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Freitag, 27. Juli 2012

Gillian Bradshaw : Das Lied des Wolfs



Gillian Bradshaw : Das Lied des Wolfs (The Wolf within, 1997)
Goldmann 41609, 445 Seiten
nur noch antiquarisch erhältlich


Frankreich zur Zeit der Kreuzzüge, im Frühling 1098. Ungeduldig wartet die neunzehnjährige Marie de Chalandrey im Frauenkloster auf die Rückkehr von Vater und Bruder aus dem Heiligen Land. Als schließlich die Nachricht vom Tod ihres Bruders eintrifft, verändert sich Maries Leben dramatisch: Plötzlich ist sie als Erbin von Chalandrey und heiratsfähige Frau von größtem politischen Interesse und soll gegen ihren Willen vermählt werden. Einzig der Ritter Tiarnan de Talensac stellt sich auf Maries Seite und bemüht sich selbstlos und liebenswürdig um die junge Frau. Leider ist Tiarnan jedoch bereits verheiratet - und in manchen Nächten führt er ein geheimnisvolles Doppelleben...
[Klappentext]

Der Klappentext liest sich wie ein Vorläufer der Vampirschlampen-Romane. Das ist "Das Lied des Wolfs" definitiv nicht. Die recht unpathetisch vorgetragene Liebesgeschichte zwischen Marie de Chalandrey und Tiarnan de Talensac wird von der Autorin benutzt, um die politischen Verwicklungen der damaligen Zeit und die wirtschaftlich-sozialen Abhängigkeiten von Lehnsherr und Ritter darzustellen.

Das Buch basiert auf dem Lai de Bisclavret, einer Versnovelle der französischen Dichterin Marie de France aus dem 12. Jahrhundert, wie Gillian Bradshaw im Anhang angibt. Für diejenigen, die sich dafür interessieren, hier gleich einmal ein paar Links :

Lai de Bisclavret (wikisource.fr)
Bisclavret in der deutschen Wikipedia
Marie de France in der englischen Wikipedia
Der Werwolf

Der Roman ist klassisch strukturiert : Er beginnt als realistische Darstellung, einzelne unheimliche Ereignisse blitzen punktuell auf, bis er im letzten Drittel zu einem echten Fantasy-Roman wird. Trotz der zentralen Liebesgeschichte und der ausführlichen Darstellung der Leiden von Tiarnan als Werwolf bleibt "Das Lied des Wolfs" eine gelungene Mischung aus Fantasy und Historienroman, ohne auch nur ansatzweise in die Richtung eines Kitschromans abzugleiten. Dies wird dadurch forciert, daß die Autorin sich neben der Haupthandlung sehr stark auf die gegenseitigen Abhängigkeiten Bauern <--> Ritter <--> Lehnsherr <--> König konzentriert und versucht, diese gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen dem modernen Menschen klarzumachen.

Als Historienroman betrachtet sind hier, wie in allen historischen Romanen, einige Ungenauigkeiten enthalten. Im Anhang, dem "Historischen Epilog", führt Gilian Bradshaw diese auf und erklärt, warum sie von ihr so verbogen wurden. Man erkennt, daß dies Marginalien sind und die grundsätzliche geschichtliche Struktur beibehalten wurde. Dies ist wichtig, zumindestens für mich, denn ohne diese Gewissheit macht mir das Lesen eines historischen Romans keinen Spaß. Wie ich leidvoll erfahren musste, aber dazu später.

Insgesamt ist "Das Lied des Wolfs" eine gelungene Mischung aus Fantasy und Historienroman, den man unbedenklich weiterempfehlen kann.

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