Seiten
▼
Dienstag, 18. September 2012
John Ringo : Invasion (II)
John Ringo / Tom Kratman : Die Wacht am Rhein
Invasion Band 7
Baen Hardcover
Der weltweite Angriff der Posleen auf Deutschland wird geschildert. Trotz der Reaktivierung alter SS-Kampfverbände muß sich die Bevölkerung am Ende nach Skandinavien und in die Alpen zurückziehen, der Rest von Deutschland wird von den Posleen überrannt.
Wenn ein deutscher Schriftsteller einen Western in den USA veröffentlichen will, sieht er sich einem großem Problem gegenüber : Jeder seiner Leser ist ein Experte. Das ist nicht übertrieben, die US-Amerikaner kennen ihren Westen nur zu gut, der obige Aufschrei stammt sogar sinngemäß von einem amerikanischem Autor. Das gleiche gilt, wenn zwei (amerikanische) Schriftsteller einen Roman schreiben, in der die Zeit des Faschismus eine Rolle spielt. Und hier sind John Ringo und Tom Kratman sozusagen voll auf die Schnauze gefallen.
Ihre nicht unkreative Idee bestand in der Verjüngung alter SS-Kampfverbände. Da diese deutlich mehr Kriegserfahrung als die heutige Bundeswehr haben, sollen sie mit dem Segen des Bundeskanzlers Deutschland gegen die Posleen verteidigen. Diese alten SS-Leute werden als Elitesoldaten geschildert, wie man sie sich heute vorstellt. Nur einer von ihnen ist aus den SS-Totenkopfverbänden, er wird auch als ätzender Unsympath beschrieben und am Ende, als fast alle ehemaligen SS-Leute gefallen sind und die Posleen Deutschland überrennen, von einem seiner Kameraden mit dem Kommentar "Du Nazi-Schwein" erschossen.
Dieses Szenario ist nicht nur extrem stark vereinfachend, sondern auch ebenso stark romantisierend. Die SS bestand auch, ich meine sogar hauptsächlich, aus echten Elitesoldaten. Aber um zu dieser Elite zu gehören, reichte das rein Soldatische nicht aus, auch die Weltanschauung musste den damaligen Umständen entsprechen. Sprich : Nur echte Nazis waren in der SS. Und diese SS-Männer standen hinter den Judenverfolgungen, haben sich selbst als Übermenschen und viele Andere als ihnen unterlegen betrachtet. Das heisst aber nicht, daß sie aktiv in den Vernichtungslagern tätig waren oder diese ebenfalls bejahten. Tatsächlich wurden die KZs aus den verschiedensten Gründen, nicht zuletzt soldatischen (Verrohung) von einem nicht unerheblichem Teil der SS abgelehnt. Doch Mitleid oder auch nur der Ansatz eines Gleichberechtigungsgedankens lag dagegen fern. Hier zeichnen Ringo und Kratman ein verklärtes Bild der SS-Kämpfer.
Auf der Gegenseite zeichnen beide Autoren ein ebenfalls stark vereinfachtes negatives Bild der deutschen Grünen. Sie werden als realitätsfremde Opportunisten beschrieben, denen ihre Anschauung über das Wohl der Menschen geht. Ihr Anführer wird dargestellt als jemand, der nicht nur gegen die Reaktivierung und Revitalisierung der ehemaligen SS-Leute opponiert, sondern auch bewusst in Zusammenarbeit mit den Darhel Sabotage an den SS-Kampfverbänden als auch normalen Bundeswehreinheiten betreibt. Ringo und Kratman stellen dies als Standardreaktion der Grünen dar – jedenfalls habe ich den Roman so empfunden. Auf der einen Seite ist dies nicht unrealistisch. Man betrachte dazu nur die Entwicklung der Grünen in Deutschland von den 80ern bis heute. Sehr viele Idealisten und Realisten der ersten Generation sind, aus welchen Gründen auch immer, weg und der heutige Zustand der einstmaligen Wahlalternative ist derart, daß die Grünen sich in keinster Weise von CDU/CSU, SPD oder FDP unterscheiden. Insbesondere nicht, wenn man ihre Führungsriege betrachtet. Von daher ist die Ringo-Kratmansche Extrapolation durchaus gerechtfertigt. Auf der anderen Seite ist gerade diese Ununterscheidbarkeit von anderen etablierten Establishment-Parteien ein klarer Garant dafür, daß mehr nach Wählerstimmen als nach Ideologien vorgegangen wird, so daß ideologisch motivierte Handlungen, wie die beiden Autoren sie beschreiben, von den Grünen heutzutage nicht mehr denkbar sind. Substituiert man aber die Grünen durch eine beliebige andere, stark ideologisch motivierte Partei, so scheint mir eine solche Projektion nicht wirklich unrealistisch.
Was mir auffiel, ist die Tatsache, daß zu diesem Zeitpunkt Ringo und Kratman der Ghandi-Variante des Widerstands keinerlei Chance einräumen. Geschweige denn, daß sie zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer friedlichen Verständigung mit den Posleen auch nur in Erwägung ziehen. Das ist sicherlich im Kontext der Invasions-Romane realistisch und ich persönlich stimme ihrer Einschätzung der Lage vollkommen zu. Aber seit Ghandi haben viele Leute (nicht zuletzt die Grün-Alternative Liste) gezeigt, daß es auch anders geht. Es ist schade, daß eine solche Möglichkeit nicht dargestellt wurde, auch wenn sie höchstwahrscheinlich von beiden Seiten hintertrieben worden wäre. Von daher ist mir das Buch etwas einseitig.
Was das Buch nicht ist, ist faschistisch. Auch wenn es von keinem renommiertem Verlag in Deutschland veröffentlicht werden dürfte, da (siehe oben) zu viele falsche Prämissen enthalten sind, so gibt es doch keinen Grund wie die FAZ hier von "Retrofaschismus" zu sprechen. Tatsächlich sprechen sich die Autoren implizit wie auch explizit in dem fiktiven Lebenslauf des SS-Manns Brasche gegen den Faschismus aus und lehnen ihn effektiv in jeglicher Form ab. Genauso jedoch, wie solche "Friedensdemonstranten", die bei "Peace Now"-Demos Polizisten krankenhausreif prügeln. John Ringo und Tom Kratman sind hier eher neutral, weder rechts noch links. Allerdings stehen sie, wie bereits vor Jahrzehnten Robert A. Heinlein, auf dem Standpunkt, daß nur eine wehrhafte Gesellschaft echte Zukunftschancen hat. Und damit setzen sie sich, insbesondere in Europa, zwischen alle Stühle, weil sie sich dem politischen Freund-Feind-Schema entziehen.
Handwerklich fiel mir das schlechte Deutsch auf, das durch das Lektorat von Baen durchgekommen ist. Hier, ebenso wie bei dem "Tuloriad", wäre etwas mehr Sorgfalt vonnöten gewesen.
Insgesamt fand ich das Buch nicht schlecht, wenn auch die oben dargestellten Macken es für einen Durchschnittsleser in Deutschland nur schwer lesbar machen dürften.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen