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Freitag, 18. Mai 2012

Charlotte Kerner : Jane Reloaded



Charlotte Kerner: "Jane reloaded"
Beltz & Gelberg, Weinheim 2011
214 Seiten

Jane IV. besucht ihren Vater in einem Gentechnik-Labor, in dem der homo erectus geklont wurde. Als Praktikantin arbeitet sie mit Jamie, einem Labor-Exemplar. Fasziniert von seiner animalischen Anziehungskraft bekommt sie erst feuchte Träume und gibt sich ihm dann schlußendlich (nach 168 von 186 Seiten) hin. Dabei stellt sie fest, daß die hochintelligenten (???) homo erectus-Exemplare ihr Reservat bereits lange verlassen haben und glücklich unter den homo sapiens leben.

Das Buch ist genauso bescheuert, wie man sich es nach dieser Inhaltsangabe vorstellt. Auch wenn es nirgendwo explizit angegeben wurde, ist die Zielgruppe Mädchen bis 8 Jahre. Ältere sind emotional weiterentwickelt als die Protagonisten und können mit diesem Buch nichts mehr anfangen. "Jane Reloaded" ist auch von einer typischen Gymnasialmutter geschrieben worden, die sich einen feuchten Dreck um die geistige und emotionale Entwicklung ihres Kindes kümmert, sondern es stattdessen mit Wissen vollstopft. Beziehungsweise mit Pseudo-Wissen, denn der Text strotzt nur so von wissenschaftlich fragwürdigen Aussagen.

Die Zeichnung der 18-jährigen Hauptfigur Jane IV. ist kritisch, Eltern sollten sich scharf überlegen, ob sie ihr Kind der in diesem Buch dargestellten Weltsicht aussetzen wollen. Ihr Familienumfeld besteht nur aus Frauen, Männer spielen zu keinem Zeitpunkt eine Rolle, die das Stichwortgeben übersteigt. Angeblich hochintelligent sind aber die Ideen von Jane IV. nur die folgenden :
In einer Nacht träumt sie sich auf eine Sandbank im Mekong. [...] Janes Zehen bohren sich in den warmen Sand. Sie stolpert und fällt weich auf die Knie, rollt sich auf den Rücken, streckt sich aus. [...] Eine Hand fährt von ihrem Hals über Brust und Bauch, raue, feste dunkle Haut, die sich fremd und gut anfühlt. Hitze und Lust überall. Sie stöhnt kurz auf und schläft dann tief und traumlos weiter.
Auf diesem Niveau ist das gesamte Buch. Dagegen ist Trudi Canavan nobelpreisverdächtig. Nicht einmal der klassischen Filmtechnik des Ausblendens beim Beischlaf entblödet sich die Autorin :
Die eine Hand ist klein und hell, die andere größer und dunkel. Und dann spürt er ihre und sie seine Fingerkuppen auf der Innenseite der Finger. [...] Beide sind tief berührt und aufgewühlt. [...] Gesicht an Gesicht liegen sie nebeneinander, hell an dunkel, und Körpergrenzen lösen sich langsam auf, bis sie ein Wesen sind, das alles ist - Tier, Mensch, Pflanze. Ein Wesen, das zwei Namen hat, die Jane und Jamie immer wieder murmeln, bevor sie nur noch fühlen und riechen, um dann festumschlungen einzuschlafen.
 Meiner Meinung nach ist eine der Aussagen dieses Buches : "Scheißegal, wie intelligent er ist, Hauptsache, er hat 'nen großen Schwanz !" Daß emanzipierte Frauen sich in der heutigen Zeit so etwas bieten lassen, ist schon kraß. Da haben Robert Ervin Howard und E. E. Smith emanzipierter geschrieben.

Das Buch handelt, abgesehen von der seltsamen Sicht der Autorin auf die Geschlechter-Interaktion, von Wissenschaft, genauer von Gentechnik. Und ist von jemandem geschrieben worden, der von der Wissenschaft an sich ebenso wie vom wissenschaftlichen Betrieb keinerlei Ahnung hat. Es strotzt nur so von wissenschaftlichen Fehlern, Ungenauigkeiten und einer kindischen Wissenschaftlerverehrung. Dabei, und das sollte man der Autorin zugute halten, hat sie ausführlich recherchiert, jedoch aufgrund ihrer fehlenden wissenschaftlichen Ausbildung unkritisch alles übernommen, das ihr in den Kram passte. Der Rest wurde ignoriert.

Bedenklich ist auch, daß der dargestellte gentechnologische Fortschritt an keiner Stelle auch nur im Geringsten hinterfragt wurde. Da werden Urmenschen geklont und die Eizellen Leihmüttern eingepflanzt. Dies wird als wissenschaftlicher Fortschritt und Notwendigkeit angesehen, ohne daß auch nur der leiseste Zweifel aufkommt, Kritiker wie Jane III. werden als etwas verwirrt dargestellt. Sorry, aber da war man ja sogar im Golden Age schon deutlich weiter. Diese Wissenschaftshörigkeit kulminiert in einem umgebautem Vaterunser, das Darwin und die Gentechnik verherrlicht.

Der Stil : Nun, der Stil ist Schweigen. Nein, eigentlich ist er so mies, daß meine Deutschlehrer früher dies mit "Audruck : 5" bewertet hätten. Ein Beispiel :
Tausend Kilometer vor der Küste Ecuadors hatte der Mensch gnadenlos zugeschlagen und war auf der Natur rücksichtslos herumgetrampelt.
Jede(r) JungautorIn hätte sich geschämt, ein solches Machwerk zu veröffentlichen, aber bei Charlotte Kerner drückt man offenbar beide Augen und sämtliche Hühneraugen zu. Kein Wunder, daß Thalia Hamburg von den drei georderten Exemplaren erst zwei verkauft hat, eines davon an mich, der ich gezwungen war dieses Machwerk zu lesen, da es beim DSFP nominiert ist. Ich frage mich, was diejenigen, die diesen Mist nominierten, sich dabei gedacht haben. 

Insgesamt ein Buch, das man in keinster Weise weiterempfehlen kann.

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