Teaser

Ein Reporter und seine Kollegin gehen Schattenbildern nach, die in einigen amerikanischen Provinzdörfern die Bewohner beunruhigen. Dort wurden Dinosaurier gesichtet, die sich aber nach kurzer Zeit wieder auflösten und spurlos verschwanden. Waren, der Reporter und Marge, die Photographin kommen einer Gruppe von Wissenschaftlern auf die Spur, die ein in sich abgeschlossenes mikroskopisches Universum im Labor erzeugt haben. Deren Forschungen erlauben es, das Leben auf den Mikro-Planeten zu beobachten und sogar aktiv einzugreifen. Und so erleben die Reporter die Entwicklung eines Universums - und dessen Untergang.

Donald A. Wollheim hat nicht viele gute Romane geschrieben. Dies ist einer davon. Jedesmal, wenn ich ihn wiederlese, nimmt er mich sofort ab der ersten Zeile gefangen. Das ist weniger stilistisch bedingt, Wollheim war kein begnadeter Schriftsteller. Aber der Sense of Wonder, den er in diesen Roman gepackt hat, ist einfach überwältigend. Man merkt der Geschichte an, daß der Autor von der Idee fasziniert war. Dabei war Donald A. Wollheim nicht der erste, der darüber schrieb, "The Girl in The Golden Atom" von Ray Cummings (All-Story 1919) oder Peyton Wertenbakers "The Man In The Atom" (Science And Invention 1923) sind frühe Beispiele ähnlicher Geschichten. Und natürlich "The Incredible Shrinking Man" von 1957, obwohl der Mikrokosmos erst am Ende kurz gezeigt wird. "Edge of Time" reiht sich hier nahtlos ein, gewinnt dem Thema aber neue Facetten ab und betrachtet es mehr vom wissenschaftlichen Standpunkt als aus der philosophischen Perspektive, ohne letzteres aus den Augen zu verlieren. Und so wird aus einer vergleichsweise einfachen Story auch ein Plädoyer für die Humanität, das positive Sicheinmischen.

Heutzutage liest sicher "Projekt Mikrokosmos" etwas schwierig, besonders für jüngere SF-Fans. Wollheim hat hier die frühen 50er deutlich beschrieben, etwa das Bild der Frau im damaligen Mainstream. Die Emanzipation steckte noch in den Kinderschuhen, eine selbstbewusste Photographin war ein Novum, das die Männerwelt nicht wirklich ernst nehmen wollte. Wollheim ist hier seiner Zeit voraus, wenn er Marge als selbstbestimmt und durchsetzungsfähig darstellt, ohne in die übliche Waiting-for-Mr-Right-Routine zu verfallen. Aber auch der Kalte Krieg und die daraus resultierenden Agententätigkeiten, die im Buch eine Nebenhandlung abgeben, sind für Jüngere, aufgewachsen mit primitiven Abhöraktionen und billiger Wirtschaftspionage, nicht mehr en vogue und wahrscheinlich unverständlich. Für etwas Ältere ergibt dies aber eher eine zeitliche Patina, die den Roman an sich noch lesbarer macht. Ich habe die Geschichte, wie ich bereits eingangs sagte, wieder einmal genossen, ein schönes Beispiel für einen heute leider vergessenen Klassiker.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen