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Samstag, 20. Dezember 2014

Sven Klöpping (Hrsg.) : Bullet



Sven Klöpping (Hrsg.) : Bullet
sternwerk 2
Sven Klöppings sternwerk @ p.machinery
Murnau 2014, 196 Seiten
Taschenbuch, 10,90 €
Titelbild und Illustrationen : Lothar Bauer
ISBN 978 3 95765 015 3
als eBook: in Vorbereitung


Niemand hat es anders gewollt: die erste Anthologie mit bösen, schnellen SF-Storys aus Sven Klöppings MegaFusion-Universum. Die Figuren sind keine Helden. Die Welt ist nicht ihre Bühne. Sie werden nur geduldet. Und manchmal geschieht etwas, mit dem niemand gerechnet hätte –
Es sind Geschichten aus der Zukunft, Geschichten von Kleinkriminellen, tragisch Liebenden, Sektenführern und schizophrenen Linguistikern. Bekannte und weniger bekannte Autoren des Genres Science-Fiction haben sich zusammengefunden, um einen Beitrag zu MegaFusion zu leisten. Das Ergebnis kann sich lesen lassen.
Klappentext

Geschichten aus dem von Sven Klöpping erdachten MegaFusion-Universums. Eine Anthologie mit einigen bekannten Namen und diversen neuen Pseudonymen angeblich bekannter AutorInnen. Ich war gespannt, wie sich dieses erste Buch des Sternwerk-Imprints liest.

Sven Klöpping : Einleitung
Auch wenn die meisten anderen Rezensionen mit der ersten Story beginnen, sollte man die Einleitung nicht unter den Tisch fallen lassen. Sven Klöpping erzählt hier über das MegaFusions-Universum, eine Erde, überall bebaut, hauptsächlich von gigantischen Wolkenkratzern und Arkologien, einer Welt, in der die Konzerne das Sagen haben.
Das ist nichts Neues, derartige Szenarien kennt man so oder so ähnlich aus "Shadowrun", "Wild Cards" oder "Battletech", Shared Worlds, die etabliert und mit spannenden als auch literarischen Geschichten befüllt sind. Auch hatte ich beim Lesen dieses Vorworts Assoziationen zur "Thieve's World". Und mal ganz ehrlich : Wenn man meint, heutzutage eine Anthologie wie "Bullet" produzieren zu müssen, dann muß man sich auch an den Vorgängern messen lassen. Mein Anspruch an "Bullet" ist also relativ hoch. Warten wir ab, ob und inwieweit die einzelnen Geschichten diesen Anspruch erfüllen können.


D. J. Franzen : Der große Gig
Man kann sich in die Gehirn-Aufzeichnungen toter Menschen einklinken, um Kriminalfälle aufzuklären. Das ist nun nix Neues – soll es aber auch nicht sein, der Autor deklariert seine Geschichte ausdrücklich als Hommage an Dick und Spinrad. Dafür ist sie aber nicht schlecht gelungen, liest sich auch ganz flüssig. Daumen hoch !

Christian Künne : Die Uhr schlägt nicht mehr
Zeffik wird – genau wie sein Großvater – ein Massenmörder.
Eine nette Geschichte, stilistisch ziemlich aufgesetzt und bemüht bedeutend. Dabei von der grundlegenden Idee gar nicht einmal so schlecht, hätte der Autor auf einen Teil der affektierten Darstellung verzichtet, hätte die Story sogar sehr gut bis preiswürdig sein können.

Michael Schmidt : She
Hab' ich nicht verstanden, die Geschichte. Wenn es überhaupt eine ist. Wie kommt so etwas durch das Lektorat ?

Thorsten Küper : Der Mechaniker
Ein Robotertechniker wird kriminell.
Nicht gut. Nicht gut als Kurzgeschichte jedenfalls, ansonsten schon erste Sahne. Thorsten Küper erzählt spannend und pointiert die Geschichte eines kriminellen Robin Hoods, wobei der Autor auch eine gehörige Portion Sarkasmus nicht vergisst. Allerdings ist dies eher ein Romananfang als eine Kurzgeschichte, das passt handwerklich nicht richtig als Einzelstory in die Anthologie rein. Wäre allerdings im Sinne von "Thieve's World" der ideale Einstieg (auch) für andere Autoren.

