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Donnerstag, 28. Mai 2015

Simon R. Green : Das Regenbogenschwert



Simon R. Green : Das Regenbogenschwert (Blue Moon Rising)
The Forest Kingdom 01
Feder&Schwert Neuausgabe 2013
Deutsche Erstausgabe Heyne 2002
Originalausgabe 1991
Taschenbuch, 656 Seiten, 14,99 €
Aus dem Englischen von Oliver Hoffmann
Titelbild : Oliver Graute
ISBN 978-3-86762-177-9


Prinz Rupert soll in den Wäldern einen Drachen erlegen. Nicht so sehr, damit er sich bewährt, als um ihn loszuwerden, denn es kann nur einen Thronerben geben, und Prinz Rupert ist nun mal der Zweitgeborene. Doch als der Prinz und sein melancholisches, sprechendes Einhorn tatsächlich auf einen Drachen treffen, entpuppt sich dieser als alt, müde – und als Schmetterlingssammler. Darüber hinaus quält den kampfesmüden Drachen eine schlagkräftige Prinzessin, die vor ihrer Hochzeit davongelaufen ist.

Als eine immer stärker werdende dunkle Macht das Königreich bedroht, ist Prinz Rupert der Einzige, der sich der drohenden Gefahr entgegenstellen kann. Gemeinsam mit seinem Einhorn, der Prinzessin und dem Drachen bricht er auf, um das größte Abenteuer seines Lebens zu bestehen.
Klappentext

Für meine Mutter und meinen Vater, die immer da waren, wenn ich sie brauchte.

Einst gab es Helden und Schurken, und Finsternis wandelte auf Erden. Es galt, Drachen zu töten und Prinzessinnen zu retten, und strahlende Helden vollbrachten, nun, Heldentaten.
Aus jener Zeit sind viele Geschichten überliefert, Geschichten von unerschütterlicher Tapferkeit und Wagemut.

Dies ist keine davon.
Widmung

So zweigeteilt wie der Klappentext war meiner Wahrnehmung nach auch der Roman. Der erste Teil höchst amüsant, komisch und satirisch typische Fantasy-Klischees aufs Korn nehmend, der zweite Teil dann deutlich ernsthafter, die Komik ist nur noch im Hintergrund und die Bedrohung des Waldkönigreiches umso deutlicher dargestellt. Ich war etwas irritiert davon, beim zweiten Lesen allerdings störte es mich deutlich weniger. Man sollte offenbar darauf vorbereitet sein ...

Insgesamt aber ein sehr lesenswerter Roman, der geschickt mit den Archetypen der Fantasy spielt und sie in einem gänzlich anderen, neuen Licht darstellt. Auf dem Weg zum Drachen liest man etwa Folgendes :
„Hü!“, rief der Prinz.
Das Einhorn schnaubte hoffärtig.
„Du hast leicht reden da oben in deinem Sattel; wem bleibt denn die ganze Mühe? Deine Rüstung wiegt eine Tonne. Mein Rücken bringt mich um.“
„Ich sitze seit drei Wochen im Sattel“, antwortete Rupert ohne jedes Mitgefühl. „Mein Rücken macht mir weniger zu schaffen.“
Das Einhorn kicherte und hielt dann so unvermittelt an, dass der Prinz um ein Haar kopfüber aus dem Sattel geflogen wäre. Rupert packte das lange, gedrehte Horn, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Warum hältst du an? Wird dir vielleicht der Weg zu matschig? Hast du Angst, dir die Hufe schmutzig zu machen?“
„Wenn du ab jetzt jede Minute so einen Witz reißt, kannst du absteigen und laufen“, schnaubte das Einhorn. „Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte: Da vorn versperrt ein großes Spinnennetz den Weg.“
Rupert seufzte tief. „Nun willst du vermutlich, dass ich mir die Geschichte aus der Nähe ansehe?“
„Wenn es dir nichts ausmacht.“
Das Einhorn scharrte mit den Hufen, und einen Augenblick lang fühlte sich der Prinz seekrank. „Du kennst meine Spinnenphobie …“
[...]
„Nun steht nicht wie angewurzelt da!“, brummte eine tiefe Stimme aus den Schatten. „Packt ihn, Jungs.“
Die Goblins traten unsicher von einem Fuß auf den anderen.
„Habt ihr das Riesenschwert gesehen?“, fragte der Kleinste.
„Ja, und die Narben im Gesicht und das getrocknete Blut auf seinem Wams“, wisperte ein anderer ehrfürchtig. „Er muss mindestens ein Dutzend Leute getötet haben.“
„Hat sie wahrscheinlich zu Brei zerstampft“, malte der kleinste Goblin schaudernd aus.
Rupert ließ die blitzende Klinge nonchalant durch die Luft sausen. Die Goblins fuchtelten halbherzig mit ihren Waffen und drängten sich dicht zusammen, weil geteilte Furcht halbe Furcht war.
„Holt euch wenigstens seinen Gaul!“, befahl die Stimme aus den Schatten.
„Gaul?“ Das Einhorn warf den Kopf hoch, und seine blutroten Augen funkelten ärgerlich. „Gaul? Wofür hältst du das auf meiner Stirn? Für eine nutzlose Verzierung? Ich bin ein Einhorn, du Idiot!“
„Gaul oder Einhorn, wo liegt da der Unterschied?“
Das Einhorn stampfte mit den Hufen und senkte den Kopf, so dass sich das Licht auf seinem gefährlich spitzen Horn brach.
„Na gut. Jetzt reicht es. Einer nach dem anderen oder alle zusammen – ich mache euch fertig!“
„Jetzt hast du’s, Chef“, murmelte der kleinste Goblin.
Rupert grinste das Einhorn an. „Ich dachte immer, du seist ein von Besonnenheit und Logik geleiteter Feigling.“
„Im Augenblick habe ich genug damit zu tun, vor Wut zu schäumen“, knurrte das Einhorn. „In Ohnmacht fallen kann ich später, wenn Zeit dazu ist. Stell diese Brut der Größe nach auf, und ich spieße sie allesamt auf. Ich zeige ihnen ein Schaschlik, das sie so schnell nicht wieder vergessen werden.“
Die Goblins traten unauffällig den Rückzug an.
„Wollt ihr wohl stehenbleiben und diesen elenden Fremdling auf der Stelle töten!“, brüllte die Stimme aus den Schatten.
„Wenn du ihn unbedingt tot sehen willst, dann bring ihn doch selber um!“, fauchte der kleinste Goblin und suchte schon einmal nach dem günstigsten Fluchtweg. „Dieses ganze Desaster ist sowieso deine Schuld. Wir hätten ihn aus dem Hinterhalt überfallen sollen, solange er abgelenkt war, wie wir es immer tun.“
Man vernahm einen tiefen Seufzer, dann trat der Anführer der Goblins majestätisch aus den Schatten. Breitschultrig, mit eindrucksvollen Muskelpaketen und fast einen Meter fünfzig groß war er der stattlichste Goblin, den Rupert je gesehen hatte. Er drückte eine übelriechende Zigarre auf seinem mit Grünspan überzogenen Brustharnisch aus Bronze aus und bedachte seine Schar, die sich mitten auf dem Weg zusammendrängte, mit wütenden Blicken. Dann seufzte er noch einmal und schüttelte widerstrebend den Kopf.
„Schaut euch an. Wie soll ich richtige Kämpfer aus euch machen, wenn ihr euch vor dem Kämpfen drückt? Ich meine, wo liegt das Problem? Ihr habt es nur mit einem Mann zu tun.“
„Ja, und mit einem Einhorn“, ergänzte der kleinste Goblin.
„Also schön, einem Mann und einem Einhorn. Na und? Wir sind jetzt Straßenräuber, habt ihr das vergessen? Es gehört zu unseren Aufgaben, wehrlosen Wanderern aufzulauern und ihnen die Wertsachen abzunehmen.“
„Besonders wehrlos sieht mir der hier nicht aus“, murmelte der kleinste Goblin. „Allein das hässliche Schwert, das er mit sich herumschleppt!“
Die Goblins starrten es mit morbider Faszination an, während Rupert ein paar Stöße und Hiebe übte. Das Einhorn trabte hinter ihm auf und ab, das Horn in Richtung der Goblins gesenkt, was deren Mut nicht gerade förderlich war.
„He, Jungs!“, sagte der Anführer der Goblins verzweifelt. „Wie könnt ihr euch vor jemandem fürchten, der ein Einhorn reitet?“
„Was hat denn das damit zu tun?“, fragte der kleinste Goblin. Der Befehlshaber raunte eine Erklärung, von der nur die Worte „jungfräulich“ und „unberührt“ deutlich zu verstehen waren. Sämtliche Goblins starrten Rupert an, und einige feixten vielsagend.
„Als Prinz hat man es schwer“, verteidigte Rupert sich und lief gegen seinen Willen knallrot an. „Oder will einer von euch etwas anderes behaupten?“
Er packte das Schwert und durchtrennte mit einem einzigen Hieb einen überhängenden Ast. Das lose Ende klatschte dumpf zu Boden.
„Verärgert ihn nicht“, murmelte der kleinste Goblin.
„Halt endlich den Mund!“, fauchte der Anführer der Goblinschar. „Überlegt doch mal: Wir sind dreizehn gegen einen. Wenn wir alle gleichzeitig gegen ihn vorgehen, ist es aus mit ihm.“
„Willst du darauf wetten?“, fragte eine anonyme Stimme aus dem Hintergrund.
„Ruhe! Wenn ich den Befehl erteile, greift ihr an. Attacke!“
Er trat vor und schwang drohend sein Schwert, und die anderen Goblins folgten ihm eher zögernd. Rupert tat einen Schritt nach vorn, nahm Maß und streckte den Obergoblin mit einem Faustschlag nieder. Die übrigen Goblins bremsten ihren Angriffsdrang, warfen einen Blick auf ihren gefallenen Anführer und ließen prompt die Waffen fallen. Rupert scheuchte sie zusammen, trieb die Schar so weit zurück, dass sie außer Reichweite ihrer Schwerter und Äxte war, und lehnte sich dann lässig gegen einen Baumstamm, während er überlegte, was er mit den Kerlchen anfangen sollte. Sie waren so absolute Nieten, dass er nicht das Herz hatte, sie zu töten. Der Befehlshaber setzte sich auf, schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen, und merkte, dass er das besser unterlassen hätte. Er bemühte sich, Rupert mit verdrießlichen, herausfordernden Blicken einzuschüchtern, hatte damit allerdings wenig Erfolg.
„Habe ich nicht gleich gesagt, dass dreizehn eine Unglückszahl ist?“, motzte der kleinste Goblin.
„So“, sagte Rupert. „Nun hört mal alle gut zu. Wenn ihr mir versprecht, dass ihr verdammt schnell verschwindet und mich nicht weiter belästigt, will ich ausnahmsweise darauf verzichten, euch dem Einhorn in kleinen Brocken zum Fraß vorzuwerfen. Wie klingt das?“
„Akzeptabel“, meldete sich der kleinste Goblin hastig zu Wort. „Echt akzeptabel.“
Die meisten anderen Goblins nickten.
„Bekommen wir zuerst unsere Waffen zurück?“, fragte der Anführer der Goblins.
Rupert lachte. „Sehe ich aus wie ein Irrer?“
Der Befehlshaber zuckte mit den Schultern. „Versuchen kann man’s ja mal. Na gut, edler Held, der Handel gilt.“
„Ihr werdet mir nicht folgen?“
Der Goblin-Anführer warf ihm einen harten Blick zu. „Sehe ich aus wie ein Irrer? So, wie du die Truppenmoral untergraben hast, wird es mich Wochen harter Arbeit kosten, aus diesem Haufen wieder eine ordentliche Armee zu machen. Ich für meinen Teil, edler Held, spüre nicht das geringste Verlangen, dich je wiederzusehen.“

Die Goblin-Truppe wird im Laufe des Romans noch eine prominente und noch weniger archetypische Rolle spielen. Aber die beiden obigen Beispiele zeigen sehr schön den Dualismus selbst der ersten humoritischeren Hälfte, in der immer wieder die brutale Realität in die Fantasy-Idylle einbricht. Wie gesagt, beim ersten Lesen noch etwas gewöhnungsbedürftig.

Simon R. Green hat relativ viele Romane in diesem Szenario geschrieben. Diese scheinen jetzt alle nach und nach in chronologischer Reihenfolge (und eben nicht in der Reihenfolge ihres Erscheinens) bei Feder & Schwert als Taschenbuch und eBook herauszukommen. Wie alle Romane dieses Autors kann ich auch den hier uneingeschränkt empfehlen. Und ich hoffe, daß auch die Hawk & Fisher-Romane von ihnen veröffentlicht werden.

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