Sven Klöpping : Crime Sponsoring
Naja, der Name der Story beschreibt eigentlich auch präzise ihren Inhalt. Ich fand Geschichte als auch Idee gut, weil Sven Klöpping dies schnörkellos und straightforward durchzieht und eine Entwicklung der Gegenwart excellent in die Zukunft projiziert. Vielleicht nicht preiswürdig, aber verdammt nahe dran. [Hier hat sich Sven Klöpping sozusagen selbst ein Bein gestellt. In schwächeren Jahren wäre diese Story wahrscheinlich für den DSFP nominiert worden, aber allein in dieser Anthologie sind ausreichend viele gute Stories enthalten, daß "Crime Sponsoring" hinten runterfällt.]

Jakob Moser : Die Vision
Ein Mann nimmt Rache an einem Mafia-Boss – doch eine Zeitanomalie macht diese Rache obsolet.
Nett geschrieben, aber erstens zu einem gewissem Grad der übliche Standard und zweitens ist unklar, was der Autor eigentlich mit dieser Geschichte sagen will. Hier hätte ein strengeres Lektorat notgetan.

Stefan Blankertz : Rambo II
Wen ich Anmerkungen zu einer Geschichte lesen will, sollten sie am Ende stehen. Und nicht Teil der Geschichte sein. Das Ganze ist nur affektiert, nicht kreativ.

Vincent Voss : Bullet
Wer den Inhalt dieser Geschichte wissen will, dem empfehle ich Wolfgang Menges "Millionenspiel" (mit einem fiesen Dieter Hallervorden als Killer). Oder die Originalstory von Robert Sheckley. Oder eben "Bullet", das eine ganz hervorragende und excellent gelungene Hommage an diese Klassiker darstellt. Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich die Story für den DSFP nominieren würde, aber das liegt nur an der schieren Masse gelungener Stories dieses Jahr. In jedem Fall ist die Story aber ausnehmend gut erzählt, spielt mit dem Leser und seiner Erwartungshaltung und hat den nötigen Biß, um zu gefallen. Ich kann sie auf jeden Fall uneingeschränkt empfehlen.

Susanne Schnitzler : Job of Clones
Ach, von hier kenne ich den Namen einer meiner neuen Facebook-FreundInnen. Da hat mein Unterbewusstsein wieder zugeschlagen, denn meines Wissens ist "Job of Clones" die erste Geschichte, die ich von dieser Autorin lese. Muß man aber im Auge behalten, die Frau, denn der hier vorliegende Klon-Krimi ist inhaltlich, stilistisch als auch handwerklich wirklich gelungen. Das parallele Erzählen aus zwei gegensätzlichen Perspektiven [@ Hrsg. : Sehr schön gegeneinander abgesetzt, man kam an keiner Stelle ins Schwimmen] sowie die lakonische Mischung aus Film Noir und moderner SF hat schon was und hebt "Job of Clones" deutlich vom Durchschnitt ab. Ebenfalls lesens- und weiterempfehlenswert.

John Aysa : Ein einfacher Tag für ein einfaches Gemüt
Inhaltlich das Übliche, ein fast schon archetypisch zu nennender Cyberpunk. Aber – und das ist durchaus bemerkenswert – interessant und spannend erzählt, mit einem humanistischem Touch, den man nicht so oft in dieser Art Geschichten findet. Keine Ahnung, wer sich hinter diesem Pseudonym verbirgt, man merkt der Story aber an, daß der Autor sein Handwerk excellent beherrscht.

Dirk Bernemann : J&G
Eine Geschichte über Gehirn-Chips, Gedankenkontrolle und Emotionen. Ich bin mir nicht so ganz sicher, was ich davon halten soll, so richtig gefallen hat mir die Geschichte nicht. Das kann aber durchaus ein Generationsproblem sein, vielleicht bin ich zu alt für die Story. Also kann ich jedem nur empfehlen, sich sein eigenes Bild zu machen, gut genug geschrieben dafür ist "J&G" nämlich.

Frederik Brake : Glücklichland
Ich sag' nix über den Inhalt der Story, wäre unschönes Spoilern. Allerdings komme ich nicht umhin, Frederik Brake zum wiederholten Mal zu einer gelungenen Story zu gratulieren. "Glücklichland" holt aus einer fast schon Standardsituation zu nennenden Szenerie noch einige Innovationen heraus, die mir ausnehmend gut gefallen haben. Auch stilistisch bleibt Brake zwar im Cyberpunk, die gepflegte Sprache der Story unter Beibehaltung des Feelings macht ihm so schnell kein anderer nach.

Diane Dirt : Revenge
Tja, M'Lady, Pseudonym hilft nix, da werden Sie Sich doch wohl outen müssen. Jedenfalls wenn es nach mir geht, denn diese herrlich bissige Mundart-Geschichte, die feministisch ist, ohne männerfeindlich zu sein, die gleichzeitig eine präzise Kapitalismus-Kritik und Sex-Orgie darstellt, ist eine der Geschichten, die ich für den DSFP nominieren werde. Wahrscheinlich bin ich da mal wieder der einzige, denn die anti-chauvinistische Haltung der Geschichte dürfte der einen Richtung nicht gefallen und die viiiieeeel zu geringe SJW-Haltung der anderen suspekt sein. Für mich aber genau das Richtige, wie man auf eBay sagt : "Gerne wieder".

Andreas Winterer : Bloss nicht alt sein im U18
Ein bitterer Kommentar zu dem immer stärkerem Rückzug des Staates aus der (eigentlich bereits lange aus Krankenkassenbeiträgen und Steuern finanzierten) Altenpflege. In seiner Unaufdringlichkeit und Präzision ist diese Geschichte nur zu empfehlen, ohne Allüren stellt der Autor die logische Fortsetzung der Pflegekassendiskussion dar.

Andreas Flögel : Who's your Daddy ?
Stilistisch so eigentlich gar nicht mein Fall, hat diese Story von Andreas Flögel aber eine ziemlich reduziert-präzise Erzählweise und eine konsistente Extrapolation heutiger Snuff-Videos. Wie gesagt, nicht so ganz mein Ding, aber das ist erstens absolute Geschmackssache und zweitens trotzdem (Wer hat da "Gerade deshalb" gerufen ?) große deutsche SF.

Sven Klöpping : Homebasejump!
Kann' ich nur garnix mit anfangen, beschreibt aber ebenso wie Flögels Story in wirklich gelungener Extrapolation ein zeitgenössisches Problem. Nicht meines zwar, aber man muß ja auch nicht alles Nachempfinden können.

Tja, welches Fazit soll man für diese Anthologie ziehen ? Zugegeben, es gab (für meinen Geschmack zumindestens) ein paar Ausfälle, Geschichten, bei denen ich das Buch kopfschüttelnd angeguckt habe. Und es gab auch diverse Standard-Stories, Geschichten, wie man sie in dieser Form und mit diesem oder einem zumindestens sehr ähnlichem Inhalt auch in anderen, in jeder Cyberpunk-Anthologie finden kann. Aber es gab einen nicht unerheblichen Teil an guten, sehr guten und einen meßbaren Teil an brillianten Geschichten in "Bullet". Insgesamt – auch und gerade wenn ich jetzt, da ich diesen Kommentar schreibe und alle Geschichten ein zweites Mal mindestens angelesen habe – eine wirklich gelungene Sammlung von Stories zeitgenössischer deutscher Autoren. Ich habe sie gerne gelesen, einige Geschichten zusammen mit dem Autorennnamen haben sich da durchaus bei mir eingeprägt, da werde ich zukünftig drauf achten. Ich sehe "Bullet" auch als Bestandsaufnahme zeitgenössischer deutschsprachiger SF, noch nicht ganz auf dem Niveau der "Visionen" oder der Wurdack-Anthologien, aber schon nahe dran.

Ich kann also "Bullet" durchaus weiterempfehlen und habe die Anthologie insgesamt ziemlich genossen. Ich hatte allerdings so ein bißchen den Eindruck, daß "die" deutschen SF-Autoren ihre Topoi zu gut kennen und sich sozusagen in den Standards (was immer das sein mag, ich nutze das Wort nur als Beschreibung eines subjektiven Eindrucks) verlieren. Ich wünsche mir da eine zweite Anthologie von Sven Klöpping und Michael Haitel, vielleicht mit mehr Beteiligung von Krimi-Autoren. Die vielleicht ganz andere Facetten des Bullet-Universums aufzeigen können. Aber in jedem Fall wünsche ich mir eine zweite "Bullet"-Anthologie – und das sagt, glaube ich, mehr als irgendwelche Lobeshymnen.

1 Kommentar:

  1. Alter, watt sachse da? Noch ne MF-Antho willse? Wenn der Sven noch ma ruft, ich bin dabei. Diane
    Hallo Dino,

    vielen Dank für die Blumen. Ich freue mich, dass dir meine Story gefallen hat.

    Liebe Grüße

    Marianne

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